Meinung: Lasst den armen Jeff doch so pompös heiraten, wie er will

Jeff Bezos und Lauren Sanchez heiraten glamourös in Venedig und das passt vielen nicht. Dabei sind die meisten Kommentare nur von Neid und Missgunst geprägt, findet unser Autor.
 

Einer der reichsten Menschen der Welt heiratet und gibt dafür, welch Wunder, ganz schön viel Geld aus. Die Kommentare dazu überbieten sich geradezu gegenseitig in ihrer Herabwürdigung von Jeff Bezos, seiner neuen Frau Lauren Sanchez-Bezos und überhaupt dem ganzen Pomp. Lächerlich, wahlweise geschmack- oder stillos und überhaupt: die arme Stadt Venedig! 

Über den Bräutigam machen sich besonders leidenschaftlich lustig, weil er reich ist und damit ja ohnehin verdorben, mindestens. Was fällt dem Frechdachs auch ein, sich auf einmal seiner Gesundheit zu widmen und sich körperlich in Form zu trainieren. Der alte Protzklotz! Und dann möchte der auch noch so heiraten, wie er und seine Frau sich das vorstellen, und lädt seine reichen Freunde dazu nach Venedig ein. Das geht doch bestimmt auch bei Kartoffelsalat und Würstchen im heimischen Garten!

Die Braut wird in solchen Kommentaren und Texten dann gerne Bezos‘ Trophäe genannt. Dass die beiden sich vielleicht einfach liebhaben, völlig undenkbar!

Kritik an Bezos-Hochzeit scheinheilig 

Überhaupt ist die Kritik an den beiden und der Glamour-Hochzeit mindestens scheinheilig. Das Interesse an der Veranstaltung ist gewaltig. Rund um den Globus wird berichtet, auch beim stern wurden die Artikel dazu in den vergangenen Tage von den Leserinnen und Lesern am häufigsten geklickt. Die Hochzeit ist ein Spektakel, das die Massen unterhält – die dann aber in Massen darüber lästern. Über Schaumpartys wird sich da lustig gemacht oder Einladungskarten, die angeblich nicht modern genug ausgesehen hätten, zum Beispiel auch in diesem Text meiner sehr geschätzten Kollegin Luisa Schwebel über den Gipfel der Geschmacklosigkeit der Bezos.

In Deutschland haben wir das schon einmal erlebt, als sich Christian Lindner und Franca Lehfeldt auf Sylt das Ja-Wort gaben, quasi dem deutschen Venedig. Auch damals schauten viele vor allem mit Häme auf die teure Feier. Als dürften sich reiche Menschen von ihrem erarbeiteten Vermögen nicht kaufen, was sie eben wollten – und Feste zelebrieren, wie es ihnen beliebt.

Aber – und das ist eineher deutsches Phänomen – wenn Menschen einen gewissen Reichtum angehäuft haben, betrachten wir sie oft als Läster-Freiwild. Als wäre Jeff Bezos ein schlechterer Mensch, nur weil er reich ist. Der Darth Vader des Amazon-Imperiums. Dabei ist Bezos nur deswegen so reich, weil wir alle ständig über seine Plattform einkaufen. Ganz so dumm scheint seine Idee dann wohl nicht gewesen zu sein. Wir stimmen quasi jeden Tag frei darüber ab, dass er reicher wird – und schauen dann abschätzig und ja, auch neidisch darauf, was er mit diesem Reichtum macht.

Klima-Argument nur vorgeschoben

Seit ein paar Jahren wird für solche Lästereien gerne das Klima-Argument vorgeschoben. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Schön für die Umwelt ist es nicht, wenn Promis im Privatjet zum Feiern nach Venedig fliegen. Aber: Solange wir alle Auto fahren, in den Urlaub fliegen, Einwegprodukte benutzen und uns jeden Quatsch per Amazon (!) aus China liefern lassen, ist das Klima-Blame-Game ein schwieriges Spiel. 

Ja, aber die Superreichen sind ja besonders schlimm für das Klima, heißt es dann gerne aus der westlichen Mittelschicht. Blöd nur: Aus Sicht von weiten Teilen der Welt ist die westliche Mittelschicht superreich. Da sind wir die reichen Deppen, die den lieben langen Tag für „unnötigen Luxus“ die Umwelt verpesten. Alles eine Frage der Perspektive. 

Außerdem wird sich bereits deutlich länger über reiche Menschen aufgeregt, als dass wir uns Sorgen um das Klima machen würden. Es ist nur ein neuer Grund für einen alten Trieb.

Auch die Stadt Venedig dafür zu bemitleiden, dass Bezos und Sanchez mit ihrem Riesenfest (und zusätzlichen Spenden) Millionen in die Stadt pumpen, ist ein sehr schräges Argument. Venedig ist eine Touristenstadt. Sie lebt davon. Das können Venezianer blöd finden. Und dagegen protestieren. Ändern werden sie es vermutlich nicht. Also muss man sich entscheiden, ob man es tolerieren kann – oder eben nicht mehr in Venedig leben.

Jeder, wie er mag

Hochzeiten sind eine feine Sache. Sie zelebrieren die Liebe zwischen zwei Menschen. Wie, wo und mit wem man seine Hochzeit feiert, das kann jeder ganz für sich allein entscheiden. Weil wir glücklicherweise eben machen können, worauf wir so Lust haben. Jeder, wie er mag. Auch ganz, ganz reiche Menschen.

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