Friedrich Merz wollte besinnliche Ostertage. Doch gleich drei CDU-Leute sorgen für Debatten, die ihm nicht gefallen können. Hat der Parteichef seinen Laden noch im Griff?
Friedrich Merz hat eine Video-Botschaft aufgenommen. Ein österlicher Gruß an die Bürgerinnen und Bürger des Landes, das er demnächst regieren will (https://www.youtube.com/watch?v=anyT_fK9c1Y). In dem am Karsamstag verbreiteten Drei-Minuten-Clip sagt der mutmaßlich künftige Kanzler, Ostern sei eine Zeit des Innehaltens. Wenn er nun zurückblickt, war es wohl eher eine Zeit zum aus der Haut fahren.
Gleich drei prominente CDU-Leute sorgten in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen und Debatten, die dem Parteichef nicht gefallen können. Kurz zusammengefasst, sieht die Lage so aus: Carsten Linnemann macht nicht mit, Jens Spahn macht Ärger, und Julia Klöckner macht den Befürchtungen alle Ehre, die manche mit ihrer Berufung zur Bundestagspräsidentin verbanden.
Friedrich Merz braucht einen Wirtschaftsminister – gar nicht so einfach
Doch der Reihe nach. Schon einige Tage vor Ostern, das Merz in seiner Botschaft übrigens auch als Zeit des Miteinanders würdigt, hatte Carsten Linnemann mitgeteilt: aber ohne mich. Der CDU-Generalsekretär will nicht in die Regierung wechseln. Linnemann verzichtete auf das Wirtschaftsministerium, offenkundig auch, weil das bisherige Superministerium von Robert Habeck in den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen zahlreiche Kompetenzen und Zuständigkeiten verloren hat. Linnemann aber soll von einem Superministerium geträumt haben, in dem die Ressorts Wirtschaft und Arbeit vereint sein sollten. Nicht anders ist Linnemanns Satz zu deuten, mit dem er seine Ablehnung begründete: „Es muss halt auch passen.“
Merz steht damit vor einer kniffligen Aufgabe. Er muss für das Wirtschaftsministerium jemanden finden, der oder die nicht nur wie eine Ersatzlösung für Linnemann aussieht. In der Bundestagsfraktion drängt sich da nicht wirklich jemand auf, zumal seit Julia Klöckner schon mit einem Posten versorgt wurde und Jens Spahn gewiss nicht als Linnemann 1b herhalten will.
Die Spekulationen drehen sich deshalb auch eher um eine Besetzung von außen. Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch, ein alter Weggefährte von Merz, der auch schon, wenn auch mit durchwachsenem Erfolg, in der Wirtschaft gearbeitet hat, wäre eine respektable Lösung. Im Gespräch ist seit dem Wochenende auch die frühere Bundestagsabgeordnete und zeitweilige Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche. Sie führt inzwischen einen Energiekonzern.
Das Problem: Merz müsste einen Mann oder eine Frau von außen, der oder die womöglich auch noch in einem attraktiven Job arbeitet, für ein Ministerium gewinnen, dem Linnemann nun den Stempel „zu unbedeutend“ aufgedrückt hat. Und er müsste die eigene Bundestagsfraktion davon überzeugen, dass in ihren Reihen niemand geeignet ist. So etwas hören Abgeordnete, die sich jahrelang durch Bundestagsausschüsse und Arbeitsgruppen gequält haben, nicht so gern.
Merz nächstes Problem heißt Jens Spahn. Er ist heißer Favorit auf den Fraktionsvorsitz, hielt es aber für angezeigt, schon mal eine Debatte über den Umgang mit der AfD anzuzetteln. Spahn empfahl, „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Auch diese Debatte zog sich in die Ostertage hinein und wurde mitnichten besinnlich geführt. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wertete es als »Foulspiel gegen Friedrich Merz, wenn solche Debatten in der Union gestartet werden, kurz nachdem er mit uns einen Koalitionsvertrag ausgehandelt hat«. Auch aus den eigenen Reihen kamen Widerworte gegen Spahns Vorstoß. „Ich finde diese ganze Debatte ebenso überflüssig wie schädlich“, sagte Dennis Radtke, der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels der „taz“. Und Merz selbst, als Noch-Fraktionsvorsitzender eigentlich berufen, parlamentarische Verfahrensfragen zu kommentieren? Er schweigt. Wohl auch, weil er durch die gemeinsame Abstimmung mit der AfD über einen Antrag zur Migration die Debatte vor einigen Wochen selbst angefacht hatte.
Am Ostersonntag meldete sich dann auch noch Julia Klöckner zu Wort. In der Bild am Sonntag berichtete sie, Merz habe ihr nach der Wahl zur neuen Bundestagspräsidentin mit den Worten gratuliert: „Mach was draus.“ Derart motiviert knöpfte sich die Christdemokratin in ihrem ersten Interview im neuen Amt gleich mal die Kirchen in Deutschland vor. Sie würden sich, so Klöckner, zu oft zu politischen Themen äußern, statt zu ihren Kernthemen. Dadurch würden sie zu austauschbaren Nichtregierungsorganisationen, sagte die Katholikin und studierte Theologin. „Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer“, sagte Klöckner. „Ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“ Das Handelsblatt kommentierte postwendend, Klöckner spreche den Kirchen „eine Art Redeverbot aus“. Widerspruch kam auch aus der SPD. Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb auf X, politische Äußerungen der Kirche seien sehr wichtig. „Ihnen sollte kein Maulkorb empfohlen werden.“ Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sprach im „Tagesspiegel“ von einer „obrigkeitsstaatlichen Zurechtweisung“.
Die Debatte dürfte noch anschwellen. Schon wabern Mutmaßungen durch die sozialen Medien, ein Teil der Union wolle womöglich durch Provokationen der SPD ganz gezielt die große Koalition torpedieren, um doch noch eine Minderheitsregierung der Union zu erzwingen.
Auf Friedrich Merz wartet also viel Arbeit. Aber wie sagte der CDU-Chef in seiner Video-Botschaft? „Ostern erinnert uns daran: Nach dunklen Tagen kommt das Licht.“