Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat in seiner ersten Regierungserklärung für einen wirtschaftlichen Aufbruch und eine starke Rolle in Europa geworben. Deutschland stehe vor „enormen“ inneren, internationalen und auch finanzpolitischen Herausforderungen, sagte Merz am Mittwoch im Bundestag. Er sei aber überzeugt, dass diese „aus eigener Kraft“ bewältigt werden könnten.
Er wolle, dass Bürgerinnen und Bürger „schon im Sommer spüren: Hier verändert sich langsam etwas zum Besseren, es geht voran“, sagte Merz. Er verwies auf Vereinbarungen im Koalitionsvertrag mit der SPD wie besseren Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen oder die Senkung der Energiepreise.
„Unsere Wirtschaft ist in großen Teilen immer noch wettbewerbsfähig“, betonte der Kanzler. Aber die Rahmenbedingungen seien es nicht mehr. Merz nannte „erdrückende Bürokratie, marode Infrastruktur, eine teure Energieversorgung und vergleichsweise hohe Steuern und Abgaben“. Dies müsse sich ändern, damit Deutschland wieder „zu einer Wachstumslokomotive“ werde und Arbeitsplätze erhalten und neu geschaffen würden.
Bei konkreten Umsetzungsterminen blieb Merz vage. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sagte seinerseits im Bundestag, die Regierung werde erst „in den nächsten Tagen“ eine Planung zu Vorhaben „für die nächsten Wochen und Monate vorlegen“.
Laut Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) soll der verspätete Haushaltsentwurf für das laufende Jahr, der in vielen Fällen Voraussetzung für konkrete Maßnahmen ist, erst am 25. Juni vom Kabinett beschlossen werden soll. Er dürfte damit erst nach der Sommerpause verabschiedet werden.
Merz mahnte wie Klingbeil trotz des bereits verabschiedeten 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für Investitionen in die Infrastruktur zu Haushaltsdisziplin. Mit den neuen Mitteln müsse die Regierung „äußerst behutsam und vorsichtig umgehen“, sagte Merz am Mittwoch in seiner Regierungserklärung im Bundestag. „Diese Schulden lösen Zinszahlungen aus und müssen auch eines Tages wieder zurückgezahlt werden.“
Eine klare Absage erteilte Merz Forderungen aus Reihen des Koalitionspartners SPD, den Mindestlohn notfalls auch durch einen politischen Beschluss auf 15 Euro zu erhöhen. Diese Anhebung im kommenden Jahr halte er „für erreichbar, für möglich und für wünschbar“, sagte er. „Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben.“
Der Kanzler verteidigte unterdessen den umstrittenen Kurs in der Migrationspolitik. Die verstärkten Kontrollen und Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an Deutschlands Grenzen seien kein nationaler „Alleingang“, bekräftigte er. Sie erfolgten im „Einklang mit europäischen Recht“.
Im Verteidigungsbereich wurde Merz klar: Er wolle die Bundeswehr „konventionell zur stärksten Armee Europas“ machen, sagte er. „Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen.“ Die Stärkung der Bundeswehr stehe deshalb für seine Regierung „an erster Stelle“. Schon vor der Regierungsbildung hatten Union und SPD dazu gemeinsam mit den Grünen die Schuldenbremse im Grundgesetz für Verteidigungsausgaben gelockert.
Mit Blick auf den Umgang mit dem Ukraine-Konflikt würdigte Merz in seiner Regierungserklärung auch seinen SPD-Vorgänger Olaf Scholz. Die Reaktion von Scholz auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ sei „wegweisend“ und „historisch“ gewesen.
Der neue Kanzler sicherte der Ukraine weitere Solidarität im Abwehrkampf gegen Russland zu. Merz will dabei aber wie Scholz dafür sorgen, dass Deutschland „nicht Kriegspartei“ wird. Nicht akzeptabel sei ein „Diktatfrieden“ auf Kosten der Ukraine, sagte Merz. Bei den Bemühungen um eine Beendigung des Konflikts setzt er auf eine enge Zusammenarbeit mit US-Präsident Donald Trump. Er wolle „alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen“.
Israel sicherte Merz „unverbrüchliche“ Solidarität zu. Er zeigte sich aber auch besorgt über „eine akute Hungersnot“, die im Gasastreifen drohen könne. Zu der internationalen Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen sowie an der Blockade humanitärer Hilfslieferungen für dessen Bevölkerung äußerte sich der Bundeskanzler in seiner Rede nicht. Eine klare Kampfansage erteilte Merz „dem unerträglichen Antisemitismus“ in Deutschland.