Bei der SPD hat die Parteibasis das letzte Wort über den Koalitionsvertrag, der bei den Genossen nicht nur Jubel auslöst. Bis nächste Woche Dienstag können sie noch mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen.
Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Chefin und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat an der Parteibasis um Zustimmung für den auf Bundesebene mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag geworben. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir in den Verhandlungen so viel rausholen“, sagte Schwesig, die zum SPD-Verhandlungsteam gehörte, auf einer Parteiveranstaltung in Güstrow vor knapp 70 Parteimitgliedern und sechs Kamerateams. „Ich glaube, wenn wir die Dinge umsetzen, wird es den Menschen bessergehen.“
Die Koalitionsverhandlungen hätten unter hohem Zeitdruck gestanden, auch weil es nach den jahrelangen Streitereien der Ampel keine Geduld mehr in der Bevölkerung gegeben habe. Dabei habe man das historisch schlechte Bundestagswahlergebnis der SPD vom Februar noch gar nicht verdaut, analysiert und diskutiert. Das solle im Juni beim Parteitag geschehen. Es müsse inhaltliche, strukturelle und personelle Veränderungen geben, mahnte Schwesig. „Man kann nicht einfach so weiter machen.“
Abstimmung läuft bis 29. April
Die Veranstaltung in Güstrow wurde live in andere ostdeutsche SPD-Landesverbände gestreamt. Auch MV-Innenminister Christian Pegel und Wissenschaftsministerin Bettina Martin nahmen als Teil des SPD-Verhandlungsteams an der Diskussion teil. Die Abstimmung der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag läuft seit dem 15. April. Seitdem ist die Online-Plattform freigeschaltet, auf der die gut 358.000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis zum 29. April um 23.59 Uhr ihre Stimmen abgeben können. Am 30. April soll das Ergebnis nach Parteiangaben bekanntgegeben werden.
Schwesig machte mit Blick auf die Bundestagswahl und das schlechte SPD-Ergebnis am 23. Februar klar: „Wenn man mit 16 Prozent aus der Wahl kommt, kann man nicht erwarten, dass man 100 Prozent im Vertrag hat.“ Sie betonte, dass es derzeit darum gehe, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung wiederzugewinnen.
Der Wähler habe Olaf Scholz und die SPD nicht mehr gewollt, aber auch nicht Friedrich Merz und die Union. Ganz viele hätten AfD gewählt, so Schwesig. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals diesen Satz sagen werde, aber ich sage ihn: Ich wünsche mir wirklich – und ich meine das sehr, sehr ernst -, dass Friedrich Merz und die mögliche Regierung und Koalition Erfolg hat.“
Für die Annahme des mehr als 140 Seiten starken Koalitionsvertrags mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ ist bei der SPD nicht nur eine Mehrheit der Mitgliederstimmen erforderlich, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der rein digitalen Abstimmung.
Anvisierter Termin für Kanzlerwahl: 6. Mai
Die CDU des designierten Kanzlers Friedrich Merz entscheidet am 28. April auf einem kleinen Parteitag über den Koalitionsvertrag. Falls alles glattläuft, soll der CDU-Chef am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.
Mit Regelungen wie einer Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen hat die SPD einige ihrer Wahlkampfversprechen im Koalitionsvertrag verankert. Umstritten sind allerdings die geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik. Die Führung der Jusos lehnt das Vertragswerk deswegen ab und fordert Nachverhandlungen. Die Parteijugend stellt etwa zwölf Prozent der SPD-Mitglieder. Bei der Bundestagswahl im Februar hatte die Partei mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit 138 Jahren eingefahren.
Schwesig hatte in den vergangenen Wochen betont, dass sie ihre politische Zukunft vor allem in MV sieht. Dort habe sie im September 2026 eine Landtagswahl zu gewinnen, und sie wolle weiter Mecklenburg-Vorpommern regieren. Schwesig ist seit 2017 Ministerpräsidentin des Bundeslandes. Von 2013 bis 2017 war sie Bundesfamilienministerin. Von 2009 bis 2019 war die 50-Jährige stellvertretende Vorsitzende der SPD.