Umstrittene Gasförderung: Meyer über Borkum: Bund verteilt Geschenke an Gaskonzerne

Ein deutsch-niederländisches Abkommen soll die Gasförderung vor Borkum regeln. Das wolle die neue Bundesregierung jetzt eilig auf den Weg bringen, kritisiert Umweltminister Meyer.

Die Bundesregierung will für die umstrittene Gasförderung vor der Nordseeinsel Borkum nach Angaben aus Niedersachsen ein Abkommen mit den Niederlanden schließen. Die Eile in der Frage sei ungewöhnlich, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur und wies auf ausstehende Gerichtsverfahren zu dem Energieprojekt hin. „Die neue Bundesregierung scheint nun die eigenen Klimaziele nicht ernst zu nehmen und verteilt damit Wahlgeschenke an fossile Gaskonzerne – am Rande unseres einzigartigen Weltnaturerbes.“ 

Konkret geht es um ein völkerrechtliches Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden, über das seit Sommer 2022 verhandelt wurde. Dem Ministerium in Hannover zufolge soll das sogenannte Unitarisierungsabkommen kommenden Dienstag Thema im Bundeskabinett sein. Über diesen Zeitplan berichtet heute auch der „Playbook-Podcast“ von „Politico“. Eine Bestätigung der Bundesregierung gibt es bisher nicht. 

Warum Niedersachsen das Vorhaben kritisiert

Damit deutet sich eine Kehrtwende in der Bundesregierung an. Denn der frühere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte während seiner Amtszeit im August 2024 erklärt, vor einer Unterzeichnung des Abkommens mögliche Gerichtsurteile abwarten zu wollen. 

Ein Bündnis von Umweltschutzorganisationen um die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Insel Borkum klagen vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen die Gasförderung. Sie fürchten Umweltschäden für das benachbarte Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden. 

Am Ende müssten es daher Gerichte sein, die die Frage der Gasförderung beantworten, sagte Landesminister Meyer. „Selbst wenn sich die Bundesregierung zu einem Gasförderabkommen mit den Niederlanden entschließt, sind die Entscheidungen der Gerichte in dieser Sache abzuwarten.“

Der Grünen-Politiker verweist darauf, dass es neben der Klage der Umweltverbände gegen die Fördergenehmigung auch noch ein laufendes Gerichtsverfahren um ein Seestromkabel für die Anbindung der Förderplattform gibt. „Daher ist die Eile, mit der der Bund nun das Unitarisierungsabkommen abschließen will, ungewöhnlich“, sagte Meyer. 

Auch die Umwelthilfe hält es für voreilig, ein Abkommen zu schließen. „Wir fordern die Bundesregierung auf, das Thema von der Agenda zu nehmen und den Ausgang der Gerichtsverfahren abzuwarten“, sagte DUH-Energieexperte Constantin Zerger. Mit einer Zustimmung würde die Bundesregierung „dem Drängen des niederländischen Konzern One-Dyas nachgeben und Umwelt- und Klimaschutz hinten anstellen“, sagte er. 

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte, dass die Bundesregierung Deutschland sich mit einem solchen Abkommen an fossile Energie binden würde. „Statt sich weiterhin der fossilen Lobby zu beugen, sollte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche volle Kraft in den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien setzen“, sagte Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters. „Denn nur sie garantieren eine nachhaltige Energiesicherheit und machen uns unabhängig von internationalen Märkten und Krisen.“ 

Worum es bei dem Abkommen geht

Über das Energieprojekt vor den Inseln Schiermonnikoog und Borkum wird seit Jahren gestritten. Der niederländische Energiekonzern One-Dyas will dort aus einem grenzüberschreitenden Vorkommen Gas fördern. Ende März hatte One-Dyas mitgeteilt, mit der Gasförderung begonnen zu haben – zunächst in einer Testphase und auf niederländischem Hoheitsgebiet. One-Dyas plant aber, von einer Bohrplattform aus auch unter dem Meeresboden auf deutschem Gebiet Gas zu fördern. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie hatte dafür 2024 eine auf 18 Jahre befristete Genehmigung erteilt. 

Neben den bergrechtlichen Genehmigungen ist für die Gasförderung auch das völkerrechtliche Abkommen zwischen den beiden Ländern nötig. „Wesentlicher Inhalt des Abkommens sind Regelungen zur Aufteilung der Lagerstätte, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Behörden sowie der Feldes- und Förderabgaben“, hatte das Bundeswirtschaftsministerium früher mitgeteilt. 

One-Dyas: Heimische Gasförderung mindert Abhängigkeit

Weder die Umwelthilfe noch der Umweltminister sehen Bedarf für eine weitere Gasförderung. Meyer verwies auf Anfrage darauf, dass Niedersachsen bis 2040 klimaneutral werden will. „Einen Gasmangel gibt es angesichts des Booms bei den erneuerbaren Energien, des sinkenden Verbrauchs, ausreichender Speicher und nicht ausgelasteter LNG-Kapazitäten nicht mehr“, sagte Meyer. „Neue fossile Gas- oder Kohlekraftwerke werden daher nicht gebraucht.“ 

One-Dyas sieht das anders. Konzernchef Chris de Ruyter van Steveninck sagte, dass von der Förderplattform noch weitere Gasfelder erschlossen und die Produktion gesteigert werden könnten – auf bis zu drei Prozent des deutschen Gasbedarfs. „Und das in Zeiten, in denen wir nach Möglichkeiten suchen, unsere Abhängigkeit von Ländern wie den USA und Russland zu verringern und den Energiebedarf so weit wie möglich lokal zu decken“, sagte er.

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