Autoindustrie: Gewinneinbrüche: Ist das Autoland Baden-Württemberg am Ende?

Gewinneinbrüche, Sparprogramme, Stellenabbau: Die Autobauer und Zulieferer haben mit zig Problemen zu kämpfen und müssen kräftig gegensteuern. Wie sehr ist die Branche in Baden-Württemberg in Gefahr?

Die Autoindustrie in Baden-Württemberg musste zuletzt Gewinneinbrüche verkraften. Mercedes-Benz und Porsche traf es hart. Die Negativmeldungen waren nichts Neues. Vielmehr reihten sie sich ein in Ankündigungen der Autohersteller und Zulieferer wie Bosch und ZF, sparen und Stellen abbauen zu wollen. Alleine sind sie damit nicht. Auch Autobauer wie Volkswagen, BMW oder Audi sind betroffen. Oder Zulieferer wie Continental.

Auf einer der wichtigsten Schlüsselindustrien lastet gewaltiger Druck. Probleme gibt es zuhauf, die Herausforderungen sind riesig. Ist das Autoland Baden-Württemberg am Ende? Und mit den anderen Unternehmen auch das Autoland Deutschland? Oder gibt es noch einen Weg aus der Krise?

„Von einer echten Krise sind die deutschen Automobilhersteller noch weit entfernt“, sagt Frank Schwope, Autoexperte und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule des Mittelstands Berlin. Tiefrote Zahlen seien nicht in Sicht. 

Trotz Einbrüchen noch immer Milliardengewinne

Mercedes-Benz fuhr beispielsweise im ersten Halbjahr noch immer ein Konzernergebnis von rund 2,7 Milliarden Euro ein. Wenngleich der Gewinn im Vorjahreszeitraum noch bei rund 6,1 Milliarden Euro lag. Auch der Volkswagen-Konzern, zu dem neben der Kernmarke auch Porsche und Audi gehören, verzeichnete immer noch Milliardengewinne. Ebenso BMW.

Schwope sieht das so: In den Corona-Jahren seien die deutschen Hersteller extrem verwöhnt worden und hätten extrem hohe Gewinne eingefahren. „Das waren teilweise Gewinne, für die die Vorstände nicht viel konnten“, sagt Schwope. Chips für Autos seien Mangelware gewesen, die Hersteller hätten zwar weniger Autos verkauft, dafür aber die deutlich teureren mit entsprechend höheren Gewinnspannen.

Experte: „Trend zur Elektromobilität verschlafen“

Alles richtig gemacht hätten die Autobauer natürlich nicht. „Die deutschen Hersteller haben den Trend zur Elektromobilität verschlafen“, sagt Schwope. Insbesondere auf dem chinesischen Markt träfen sie kaum den Geschmack junger Leute oder moderner Autokäufer. Auch beim autonomen Fahren seien die Deutschen momentan nicht konkurrenzfähig.

Ähnlich sieht das Constantin Gall, Autoexperte bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Für die deutsche Autoindustrie häuften sich aktuell die Belastungen. „In China, dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Autokonzerne, verlieren die deutschen Autokonzerne derzeit Marktanteile“, teilt Gall mit. Hinzu kämen Milliardenbelastungen, die sich aus den US-amerikanischen Importzöllen ergäben.

Die aktuellen Gewinneinbrüche ausschließlich auf die schwierigen äußeren Umstände zurückzuführen, wäre aber zu kurz gesprungen. Zum Teil seien die Probleme auch hausgemacht. „Der Superzyklus der Jahre 2021 bis 2023 mit Traummargen dank Covid, Chipmangel und Lieferkettenunterbrechungen hat offenbar einigen Marktteilnehmern ein trügerisches Gefühl der Sicherheit gegeben, sodass das Kostenmanagement vernachlässigt wurde“, so Gall. 

 „Die deutsche Autoindustrie braucht dringend eine Verschlankung“

Es seien Milliardensummen in Forschung und Entwicklung geflossen, ohne dass die Resultate immer überzeugen konnten. „Die deutsche Autoindustrie braucht dringend eine Verschlankung und eine Beschleunigung der Entwicklungsprozesse“, sagt Gall.

„Die Probleme einzelner Unternehmen sind unterschiedlich gelagert, aber die Situation für die Industrie und die Beschäftigten ist insgesamt aber schon prekär“, teilt IG-Metall-Chefin Christiane Benner mit. Die Herausforderungen nähmen zu. Die Absatzzahlen von vor der Corona-Pandemie würden in der EU derzeit nicht erreicht. „In der Folge sind Werke nicht ausgelastet, und wir führen harte Auseinandersetzungen darüber, dass Beschäftigte nicht einseitig die Lasten tragen“, so Benner.

IG Metall: „Wir müssen da zusammen durch“

Auch die Gewerkschafterin sieht hausgemachte Probleme, für welche „das Management die Verantwortung übernehmen sollte“. Aktionärinnen und Aktionäre sollten zudem bei der Höhe der Dividenden Abstriche machen. „Wir müssen da zusammen durch“, sagt Benner. Für einige Zulieferer sei die Situation allerdings hart. „Kostendruck und hohe Investitionskosten für die Transformation bei ausbleibenden Erträgen bringen viele an den Rand der Existenznot“, so Benner. 

Die Einschätzung zu den Zulieferern teilt auch Autoexperte Schwope. Bei denen sehe es wesentlich düsterer aus. Diese hätten in den letzten Jahren erschreckend schwache Gewinnspannen eingefahren. „Wenn jemand in der Krise ist, dann sind das die Zulieferer“, sagt Schwope. 

Wie kommt die Industrie zurück zu alter Stärke?

Um zurückzukommen, müssten die deutschen Hersteller auf dem chinesischen Markt wieder stärker werden. „Und sich dort vielleicht auch neue heimische Partner suchen“, sagt Schwope. 

Da die Autohersteller nur sehr begrenzten oder gar keinen Einfluss auf die unbeständigen regulatorischen Bedingungen hätten, sei es umso entscheidender, dass sie ihre internen Strukturen optimieren, ihre Handlungsfähigkeit und Geschwindigkeit erhöhen sowie Kosteneinsparungen vornehmen, teilt EY-Experte Gall mit. Bei der E-Mobilität seien die deutschen Konzerne inzwischen deutlich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren, sodass sie gute Chancen hätten, auf diesem Markt ganz vorn dabei zu sein. 

Anziehende Zahlen bei der E-Mobilität beobachtet auch IG-Metall-Chefin Benner. „Da tut sich was“, sagt sie. Die Unternehmen müssten jetzt einen langen Atem beweisen und weiter in Zukunftsprodukte investieren. Das werde sich auszahlen, wenngleich die Durststrecke für den einen oder anderen gerade etwas lang werde, so Benner. 

Industrie fordert Reformen

Die Industrie selbst fordert derweil Reformen für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes. So seien etwa die Zulieferer mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig, der Standort Deutschland hingegen nicht, teilte der Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie, Jürgen Mindel, mit. Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität müssten zur politischen Top-Priorität in Berlin und Brüssel werden. 

Der Berater Harald Christ blickt gar nicht so negativ in die Zukunft. Die deutsche Automobilindustrie könne eines sehr gut, nämlich aus einer schwierigen Ausgangssituation wieder eine neue Innovationsoffensive zu starten. Die deutschen Hersteller hätten einiges, was Autos der Zukunft angeht, gelernt. Und: „Die deutsche Automobilindustrie wurde schon mehr als einmal abgeschrieben.“

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