Papstwahl : Geheimnisse des Konklaves: Die düsteren Anfänge der Papstwahl

Die Wahl des Papstes ist von uralten Riten und Geheimnissen umgeben. Dabei sind die Anfänge des Konklaves alles andere als würdevoll.

Wie es sich anfühlt, zum Papst gewählt zu werden? Benedikt XVI., zuvor Kardinal Joseph Ratzinger, hat das wenige Tage nach seiner eigenen Wahl eindringlich beschrieben: „Als langsam der Gang der Abstimmungen mich erkennen ließ, dass sozusagen das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindelig zumute.“ Tatsächlich liegt über der Bestimmung des Oberhirten von rund 1,4 Milliarden Gläubigen in der katholischen Kirche ein Hauch von Trauer. Als „Kammer der Tränen“ wird denn auch etwas spöttisch jener Raum neben der Sixtinischen Kapelle genannt, in dem ein neuer Papst eines der in unterschiedlichen Größen bereitgestellten weißen Gewänder als Zeichen seiner Würde anlegt. Damit tritt er das wohl mächtigste Amt an, das es überhaupt in der religiösen Welt zu vergeben gibt. Das weiß jeder Kardinal natürlich auch vor der Wahl. Woher also das Unbehagen? Sollte es der katholischen Lehre nach nicht der Heilige Geist selbst sein, der den Kardinälen beim Ausfüllen der Stimmzettel die Hand führt?

Die Anfänge des Konklaves sind zum Fürchten

Der tausend Jahre alte Hymnus „Veni Creator Spiritus“, „Komm, Schöpfer Geist“, und die Allerheiligenlitanei begleiten das Kollegium jedenfalls auf ihrer Prozession zur Sixtinischen Kapelle – spätestens 20 Tage nachdem der alte Papst gestorben ist. So will es die geltende Papstwahlordnung. Es sind uralte feierliche Riten, die vom Tod des einen Pontifex zur Wahl des nächsten führen. Leicht kann dabei der Eindruck entstehen, dass dabei eine zwei Jahrtausende alte, heilige Choreografie aufgeführt wird, ein „heiliges Theater“, das die Zuschauer in den Bann ziehen und vom göttlichen Wirken überzeugen soll. Tatsächlich aber sind die Anfänge des heute so feierlichen Gepränges zum Fürchten.

Im Mai 1216 war Innozenz III. mit großem Gefolge im umbrischen Perugia eingetroffen, um danach in die Lombardei weiterzureisen. Doch am 16. Juli starb der Papst. Und wie es seinem Rang gebührte, brachte man den Leichnam in die Kathedrale. Einen Tag später stand dort auch ein durchreisender französischer Bischof namens Jacques de Vitry vor dem aufgebahrten Pontifex. „Ihn hatten nachts die Leute seiner kostbaren Gewänder beraubt, in denen er begraben werden sollte. Seinen Leichnam hatten sie fast nackt und schon in Verwesung übergehend in der Kirche liegen gelassen.“ Selbst den mit solchen Sitten durchaus vertrauten Zeitgenossen schaudert es. Dabei war Innozenz nicht etwa verhasst. Heute gilt er gar als einer der bedeutendsten Päpste des Mittelalters. Doch tote Kirchenfürsten zu berauben und ihren Besitz zu plündern, war lange Brauch. Bis zurück ins 6. Jahrhundert lassen sich Quellen finden, in denen beklagt wird, wie sich nach dem Tod eines Papstes oder Bischofs „solche Ruchlosigkeit straflos austobt“. Da überrascht es nicht, wie rabiat es auch dann zuging, wenn ein Nachfolger für den Stuhl Petri gefunden werden musste.

