An Bord der „Royal Clipper“ von Cannes nach Civitavecchia: Bei einer Kreuzfahrt mit dem größten Passagiersegelschiff der Welt wird der Wind zur treibenden Kraft.
Diesen Ort gibt es auf keinem konventionellen Kreuzfahrtschiff: das grobmaschige Bugspriet-Netz, eine überdimensionale Hängematte an der Spitze der 134 Meter langen „Royal Clipper“. Auf dem Bauch liegend schwebe ich hoch über dem Wasser und schaue durch das Taugeflecht in die Tiefe, wie der Bug das Mittelmeer durchpflügt. Neben mir blickt die schwanenweiße Galionsfigur voraus in Fahrtrichtung, legt ihre linke Hand an die Stirn und fixiert den Horizont.
Segelschiffe: keine Motorengeräusche und keine Vibration
Über mir greift der Wind in die Klüversegel. Sanft rolle ich im Rhythmus der Schiffsbewegung seitlich hin und her. Bis auf das Rauschen der Bugwelle und das Knarzen der Takelage herrscht friedliche Stille. Das ist das Besondere an einer Fahrt auf einem Segelschiff: Es gibt keine Motorengeräusche und keine Vibrationen im Rumpf.
Vieles an Bord der „Royal Clipper“ ist anders: keine Musikberieselung, kein Kasino, keine Qual der Wahl zwischen einem Dutzend verschiedener Restaurants. Dafür hat das Schiff eine Seele, strahlt Seefahrtsgeschichte aus, und überall ist man nah am Wasser, an der Natur und dem Wind ausgesetzt.
Die Nostalgie-Einrichtung mit viel Teakholz und Messing strahlt einen gewissen Luxus aus, aber die Stufen im Treppenhaus sind steil, die Deckstüren gehen schwer auf, und es gibt viele Schwellen. Für Gäste mit Rollatoren ist das Segelschiff nicht geeignet. Das segelbegeisterte Publikum kommt überwiegend aus deutschsprachigen Ländern, den USA und Frankreich.
Vorbild war das Fünfmast-Vollschiff „Preußen“
Seit 25 Jahren steuert die „Royal Clipper“ in den Sommermonaten meist kleine Häfen im Mittelmeer an, und im Winter kreuzt sie in der Karibik. Der Schwede Mikael Krafft ließ den Clipper nach dem Vorbild der legendären „Preußen“, dem Rahfünfmaster der Hamburger Reederei F. Laeisz, der bereits 1910 im Ärmelkanal nach einer Kollision sank, auf einer Werft in Danzig nachbauen.
Die Maße sind mit einer Segelfläche von 5200 Quadratmetern und fünf Masten von bis zu 54 Metern Höhe beeindruckend. Auf den vier Decks reisen maximal 227 Gäste mit, nur so viele wie auf einem Flussschiff. „Wir werden daher in den Häfen nicht als Eindringling wie ein Kreuzfahrtschiff wahrgenommen“, sagt Eric Krafft, der Sohn des Reedereigründers, bei einem Rundgang an Deck im Hafen von Monaco.
Beim Segeltörn von Cannes nach Civitavecchia ankert die „Royal Clipper“ mit gerafften Segeln tagsüber in Buchten vor Portofino oder Lerici, und die Passagiere werden per Tenderboot an Land gebracht. Nachts werden nie mehr als 90 Seemeilen zurückgelegt.
Jeden Abend beginnt das Kreuzfahrt-Auslaufritual
Mit dem Kommando „Anker auf“ wird die Befestigungskette gelichtet, ein minutenlanger Vorgang, bei dem das Metall Geräusche wie ein wiehernder Esel macht. Dann ertönt die Melodie „Conquest of Paradise“ und die bis zu 18 Seeleute setzen erst die Klüver- und Stagsegel zwischen den Masten, dann vom Fock- bis zum Besanmast im Heck die Rahsegel.
Wortlos stehe ich zwischen den Passagieren in der Dämmerung an Deck, lausche den Kommandos der Crew, den knarzenden Geräuschen der Taue, der Segel und den Wellen. Denn bei einer Reise mit der „Royal Clipper“ bestimmt neben dem Fahrplan auch der Wind das Routing.
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