Fischerei: Wer übernimmt den Kutter? Krabbenfischer in Sorge

Ohne Kutter keine Krabben, ohne Krabben keine Touristen: Fischer sehen ihre Existenz in Gefahr – und warnen vor einem Dominoeffekt.

Wenn der letzte Krabbenkutter den Hafen verlässt, geht nicht nur ein Arbeitsplatz verloren – es stirbt ein Stück Nordsee, ein Stück Heimat, ein Stück Urlaubsgefühl. So fühlt es sich zumindest für Krabbenfischer Stephan Hellberg und seine Kollegen von der Wurster Nordseeküste an. „Es steht mehr als nur unsere Existenz auf dem Spiel“, betont der 58-Jährige.

Bald keine Fischer mehr in der Region?

Zehn Krabbenfischer fahren in der Region noch aufs Meer, bei Wind und Wetter. „Und von denen sind sieben schon über 55“, sagt der Vorsitzende des Fischereivereins Dorum. Mit 56 Jahren können Fischer in den Vorruhestand gehen. Wer bleibt dann noch übrig? „Drei Stück dann noch, drei Jungfischer!“ 

Die Sorgen um ihre Zukunft treiben viele Fischer um – und bewegen immer mehr zum Aufgeben. „Die Tendenz ist stark fallend“, sagt Hellberg. „Ich schätze mal, in den nächsten zehn Jahren werden hier noch ein oder zwei Fischer sein und dann ist Schluss.“

„Entweder man ist Fischer oder man ist kein Fischer“

Hellberg und seine Kollegen finden kaum noch Nachwuchs und Decksleute. „Unser Nachwuchsproblem ist extrem“, sagt der 58-Jährige. Das sei in anderen Regionen an Nord- und Ostsee nicht anders: Entlang der gesamten deutschen Küste gebe es gerade fünf Auszubildende. Er winkt ab. Es sei ohnehin unrealistisch, Fischer aus anderen Regionen anzuwerben. „Die Norddeutschen sind immer alle sehr bodenständig, da wird keiner hierherkommen.“

Die Jüngeren ziehe es eher in den Bremerhavener Hafen statt hinaus aufs Meer. „Ich mache meine zwölf, dreizehn Stunden am Tag“, sagt Hellberg, der gerade wieder mit seinem Kutter auf der Nordsee unterwegs ist. „So will keiner mehr arbeiten.“ 

Die Fischerei liege im Blut, das Handwerk wurde traditionell von Generation zu Generation weitergegeben. „Ich sage mal so: Entweder man ist Fischer oder man ist kein Fischer. Dazwischen gibts nichts“, ist Hellberg überzeugt. „Man kann nicht einfach sagen: So, ich werde jetzt Fischer.“

Keine Krabben, keine Touristen

Wenn die Fischer verschwinden, wird es auch keine frischen Krabben mehr geben. „Genau so sieht es aus, ja“, bedauert Hellberg. „Die werden dann wohl aus Holland kommen oder so.“ Wer Krabbenbrötchen essen möchte, muss schon jetzt tief in die Tasche greifen. In ein paar Jahren könnten die Brötchen noch teurer werden.

Auch Fischhändler, Handwerker, Gastronomie und Hotellerie werden mit den Folgen zu kämpfen haben. „Für den Tourismus ist das ganz schlimm“, sagt Hellberg. Die Urlauberinnen und Urlauber suchen das Gespräch mit den Fischern, sie wollen die Boote bestaunen und freuen sich auf frischen Fisch. Küste ohne Kutter? Für viele unvorstellbar. Hellberg vermutet, dass der Tourismus in dem Fall um ein Drittel einbrechen würde.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Der Fang dieses Jahr sei so gut wie lange nicht. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Hellberg. Zuletzt gab es kaum noch Krabben, doch nun erinnert der Fang an die guten, alten Zeiten. „Ich habe nie geglaubt, mit meinen 38 Jahren Erfahrung, dass das noch mal so gut wird.“ 

Für die Fischer ein wichtiger Faktor, wenn sie überlegen, wie lange sie mit ihrem Kutter aufs Meer fahren. „Das muss sich auch noch lohnen“, meint Hellberg. „Ich habe mir ein Ziel gesetzt: bis zum 30. November 2027. Bis dahin will ich noch und dann gucke ich mal, wie es mir gesundheitlich geht.“

Wer übernimmt den Kutter?

Im Zweifel könne er sofort aufhören. „Ich kann heute sagen: So, jetzt ist Schluss“, sagt der Fischer. Doch wer übernimmt dann seinen Kutter? „Mein Enkel will das machen, aber der ist noch nicht so weit.“ Mit seinen 15 Jahren habe er eben eine Ausbildung zum Netzmacher begonnen. „Das dauert dann noch gute zehn Jahre, bis er denn so weit ist.“

Stephan Hellberg möchte die Hoffnung nicht aufgeben. Als Vorsitzender des Fischereivereins Dorum hat er Kollegen und Politiker zu einem Dialog eingeladen. „Die traditionelle Krabbenfischerei ist das Herz vieler kleiner Sielorte an der Nordseeküste – wirtschaftlich, kulturell und touristisch“, heißt es in der Einladung. Und dieses Herz soll nicht stillstehen.

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