In Texas tobt zwischen Republikanern und Demokraten ein Streit über Wahlkreisgrenzen. Die Demokraten wollen eine dafür nötige Abstimmung verhindern – und verlassen den Bundesstaat.
Ein aufsehenerregender Streit zwischen Republikanern und Demokraten im Parlament des US-Bundesstaats Texas mit potenziell nationaler Bedeutung spitzt sich zu. Eine Sitzung in der Hauptstadt Austin begann am Montagnachmittag (Ortszeit) ohne die meisten demokratischen Abgeordneten: Sie hatten am Vortag den Bundesstaat verlassen, um eine Abstimmung über Neuzuschnitte für manche Wahlkreise bei den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus in Washington zu boykottieren.
Die Republikaner unter US-Präsident Donald Trump wollen mit zusätzlichen Mandaten aus Texas bei den Kongresswahlen im November 2026 ihre Mehrheit in der nationalen Parlamentskammer ausbauen.
Die texanischen Demokraten „flohen“ deshalb in die demokratisch regierten Bundesstaaten Illinois und New York, um das nötige Quorum für die Abstimmung zu verhindern. Das gelang ihnen auch vorerst, wie der republikanische Vorsitzende des texanischen Repräsentantenhauses, Dustin Burrows, bei der Eröffnung der Sitzung in Austin beklagte. „Anstatt sich den echten Problemen der Menschen zu stellen, entziehen sich einige unserer Kollegen (…) ihrer Verantwortung“, sagte Burrows.
Der Demokrat Gene Wu sprach hingegen von einem „korrupten Prozess“. Es gehe keinesfalls darum, „politische Spielchen zu spielen“. Er ist einer der Abgeordneten, der Texas in Richtung Illinois verlassen hat. „Wir haben es uns bei dieser Entscheidung nicht leicht gemacht, aber wir haben sie mit absoluter moralischer Klarheit getroffen“, erklärte Wu.
Gouverneur von Texas will Demokraten strafrechtlich belangen
Der texanische Gouverneur Greg Abbott – ebenfalls ein Republikaner – hatte zuvor gedroht, die abwesenden Demokraten aus dem Parlament des Bundesstaats auszuschließen und möglicherweise sogar strafrechtlich zu belangen. Ein solcher Schritt dürfte juristisch angefochten werden. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton schrieb auf der Plattform X, die betroffenen Abgeordneten sollten „aufgespürt, festgenommen und unverzüglich ins Kapitol (nach Texas) zurückgebracht“ werden. Wie es nun weitergeht, ist unklar.
Den texanischen Demokraten droht außerdem für jeden Tag Abwesenheit eine Geldstrafe von 500 Dollar (rund 432 Euro). Zudem stimmten die republikanischen Angeordneten für einen Antrag auf Erlassung eines Haftbefehls gegen die ausgereisten Demokraten. Dieser gilt allerdings nur in Texas.
Die meisten demokratischen Abgeordneten begaben sich in den von Demokraten regierten Bundesstaat Illinois, dessen Gouverneur JB Pritzker auf einer Pressekonferenz erklärt hatte, er werde sie „beschützen“.
Unterdessen erwägen Pritzker und New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul, mit einer Gegenoffensive in ihren Bundesstaaten auf die Entwicklungen in Texas zu reagieren und ebenfalls ihre Wahlkreise zugunsten der eigenen Partei zu überarbeiten. „Man muss Feuer mit Feuer bekämpfen“, kommentierte Hochul die Situation.
Midterms schon im Blick
Der Boykott der texanischen Demokraten ist keine neue, aber eine seltene Form des Protests in den Parlamenten einzelner Bundesstaaten. Bei besonders umstrittenen Themen gab es auch in der Vergangenheit ähnliche Aktionen.
Hintergrund des politischen Machtkampfs ist das Kräfteverhältnis im US-Kongress, dem nationalen Parlament der Vereinigten Staaten. Der Kongress besteht aus zwei Kammern: Repräsentantenhaus und Senat. Derzeit verfügen die Republikaner in beiden Kammern über eine knappe Mehrheit. In Texas streben die Republikaner jetzt an, mehrere Wahlkreise neu zuzuschneiden. Dies könnte das Kräfteverhältnis auf nationaler Ebene verschieben. Die Republikaner hoffen, den Demokraten durch die neuen Wahlkreisgrenzen bis zu fünf weitere Sitze abzuluchsen.
Im November 2026 finden – wie alle zwei Jahre – die Kongresswahlen statt. Dann stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel der 100 Senatssitze zur Wahl. Texas stellt im US-Repräsentantenhaus zurzeit 25 republikanische und 12 demokratische Abgeordnete. Ein weiterer Sitz in einem demokratisch dominierten Wahlkreis ist wegen eines Todesfalls vakant und wird schon diesen November neu besetzt. Für gewöhnlich erleidet die regierende Partei bei den sogenannten Midterms deutliche Verluste; die Demokraten hoffen deswegen, das Repräsentantenhaus im Herbst 2026 zurückerobern zu können.
Strategie des „Gerrymandering“
Jeder der 435 Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus vertritt einen eigenen Wahlkreis (Congressional District). Die Kreise sollen laut Gesetzgebung annähernd gleich viele Einwohner haben. Grundlage dafür ist eigentlich der alle zehn Jahre stattfindende Zensus, der als Basis für die Festlegung der Wahlkreise dient. Das sollte parteipolitisch neutral erfolgen, was aber häufig nicht der Fall ist.
US-Präsident Donald Trump hatte einen Neuzuschnitt der Wahlkreise in Texas gefordert, der den Republikanern bei den Kongress-Zwischenwahlen im kommenden Jahr fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus in Washington sichern könnte.
Mitte Juli hatte sich das US-Justizministerium in einem Schreiben an den Gouverneur von Texas, Greg Abbott, gewandt und die Neugestaltung von vier Wahlkreisen gefordert. Das Argument: Die bisherige Version ermögliche Wahlkreise, in denen mehrere Minderheiten zusammen eine Mehrheit bilden – die zu strenge Einteilung nach Ethnien ist laut Ministerium verfassungswidrig. Eine andere Interessengruppe hatte bereits 2021 gegen die texanische Wahlkreiseinteilung geklagt und argumentiert, diese benachteilige schwarze und lateinamerikanische Wähler systematisch.
Die Verschiebung der Grenzen von Wahlkreisen in den einzelnen Bundesstaaten zugunsten der einen oder der anderen Partei ist ein politischer Trick mit langer Tradition in den USA. Das gezielte Ziehen von Wahlkreisgrenzen, gegen das die Demokraten protestieren, wird in den USA „Gerrymandering“ genannt. Beide Parteien nutzen diese Taktik, um sich bei Wahlen systematisch Vorteile zu verschaffen; zuletzt spielten aber vor allem republikanisch geführte Bundesstaaten eine zentrale Rolle.