„Tatort: Rapunzel“ aus der Schweiz: Gar nicht märchenhafter neuer Zürich-Krimi

Wer hat die junge Frau mit den langen blonden Haaren getötet? Das beschäftigt das Schweizer Team im „Tatort: Rapunzel“. Wie ist der Krimi?

Im „Tatort: Rapunzel“ (15. Juni, 20:15 Uhr, das Erste) ermitteln die Schweizer Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher), Tessa Ott (Carol Schuler) und ihr seit neuestem Schnurrbart tragender IT-Kollege Noah Löwenherz (Aaron Arens) nach dem Tod einer jungen Frau mit langen blonden Haaren am Uetliberg hoch oben über der Stadt Zürich.

Worum geht’s im „Tatort: Rapunzel“?

Eine junge Frau wird tot in einer Baumkrone gefunden, eine Hälfte ihres langen, blonden Haares ist abrasiert – ein Bild wie aus einem düsteren Märchen. Doch im Züricher „Tatort: Rapunzel“ ist nichts märchenhaft. Die Kommissarinnen Grandjean und Ott ermitteln in einem ebenso rätselhaften wie makabren Fall. Bald schon stoßen sie auf ein skrupelloses Milliardengeschäft mit Echthaar. In einer exklusiven Perückenmanufaktur, wo Haarspenden als Ware gehandelt werden, entdecken sie nicht nur menschliche Abgründe, sondern auch ein Netz aus Trauer und Wut.

Was als nächtlicher Schockmoment beginnt – Vanessa Tomasi (Elena Flury), die Tochter des Star-Coiffeurs Marco Tomasi (Bruno Cathomas), allein auf dem Heimweg, verfolgt und schließlich entführt – mündet in einem komplexen Drama, das weit über Zürich hinausweist: von Haarspenden aus Indien bis hin zu koscheren Scheiteln für jüdische Frauen. Als sich herausstellt, dass das Opfer bei Perückenmacherin Aurora Schneider (Staphanie Japp) und damit in genau dieser Branche arbeitete, geraten nicht nur der „Magestic Hair“-Unternehmenschef Rudolf von Landegg (Matthias Schoch) und seine Frau Else von Landegg (Pascale Pfeuti) ins Visier, sondern auch Vanessas trauernde Freundin Lynn Fischer (Elsa Langnäse). Und die Zeit drängt, denn ein weiteres Verbrechen kündigt sich an…

Lohnt sich das Einschalten beim „Tatort: Rapunzel“?

Ja. Der Film des vielfach ausgezeichneten Schweizer Regisseurs und „Tatort“-Spezialisten Tobias Ineichen (61) nach einem Buch von Adrian Illien, aus dessen Feder unter anderem die Miniserie „Davos 1917“ (2023) stammt, ist spannend und zugleich überraschend informativ. Denn Haare sind eigentlich für jeden Menschen ein großes Thema – glatt oder gelockt, dicht oder schütter bis kahl, gepflegt oder ungepflegt, von Weiß über Blond, Rot und Braun bis Schwarz… Und dieser Whodunit-Krimi fügt tatsächlich noch neue Fassetten hinzu.

Der Film greift das bislang kaum erzählte Thema des globalen Haarhandels auf und verknüpft es mit religiösen Traditionen, kapitalistischen Auswüchsen und persönlichen Tragödien. Der Fall wird zunehmend vielschichtiger – bis zum beklemmenden Showdown-Finale.

Regisseur Ineichen beweist erneut sein Gespür für Atmosphäre – draußen tobt das Gewitter, drinnen pumpen Discobeats -, und verbindet es mit einem feinfühlig inszenierten Ermittlerinnen-Duo. Ott, passionierte Fahrradfahrerin (Velo) und überzeugter Single, und Grandjean, deren Mutter viel zu früh an Krebs verstorben ist, sind keine Klischeefiguren, sondern widersprüchlich, verletzlich, eigenwillig – genau das macht die beiden so sympathisch und ihre Zusammenarbeit seit 2020 so sehenswert.

Mit starkem Cast, teils gruseligen, bedrückenden und tageslichtfreien Kulissen wie einem verlassenen Bunker oder geheimnisvollen Puppen und passendem Soundtrack ist dieser „Tatort“ klug, originell, berührend – und in manchen Szenen auch lustig. Etwa wenn Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) sich empört: „Über laufende Ermittlungen rede ich nicht – auch nicht mit meinem Friseur.“ Oder morgens in der WG: „Das ist Tim“, sagt Ott zu ihrem Mitbewohner, dem ehemaligen Junkie Charlie Locher (Peter Jecklin). „Tom“, korrigiert der nackte Mann. Ott wiederholt schon halb aus der Tür raus: „Das ist Tom – das ist Charlie – Tom nimmt sicher was zum Frühstück.“ … Stille… „Müsli?“, fragt Locher, der One-Night-Stand nickt freundlich.

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