Vorlesungsbeginn in Hessen: Wie sich Mietpreise auf das Studium auswirken

Wer sich die Mieten in Hessens Universitätsstädten nicht leisten kann, muss nebenbei arbeiten, lange Anfahrten in Kauf nehmen oder an einem anderen Ort studieren. Das hat Folgen.

Zum Vorlesungsbeginn in Hessen stellt sich für viele Studierende auch die Wohnungsfrage. Laut einer Studie des Moses Mendelssohn Instituts (MMI) zahlen Studierende in Frankfurt im Schnitt 665 Euro für ein WG-Zimmer – bundesweit Platz zwei nach München und deutlich über dem hessenweiten Durchschnitt von 508 Euro.

„In westdeutschen Großstädten zu studieren, ist ein Luxusgut“, sagt Timo Wenninger, Referent für Wohnraum im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt. Durch die hohen Mieten finde bereits bei der Wohnungssuche eine soziale Auslese statt. „Personen aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien wird strukturell der Zugang zu diesen Universitäten verwehrt, weil der Zugriff auf den Wohnungsmarkt so schwierig ist“, ergänzt Wenninger. 

Auswirkungen auf Qualität des Studiums

Statt in dieser neuen Lebensphase wichtige Erfahrungen für die persönliche Entwicklung zu machen, würden immer mehr junge Menschen aus finanziellen Gründen bei den Eltern wohnen bleiben und lange Fahrzeiten in Kauf nehmen. „Einige müssen neben dem Studium so viel für ihre Miete arbeiten, dass die Qualität des Studiums massiv darunter leidet“, erklärt Wenninger. Freizeit, der Austausch mit Kommilitonen sowie politisches Engagement blieben dabei auf der Strecke.

Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist groß, sagt Wenninger. Dabei sieht er vor allem die Politik in der Pflicht. Beim Thema Bafög fordert der AStA der Goethe-Universität eine elternunabhängige Unterstützung. Außerdem müsse die Wohnpauschale von 380 Euro im Höchstsatz angehoben werden. Die Pauschale liege nicht nur deutlich unter der Durchschnittsmiete, sondern stehe auch nur „einem Bruchteil“ der Bafög-Empfänger zu.

Lange Warteliste beim Studierendenwerk

Aktuell gibt es laut Studierendenwerk Frankfurt im gesamten Rhein-Main-Gebiet 3.487 Wohnheimplätze für mehr als 70.000 Studierende. Zum Start des Sommersemesters stehen einer Sprecherin zufolge noch rund 2.500 Studierende auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz. In Frankfurt kommen 3.279 Plätze auf 56.771 Studierende. Zusätzlich versucht das Studierendenwerk durch das Onlineportal „Wohnraum gesucht“ private Vermieter und Studierende in Kontakt zu bringen. 

„Es kommt auf jeden Platz an. Unsere Wohnheime sind voll“, sagt auch Franziska Busch vom Studierendenwerk Marburg. Wer sich aktuell auf einen der 2.100 Plätze in den Wohnheimen des Studierendenwerks bewirbt, habe ab Juni die Chance auf eine Unterkunft. Umso glücklicher sei man darüber, dass am 28. April ein Wohnheim mit 113 zusätzlichen Plätzen nach zweieinhalb Jahren Sanierungsarbeiten wiedereröffnet werden kann. 

Laut MMI-Studie beläuft sich der durchschnittliche Preis für ein WG-Zimmer in Marburg im Sommersemester auf 430 Euro. Beim Studierendenwerk koste ein Wohnheimplatz durchschnittlich zwischen 250 und 300 Euro.

Angespannte Lage in Darmstadt

In Darmstadt sei die Lage besonders angespannt, sagt Jannis Klare vom AStA der Technischen Universität Darmstadt. Die MMI-Studie ermittelte für Darmstadt einen Durchschnittspreis von 480 Euro für ein WG-Zimmer. In den „allerschlechtesten Stadtteilen“ fielen 400 Euro an, berichtet Klare. In besserer Lage könne ein Zimmer bis zu 800 Euro kosten. „Der Wohnungsmarkt ist gelinde gesagt eine Katastrophe“, resümiert der AStA-Referent. 

Die meisten Studierenden kämen mit einem Nebenjob gerade so hin. Unter der Doppelbelastung leide jedoch oft die Qualität des Studiums. „Wir haben sehr viele Studierende, die teilweise bis an die Grenzen von Hessen und darüber hinaus wohnen und hierher pendeln“, ergänzt Klare.

Um die Lage etwas zu entspannen, hat das Studierendenwerk Darmstadt eine eigene Wohnraumbörse eingerichtet, die zwischen privaten Vermietern und Wohnungssuchenden vermitteln soll. Bei rund 40.000 Studierenden sei das jedoch eher ein „Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der AStA-Referent. 

Studierendenwerke Hessen fordern Bafög-Reform

In Kassel hat das Studierendenwerk vor wenigen Wochen ein neues Wohnheim mit 40 Plätzen eingeweiht. „Wo immer neue Häuser oder Plätze hinzukommen, werden sie dringend benötigt“, sagt Brigitte Schwarz vom Studierendenwerk Kassel, das gleichzeitig auch die Vertretung aller hessenweiten Studierendenwerke ist.

Die aktuelle Lage zum Start des Sommersemesters sei „alles andere als gut“. Besonders für internationale Studierende, die oft erst nach ihrer Ankunft mit der Suche beginnen können, gestalte sich die Suche schwierig.

Die hessischen Studierendenwerke fordern daher eine grundlegende Bafög-Reform verbunden mit einer deutlichen Erhöhung und Entbürokratisierung. „Ein starkes Bafög wäre ein klares Bekenntnis zur Zukunftssicherung des Wirtschafts- und Forschungsstandorts Deutschland – schließlich käme es direkt den Fachkräften von morgen zugute“, sagt Schwarz.

Finanzielle Situation der Studierenden „prekär“

Dass staatliche Finanzierungshilfen für viele Studierende unabdingbar sind, zeichnet sich beim Studierendenwerk Gießen auch an den Bafög-Anträgen ab. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Anzahl der Anträge um mehr als zehn Prozent gestiegen, berichtet Geschäftsführer Gero Lottermann. „In unserer Studienfinanzierungsberatung wird sehr deutlich, dass die finanzielle Situation der Studierenden weiterhin prekär ist. Studierende sind häufig gezwungen, zu jobben – das verlängert häufig das Studium“, sagt Lottermann. 

Die 2.680 Wohnheimplätze des Studierendenwerks seien nahezu belegt. „Auf der Bewerberliste stehen 738 Personen, denen wir aktuell keinen Wohnheimplatz nach ihren Wünschen anbieten können“, erklärt der Geschäftsführer. Damit sich das in Zukunft ändert, müssten Bund und Länder mehr Geld in bezahlbaren Wohnraum investieren. „Die derzeitigen Fördermöglichkeiten geben das leider bislang nicht her“, sagt Lottermann.

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