Honorius III., ursprünglich Cencio Savelli, war Papst von 1216 bis 1227
© Bildagentur-online/Celeste

Innozenz war in Perugia noch nicht einmal unter der Erde, da konzentrierte sich das Interesse der Menge schon auf den Palast der Domherren direkt neben der Kathedrale. Denn die 27 mitgereisten Kardinäle – nur fünf fehlten offenbar an der damaligen Gesamtzahl – hatten auch zu jener Zeit schon die exklusive Aufgabe, den nächsten Papst zu wählen. Damit das aber auch zügig vorangehen konnte, sperrte man die hohen Herren „strictissime“ ein. Der Druck von außen wirkte. Schon zwei Tage später konnten die Kardinäle Honorius III. den Fuß küssen und so ihre Loyalität zum Ausdruck bringen. Diese Papstwahl war die allererste, die in einem „Konklave“ erfolgte, wenn man diesen Begriff denn auf seinen Kern reduziert: die strikte Isolation des Wahlkollegiums – auf Latein „cum clave“, also „mit Schlüssel“.

Die Geheimniskrämerei und das Gepränge neuzeitlicher Konklave ist dem frühen 13. Jahrhundert noch fremd. Das offenbar in Perugia erstmals kirchlich praktizierte, im weltlichen Italien damals aber bereits bekannte Verfahren einer Wahl hinter verschlossenen Türen setzte sich jedenfalls durch. Nicht allerdings, um den Purpurträgern würdevolle Abgeschiedenheit zu gönnen, sondern ganz im Gegenteil. „Das Konklave war nichts anderes als eine Zwangsmaßnahme für störrische, unbelehrbare Kardinäle“, so der Kirchenhistoriker Hubert Wolf von der Universität Münster. „Man könnte auch von Beugehaft sprechen.“

Das erfuhren 1241 auch jene Purpurträger, die Staufer-Kaiser Friedrich II. in einem Kloster nahe des antiken Circus Maximus zum Konklave einpferchen ließ. Die römische Sommerhitze, dazu Wachen, die auf dem nicht ganz dichten Dach respektlos ihre Blasen entleerten, sorgten für kaum erträgliche Bedingungen. Gewählt wurde schließlich der Älteste und Gebrechlichste. Doch Coelestin IV. starb nur gut zwei Wochen später und noch vor seiner Krönung. Eigentlich hätte also gleich die nächste Wahl erfolgen müssen. Da hatten die meisten Kardinäle aber schon die Flucht ergriffen. Und der Stuhl Petri blieb rund eineinhalb Jahre vakant.

Auch wenn die Wahlmänner heute in klimatisierten Zimmern wohnen, wie New Yorks Kardinal Timothy Dolan 2013 vorsorglich Schokoriegel bunkern können und in komfortablen Bussen die gerade mal 400 Meter vom Gästehaus auf der einen Seite der Petersbasilika zur Sixtinischen Kapelle auf der anderen gefahren werden, so reicht selbst ein oberflächlicher Blick in die Geschichte, um zu begreifen, dass die Wahl sogar altgediente Kardinäle noch bis ins Mark erschüttern kann. Einer allerdings muss es schließlich wollen.

Wenn doch aber ein Konklave überhaupt erst seit dem frühen 13. Jahrhundert nachgewiesen ist, wie kamen dann die Päpste zuvor ins Amt? Vom ersten wissen wir immerhin aus der Bibel, wie es sich zugetragen haben soll.

„Was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein“

Jesus selbst hatte den Fischer Simon demnach zum Ersten unter den Jüngern erhoben und ihm dabei auch gleich einen neuen Namen gegeben, so wie ihn Päpste bis heute für sich selbst wählen: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.“ Im Kuppelrund der vatikanischen Petersbasilika steht diese „Einsetzung“ in knapp eineinhalb Meter hohen Buchstaben auf Latein und goldenem Grund, damit auch ja niemand vergisst, wer darunter mit dem Anspruch göttlichen Rechtes sein Amt ausübt: „TU ES PETRUS“, „Du bist Petrus“.

