Die Koalition verabschiedet sich von einer umstrittenen Praxis. Nach der Schlappe vor dem Verfassungsgericht will Finanzministerin Schneider jüngste Notkredite auflösen. Woher kommt das Geld?
Als Konsequenz des Haushalts-Urteils will die schwarz-grüne Landesregierung die jüngsten Notkredite des Landes auflösen. Dabei geht es um 492 Millionen Euro aus dem vergangenen Haushaltsjahr und 271 Millionen Euro aus dem laufenden. „Die Urteilsbegründung enthält eine eindeutige Verpflichtung zur Rückführung des nichtigen Kredits“, sagte Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) nach einer Kabinettssitzung. „Ziel ist es, die Vorgabe bereits in 2025 vollständig umzusetzen.“ Dafür muss die Koalition aber erst noch Finanzlöcher stopfen. Im Herbst will Schneider dem Parlament einen entsprechenden Entwurf vorlegen.
Mitte April hatte das Landesverfassungsgericht den Haushalt 2024 für verfassungswidrig erklärt. Die Feststellung eines Haushaltsplans sei nichtig, sofern darin eine Ermächtigung zur Aufnahme von Notkrediten enthalten sei. Zudem habe kein verfassungsgemäßer Tilgungsplan vorgelegen. Die drei Notkredite waren mit der Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der Corona-Pandemie begründet worden.
Land ändert Kurs
Die Landesregierung wolle die Folgen des Urteils schnellstmöglich beseitigen, sagte Schneider. Schwarz-Grün verzichte auch auf den ursprünglich geplanten neuen Notkredit für 2025 über 271 Millionen Euro. Zudem will die Koalition die geplanten neuen Möglichkeiten der Schuldenbremse vollumfänglich nutzen und bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden machen. Das sind voraussichtlich rund 500 Millionen Euro.
„Die Umsetzung des Urteils ist anspruchsvoll, zumal wir den Landeshaushalt weiter konsolidieren müssen“, sagte Schneider. Die Regierung geht nicht davon aus, dass die via Notkredit eingeplante Förderung für die Northvolt-Batteriefabrik über 136,4 Millionen Euro bereits 2025 gezahlt werden muss. „Die Förderzusage für Northvolt Drei bleibt bestehen“, versicherte Schneider.
Eine Entlastung in Höhe von 50 Millionen Euro ergibt sich durch eine Neuberechnung der Versorgungsausgaben. Sie belaufen sich auf mehr als 1,5 Milliarden Euro. Der Handlungsbedarf beträgt unterm Strich laut Finanzministerium 268 Millionen Euro. Die Regierung wolle die Lücken jedoch „ohne substanzielle Einsparungen“ schließen, kündigte Schneider an.
Der CDU-Finanzpolitiker Ole Plambeck betonte, „das Landesverfassungsgerichtsurteil hat damit eine unmittelbare Folge auf den Haushalt für 2025“. Es sei richtig und konsequent, die Notkreditaufnahme aus 2024 in voller Höhe zurückzuführen.
Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Gaby Schäfer, sagte der Deutschen Presse-Agentur, „es ist konsequent, das so zu machen“. Damit erfülle Schneider die Forderungen des Verfassungsgerichts. „Das Problem ist nur, es wird Kredit durch Kredit ersetzt.“
Kritik der Opposition
Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD) erklärte, dass die Reform der Schuldenbremse der Regierung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Hals gerettet habe. Sie nahm Bezug darauf, dass vom Landtag getroffene Kreditermächtigungen in der Vergangenheit im Nachhinein reduziert wurden: „Klar ist nun auch, dass die Notkredite 2024 nicht gebraucht wurden. Die Günther-Regierung hat sich also missbräuchlich mit Geld vollgepumpt, das sie gar nicht benötigte.“ Notkredite müssten nicht nur aus der Not heraus begründet sein, sondern deren Höhe dem tatsächlichen Bedarf entsprechen.
Die FDP-Finanzpolitikerin Annabell Krämer warf der Koalition vor, das Land in einer Höhe verschuldet zu haben, die weit über den eigenen Möglichkeiten liege. „Die Landesregierung setzt weiter auf ihre Verzögerungstaktik und wartet, bis der Bund seine Verschuldungsschatulle öffnet, was voraussichtlich frühestens im Herbst der Fall sein wird.“
Wie geht es weiter
Die Landesregierung will dem Finanzausschuss am 15. Mai über die Neuberechnung der Versorgungsausgaben berichten und in der Landtagssitzung (21. bis 23. Mai) eine Regierungserklärung abgeben.
Werden die Pläne wie geplant umgesetzt, verbleiben nach Angaben der Finanzministerin noch Schulden in Höhe von 972 Millionen Euro aus Notkrediten im Zeitraum 2020 bis 2023. Diese sollen schrittweise bis 2039 getilgt werden.