Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will den Finanzausgleich aufkündigen. Die Finanzministerin des Landes, das am drittstärksten profitiert, widerspricht ihm vehement.
Die thüringische Finanzministerin Katja Wolf (BSW) verwahrt sich gegen die Drohung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), aus dem Finanzausgleich der Länder auszusteigen. „Ein einseitiges Aufkündigen dieser Solidargemeinschaft ist verfassungsrechtlich nicht möglich“, sagte sie dem stern. Das Grundgesetz sehe in Artikel 107 einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder vor.
„Einfach aussteigen geht also nicht“, bekräftigte Wolf. „Der bayerische Ministerpräsident hat den föderalen Finanzausgleich offenbar als Wiedervorlage in jedem Jahr als Sommerloch-Thema.“
Bayern hat in der ersten Hälfte dieses Jahres knapp 6,7 Milliarden Euro in den Ausgleichstopf eingezahlt. Das sind nach Söders Angaben fast zwei Milliarden Euro mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Ministerpräsident stellte deshalb erneut das System infrage. „Wenn es keine Einigung mit Ländern gibt, wird dieser Finanzausgleich – leider erst zum Ende des Jahrzehnts – aber wird der definitiv gekündigt“, sagte er. „Das machen wir nicht mehr mit.“ Der Mechanismus belohne Trägheit statt Leistungsbereitschaft.
Wolf sieht keine „zunehmende Belastung“ Bayerns im Finanzausgleich
Finanzministerin Wolf, die auch Vizeministerpräsidentin in Thüringen ist, hält den Vorwurf Bayerns für unberechtigt. „Der bayerische Anteil an der Umverteilungsmasse lag 2021 bei 2,13 Prozent und sank bis 2024 auf 2,04 Prozent“, sagte sie. „Damit kann eine zunehmende Belastung Bayerns im Finanzausgleich grundsätzlich nicht festgestellt werden.“
Dass der Anteil in diesem Jahr zwischenzeitlich auf 2,68 Prozent gestiegen sei, liegt laut Wolf an den aktuell besonders hohen Einnahmen Bayerns im Bereich der Erbschaftssteuer. „Dieser ‚Sonderfall‘ macht nahezu den gesamten Mehrbetrag im laufenden Jahr aus“, sagte sie.
Thüringen gehört nach Berlin und Sachsen zu den größten Nehmerländern. Es erhielt allein im ersten Halbjahr 1,161 Milliarden Euro aus dem System.
Die Finanzministerin verteidigte den Ausgleichsmechanismus. „Der Finanzausgleich verhindert eine wirtschaftliche und soziale Spaltung zwischen finanzstarken und finanzschwachen Regionen“, sagte sie. Die Höhe der Zahlungen spiegele die historisch, geografisch und siedlungsstrukturell bedingten Unterschiede in der Steuerkraft wider.
Ex-Verfassungsrichter: Eine Ausstiegsoption gibt es
Der frühere Bundesverfassungsrichter Peter Huber widersprach Wolf zum Teil. „Richtig ist, dass ein einzelnes Land kein Vetorecht gegen das ‚Ob‘ des Finanzausgleichs besitzt“, sagte er dem stern. „Der Finanzausgleich ist im Grundgesetz festgeschrieben.“
Allerdings könne Bayern gemeinsam mit mindestens zwei anderen Ländern die seit 2020 geltende Gesetzesregelung ab dem Jahr 2030 aufkündigen. „Diese Ausstiegsoption gibt es“, sagte Huber. „Die Frage wäre nur, welches neue Ausgleichssystem der Bundesgesetzgeber dann erlässt.“
Laut Artikel 143d des Grundgesetzes tritt das Finanzausgleichsgesetz in der geltenden Fassung „außer Kraft, wenn nach dem 31. Dezember 2030 die Bundesregierung, der Bundestag oder gemeinsam mindestens drei Länder Verhandlungen über eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen verlangt haben und mit Ablauf von fünf Jahren nach Notifikation […] keine gesetzliche Neuordnung […] in Kraft getreten“ sei.
Klage Bayerns in Karlsruhe anhängig
Bayern hat bereits 2023 eine Klage gegen den aktuellen Finanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die zwölf Nehmerländer – zu den Geberländern gehören neben Bayern noch Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg – haben sich zu einer Prozessgemeinschaft zusammengeschlossen.
Verfassungsrechtler schätzen den Erfolg der Klage als gering ein. Trotzdem hält Bayern daran fest. „Wir bleiben dabei: Wir klagen weiter“, sagte Söder.