Antrittsbesuch in den USA: Klingbeils Speed-Dating in Washington

Der Vizekanzler und Finanzminister rauscht durch die US-Hauptstadt, keine 24 Stunden dauert Lars Klingbeils Antrittsbesuch in Washington. Lohnt sich das?   

Lars Klingbeil hat nicht viel Zeit. Spricht ein paar Sätze in die Kameras, schwierige Zeiten, viel zu besprechen, Dialog suchen. Weiter geht’s.

Dienstagmittag in der US-Hauptstadt, Antrittsbesuch des Vizekanzlers und Finanzministers. Eher: Kurzbesuch. 

Keine 24 Stunden ist Klingbeil vor Ort, rauscht von Termin zu Termin. Treffen mit seinem US-Amtskollegen, Treffen mit dem Weltbankchef. Zwischendurch Auftaktfotos, ein kurzer O-Ton. Speed-Dating in der US-Hauptstadt. Am Abend geht’s zurück nach Berlin. 

Lohnt sich das? In Berlin tun sich vor dem Parteichef-Vizekanzler-Finanzminister ja genug Baustellen auf. Richterwahl, Haushaltslücke. Eine der Großbaustellen hat jedoch ihren Ursprung in dem Gebäude, das Klingbeil für sein kurzes Kamera-Statement im Rücken hat: das Weiße Haus. 

Lars Klingbeil auf Tuchfühlung

Die „Zoll-Auseinandersetzung“ (Klingbeil) sorgt gerade für reichlich Verwirrung und Verunsicherung in Europa und Deutschland. Da gebe es noch einiges auszubuchstabieren, findet der deutsche Vizekanzler und Finanzminister, das satte Grün des Lafayette Parks unter seinen Füßen.

Auf die meisten EU-Exporte, viele davon „Made in Germany“, soll künftig ein 15-Prozent-Zoll gelten. Viele Details sind dabei aber noch unklar. Bei Pharmaprodukten, Halbleitern, der Stahl- und Autoindustrie. Alles wichtig für Deutschland und den Aufschwung der Wirtschaft, den die schwarz-rote Bundesregierung gerade zu organisieren versucht. 

Klingbeil ist hier, um ein Gefühl für die Amerikaner zu bekommen, für ihre Sicht der Dinge. Vielleicht auch ihre möglichen nächsten Schritte. Unter Präsident Donald Trump, der einen launischen und erratischen Politikstil pflegt, kein leichtes Unterfangen. Ihm sei eine „belastbare Gesprächsgrundlage“ wichtig, sagt Klingbeil. 

Diese versucht Klingbeil mit Scott Bessent aufzubauen und zu verstetigen. Dem Secretary of Treasure, also: US-Finanzminister, wird ein guter Draht zu Trump nachgesagt, auch ein gewisser Einfluss auf den Präsidenten. Bessent hat Klingbeil nach dem Treffen der G7-Finanzminister in Kanada im Mai nach Washington eingeladen.

Die beiden sollen sich gut verstehen. Hin und wieder telefonieren, sich SMS schreiben. Klingbeil versucht darauf offenbar aufzubauen, mit seinem Besuch den Draht zu festigen. Ihm sei ein schneller Antrittsbesuch in Washington jedenfalls „sehr, sehr wichtig“ gewesen, betont der Vizekanzler, während hinter ihm eine riesige US-Flagge im Sommerwind weht. Nach der Aufstellung des deutschen Haushalts für 2026 sei jetzt der richtige Zeitpunkt. Am Mittag sind Bessent im US-Finanzministerium verabredet.

Bringt das was?

Trotzdem ist manches rätselhaft an dieser Reise, inklusive des Zeitpunkts. Es ist kaum jemand da. Kongress und Senat befinden sich in der Sommerpause, auch Vizepräsident JD Vance – qua Amt ja auch Amtskollege des Vizekanzler Klingbeils – war ausgeflogen. Nach England, in die Natur. Offenbar ist er nun aber doch wieder in Washington. Lunch-Termin mit US-Präsident Trump.

Zudem ist Klingbeil nur mit kleiner Delegation unterwegs, sucht nicht den großen Auftritt, geht fast schon diskret beim Speed-Dating vor. Kurzer O-Ton, rascher Fototermin. That’s it. Die Treffen finden hinter verschlossenen Türen statt, ohne Begleitpresse. Bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen? Konkrete Ergebnisse, etwa in Schriftform, sind bei der Reise nicht zu erwarten. In der Zollfrage ist sowieso die EU-Kommission zuständig. 

Man kann daher schon fragen, was Sinn und Zweck solcher Kurzbesuche ist. Jenseits der Symbolik, den schönen Bildern. Ob sich das lohnt oder die Zeit nicht an anderer Stelle besser investiert wäre. Zumal in den USA unter Donald Trump feste Verabredungen stets mit einem leisen Fragezeichen versehen sind. 

Andererseits: Politik lebt vom persönlichen Austausch, auch abseits der Kameras. So kann ein belastbares Verhältnis entstehen, also das, was Deutschland zu den USA sucht. Klingbeil tut das nun deutlich weniger exponiert, als Kanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch im Oval Office möglich gewesen ist. Jede Äußerung, jeder Handgriff wurde da ausgedeutet. 

Zu besprechen haben die Finanzminister genug, Klingbeil nennt auch die Zusammenarbeit der G7, also der sieben wichtigsten Industrienationen, aber auch im G20-Format. Im Dezember übernehmen die Amerikaner die Präsidentschaft. Nicht ausgeschlossen, dass Trump diese Bühne nutzen könnte, im Zweifel sogar missbrauchen, um ins eigene Lager einen Akzent zu setzen. Was kommt da auf Deutschland und die Welt zu? Wird man von dieser US-Administration abermals auf die Probe gestellt? 

Ein Gastgeschenk für seinen Amtskollegen hat Klingbeil zwar nicht dabei, es sei ja auch nicht das erste Treffen der beiden. Dafür aber eine deutliche Botschaft, die Klingbeil schonmal im satten Grün in Sichtweite des Weißen Hauses platziert. 

Wenn alles ausbuchstabiert sei, sagt Klingbeil mit Blick auf die US-Zölle, sollten sich die Europäer nochmal an einen Tisch setzen. „Ich finde, wir waren zu schwach“, sagt er. Grüße an Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin. Zufrieden könne man mit den Ergebnissen nicht sein. 

Europa müsse dafür sorgen, dass es eine starke Kraft sei, betont Klingbeil. Dann könne man den USA auch selbstbewusster etwas entgegensetzen – natürlich im Dialog und nicht gegen die USA, sagt er. Das habe in den letzten Wochen „doch ein wenig gefehlt“. 

Klingbeil hat noch Zeit für ein paar Fragen, dann muss er weiter. 

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