In einer anderen der römischen Hauptkirchen, Sankt Paul vor den Mauern, kann man den Kopf gleich noch einmal in den Nacken legen und ein langes Band von Mosaiken bestaunen – von Petrus bis zu Franziskus. Alle nach offizieller Zählung bislang 266 Päpste sind dort porträtiert. Als Johannes Paul II. 1978 ins Amt kam, waren allerdings nur noch drei der im 19. Jahrhundert vorbereiteten Medaillons frei. Der Legende nach drohte das Jüngste Gericht, sobald auch das letzte Medaillon vergeben wäre. Doch hieß es nicht: „Was du auf Erden bindest, das wird im Himmel gebunden sein“? So ließ Johannes Paul II. 25 Medaillons ergänzen. Und schon war der Weltuntergang bis auf Weiteres verschoben.

Der Fantasie entsprungen sind nicht nur die Gesichtszüge der Päpste bis hinein ins 16. Jahrhundert. Auch der Anfang jener Liste, die eine ungebrochene „apostolische Sukzession“ und damit die herausragende Autorität des römischen Bischofs sichern soll, lässt sich geschichtlich nicht belegen. Vielmehr stammt die Aufzählung aus dem Jahr 185 vom damaligen Bischof von Lyon namens Irenäus, der womöglich selbst auf heute unbekannte Vorlagen zurückgriff. Von Irenäus erfahren wir jedenfalls auch, dass die damaligen Bischöfe von Rom ihre Nachfolger selbst bestimmten. Erst nach 150 übrigens gilt als historisch gesichert, dass es in Rom immer nur einen Bischof gab und nicht gleich mehrere zur selben Zeit. Klerikale Grabenkämpfe – manchmal sogar blutige – bringen zwar auch später noch „Gegenpäpste“ hervor, doch in den ersten beiden Jahrhunderten ist die Kirche trotz aller auch da schon tobenden Auseinandersetzungen noch eher in einer Art Findungsphase. Mal wählen den Bischof alle, mal nur die Kleriker – und nicht selten mischt sich auch der Kaiser mit seinen ganz eigenen Interessen ein. 

Soll das gesamte Kirchenvolk an die Urne?

Sogar ein Papst forderte schließlich, dass das gesamte Kirchenvolk an die Urne gerufen werden müsste: „Wer allen vorstehen soll, muss auch von allen gewählt werden“, verlangte Leo I. im Jahre 445. Zwar wurde dieser Papst zum heiligen Kirchenlehrer erhoben und trägt heute den Titel „der Große“. An seine geradezu demokratische Vorstellung, wie ein Bischof ins Amt kommen sollte, hielt sich die katholische Kirche aber nicht. Denn mit der Macht des Petrusamtes wuchs das Bedürfnis der Kirchenfürsten, seine Besetzung unter eiserne Kontrolle zu bekommen. „Extra omnes!“, ruft der Zeremonienmeister denn auch nach dem Einzug und der Vereidigung der Kardinäle in der Sixtina. „Alle hinaus!“ War es in den Anfängen der Druck von außen, der die Kardinäle zusammenzwang, so kommt der Druck heute gewissermaßen von innen, um die Welt auszuschließen. Nur eine kleine Schar von Bediensteten – kochende Nonnen etwa, dazu Sekretäre und auch medizinisches Personal – dürfen unter dem Siegel strikter Verschwiegenheit in der Klausur bleiben.

Bereits 1059 wurde verfügt, dass nur noch Kardinäle den Papst wählen dürfen, wobei die besonders mächtigen „Kardinalbischöfe“ damals vor den Abstimmungen schon eine Kandidatenauslese vornahmen. Ursprünglich war „Kardinal“ ein Ehrentitel für Diakone und Priester der Stadt Rom, dazu für Bischöfe aus den Vororten. Darum gibt es wie bei der Zahl der kirchlichen Weihestufen – Diakon, Priester, Bischof – auch heute noch drei Klassen von Kardinälen. Alle haben jedoch dasselbe Stimmrecht, solange sie – Paul VI. legte das 1970 fest – noch nicht ihren 80. Geburtstag gefeiert haben. Zurzeit trifft das für 135 Purpurträger zu. Von ihnen wird der dienstälteste und damit ranghöchste wahlberechtigte Kardinalbischof das kommende Konklave leiten. Und das ist der 70-jährige Kardinal Pietro Parolin, bisher Kardinalstaatssekretär unter Papst Franziskus und damit bereits die Nummer Zwei in der römischen Hierarchie. 

