Wohnen: Sprengung in Duisburg: Ein Problemhaus verschwindet

Im Duisburger Problemviertel Hochheide wird der nächste „Weiße Riese“ abgerissen. Die Sprengung wird ein Spektakel. Dann ist der Weg frei, um die Wohngegend grundlegend umzugestalten.

Ein lauter Knall – und von einem der größten Wohnhäuser des Ruhrgebiets wird nur noch Schutt und Staub übrig sein. Am Sonntagmittag (27.7./12.00 Uhr) wird in Duisburg der nächste „Weiße Riese“ gesprengt. Die Hochhaus-Gegend im Westen der Stadt war in den vergangenen Jahren als Problemviertel in die Schlagzeilen geraten, auch weil sich etwa Paketboten und andere Lieferanten zeitweise nicht mehr in die Gebäude trauten. Nun soll das Viertel umgebaut werden.

Weshalb wurden die Häuser überhaupt so riesig gebaut?

Der Wohnpark Hochheide mit seinen sechs „Weißen Riesen“ entstand von 1969 bis 1974. Die Wohnungen waren damals in der Duisburger Arbeiterschaft begehrt. „Damals träumte man von der Moderne. Urbanität durch Dichte war das Schlagwort – also in die Höhe bauen, große Freiflächen dazwischen erzeugen“, sagt Martin Offergeld, Leiter des Sachgebiets Stadterneuerung in Duisburg.

Die Weißen Riesen waren mehr als 60 Meter hoch, hatten über 20 Stockwerke. „Hochheide war das angesagteste und modernste Wohnviertel, das es in der ganzen Region gab“, betont Offergeld.

Wie wurde aus der Traumgegend ein Problemviertel?

Schon in den 1980er Jahren begann der Abstieg. Viele Wohnungen standen leer, investiert wurde kaum noch, die Gebäude verwahrlosten. Hinzu kamen einige Bau-Skandale und Probleme mit windigen Investoren. Schließlich wollte kaum noch jemand in Hochheide wohnen. In den 2010er Jahren standen laut Stadt mehr als 800 der 1.440 Wohnungen leer. Zurück blieben fast nur Flüchtlinge, die dort untergebracht wurden, und sozial schwache Bewohner.

Was macht die Gegend zu einem Problemviertel?

Drei der „Weißen Riesen“ sind heute noch bewohnt. Polizei und Ordnungsamt berichten dort immer wieder von Problemen. Im vergangenen Jahr hatte sich etwa die Logistikfirma DHL wochenlang geweigert, dort Pakete auszuliefern, weil Zusteller bedroht wurden. Vor zwei Monaten stoppte auch der Online-Supermarkt Picnic seine Lieferungen in eines der Gebäude. Es habe zwei Vorfälle gegeben, die die Sicherheit der Mitarbeiter beeinträchtigt hätten, hieß es zur Begründung.

Bei einer großangelegten Kontrolle in dem Brennpunkt-Hochhaus stellten die Behörden im vergangenen Oktober Dutzende Fälle von mutmaßlichem Kindergeld-Betrug und weiteren Sozialbetrug fest. Die Behörden gingen davon aus, dass viele der 1.400 registrierten Bewohner nur zum Schein in dem Haus gemeldet waren, um Sozialleistungen zu kassieren.

Wie will die Stadt die Situation nun verbessern?

Die Stadt Duisburg hat einen ambitionierten Plan für das Viertel entworfen. Grundlage dafür ist der Abriss von drei der sechs „Weißen Riesen“. Die ersten beiden wurden 2019 und 2021 gesprengt – nun folgt der dritte. An ihrer Stelle soll ein 6,5 Hektar großer Stadtpark entstehen.

Auch die drei noch bestehenden Hochhäuser nimmt die Stadt in den Blick. Es gibt inzwischen ein Stadtteilzentrum, Räume für Freizeitangebote und Unterstützung für gemeinsame Projekte der Anwohner. Das soll die Lebensqualität steigern.

Wie ist die Situation mit solchen Bauten in anderen Städten?

Schrottimmobilien sorgen in fast allen Ruhrgebietsstädten für massive Probleme. Teilweise werden ganze Stadtviertel in Mitleidenschaft gezogen. Selbst kriminelle Clans hätten solche heruntergekommenen Wohnhäuser inzwischen als Geschäftsmodell entdeckt, berichtet die Sicherheitskooperation (Siko) Ruhr. Clans erwerben demnach schrottreife Immobilien, um sie zu teils horrenden Preisen an wehrlose Menschen weiterzuvermieten – häufig kombiniert mit Sozialbetrug.

Viele Städte versuchen deshalb, solche Gebäude zu kaufen und abzureißen. Das Land NRW unterstützt das mit Fördermitteln in Millionenhöhe.

Wie wird die Sprengung am Sonntag ablaufen?

Das Hochhaus, das diesmal in Duisburg gesprengt wird, ist ein eher kleiner „Weißer Riese“. 160 Wohnungen gab es in dem 63 Meter hohen Gebäude. Seit Juli 2020 steht es leer.

Gesprengt wird es nach Angaben der Stadt um 12.00 Uhr mit der sogenannten „Kipp-Kollaps-Faltung“. Dabei wird leicht zeitversetzt zweimal gesprengt, so dass das Gebäude erst kippt und dann kollabiert. Dadurch soll es unter anderem weniger Erschütterungen beim Einsturz geben – denn rund um das gesprengte Hochhaus wohnen viele Menschen.

Welche Auswirkungen hat das für Anwohner?

Gut 2.200 Menschen müssen am Tag der Sprengung bis 8.00 Uhr ihre Wohnungen verlassen, Straßen werden gesperrt und Buslinien umgeleitet. Den Anwohnern stellt die Stadt Aufenthaltsmöglichkeiten in einer Schule zur Verfügung. 

Kann man die Sprengung vor Ort ansehen?

Die Stadt Duisburg appelliert an Interessierte, die Sprengung nicht vor Ort anzuschauen. Durch die weiträumige Absperrung und die ohnehin angespannte Verkehrssituation an dem Tag gebe es kaum Sichtmöglichkeiten auf den „Weißen Riesen“.

Wer den Moment der Sprengung verfolgen wolle, solle auf die Live-Übertragungen etwa im WDR-Fernsehen ausweichen, bittet die Stadt.

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