Prinzipiell – und wie im preisgekrönten Film „Konklave“ von Edward Berger – könnte auch noch ein Kardinal „in pectore“ an die Tür des Vatikans klopfen. Solche Kardinäle wurden meist zum Schutz vor staatlicher Gewalt im Geheimen („in der Brust“) ernannt. Das aber muss schließlich auf irgendeine Art belegt und öffentlich gemacht werden. Sonst bleiben sie vor der Tür. Zuletzt ist das unter Papst Johannes Paul II. geschehen, der bei seinem Tod 2005 einen solchen Namen mit ins Grab genommen hat. Gewöhnlich aber werden neue Purpurträger ganz öffentlich in einem „Konsistorium“ aufgenommen. Nicht mehr als 120 Wahlberechtigte sollen es nach den geltenden Regeln sein. 135 sind es nach der großzügigen Auslegung dieser Vorschrift durch Papst Franziskus, die nun seinen Nachfolger wählen werden. 

Zum Kardinalsring und dem an eine Bonbonschachtel erinnernden purpurnen Birett für den Kopf wird ihnen auch eine römische „Titelkirche“ vermacht. Ostia, der alte Seehafen Roms, geht dabei traditionsgemäß an den ersten der Kardinalbischöfe, den „Dekan“, der gewöhnlich nicht nur den verstorbenen Papst beerdigt, sondern auch das Konklave zusammenhalten muss. Weil der derzeitige Amtsinhaber, der inzwischen 91-jährige Kardinal Giovanni Battista Re, die Altersgrenze überschritten hat und dasselbe für seinen 81-jährigen Stellvertreter Kardinal Leonardo Sandri gilt, übernimmt Kardinalbischof Pietro Parolin die Leitung der Papstwahl. Aber auch der niedrigsten Klasse kommt eine besondere und sehr öffentlichkeitswirksame Aufgabe zu. Deren Vertreter mit den meisten Amtsjahren ist der „Kardinalprotodiakon“, der von der Mittelloggia über dem Petersplatz das berühmte „Habemus Papam!“ rufen darf, sobald ein neuer Pontifex die Wahl angenommen hat und mit den Zeichen seiner neuen Würde ausgestattet wurde.

Kardinal Pietro Parolin am aufgebahrten Leichnam von Papst Franziskus
© VATICAN MEDIA/IPA via ZUMA Press

Dass zuvor schon weißer Rauch die geglückte Wahl signalisiert, ist übrigens eine eher moderne Erfindung, wie der US-Historiker Frederick Baumgartner nachweisen konnte. Als Signal wurde der Rauch demnach wohl erstmals 1823 verstanden. Und damit bei der wartenden Menge auf dem Petersplatz keine Verwirrung gestiftet wird, kommt seit 1963 eine passende Chemikalie mit in den Ofen. Auch alle Glocken von Sankt Peter läuten dann, und selbst unter eher Kirchenfernen steigt gewöhnlich die Spannung. Denn es ist bei aller Kritik an der katholischen Kirche noch immer ein Ereignis von Weltrang, wenn der Kardinalprotodiakon den neuen Papst verkündet und der sich dann auf dem so berühmten Balkon von Sankt Peter präsentiert.

Überraschungen sind dabei der Normalfall, auch wenn es vor jeder Wahl natürlich eine Liste vermeintlich ganz heißer Anwärter auf den Stuhl Petri gibt. Meist aber bestätigt sich eine seit Jahrhunderten geltende Faustregel, die auch als Warnung vor zu viel Selbstbewusstsein verstanden werden kann: „Wer als Papst ins Konklave zieht, kommt als Kardinal wieder heraus.“

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