Fast 70 Prozent mehr Fälle: Brandenburg hat einen massiven Anstieg bei politisch motivierten Straftaten erlebt – als Folge des Superwahljahrs. Die Innenministerin sieht auch Radikalisierungstendenzen.
Die politisch motivierte Kriminalität ist in Brandenburg im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) beklagte eine Verrohung der politischen Auseinandersetzung – „von rechts bis links“.
Als Hauptursache für den starken Anstieg der Straftaten wird das Superwahljahr mit Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen genannt. Vor allem Beschädigungen und Diebstähle von Wahlplakaten wurden angezeigt.
Aber auch Straftaten im Zusammenhang mit Protesten gegen den E-Autobauer Tesla in Grünheide forderten die Polizei in Brandenburg im vergangenen Jahr. Fast die Hälfte aller Fälle ist dem rechten Spektrum zuzuordnen.
Anstieg um fast 70 Prozent verzeichnet
Wie die Innenministerin und Polizeipräsident Oliver Stepien am Vormittag in Potsdam mitteilten, wurden insgesamt 6.813 Fälle von politisch motivierter Kriminalität registriert – das waren fast 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Mehr als ein Viertel der Fälle stand im direkten Zusammenhang mit den Wahlen.
Zudem gab es bei den Gewalttaten, die politisch motiviert waren, einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 225 Fälle. 301 Menschen seien verletzt worden – im Jahr 2023 zählte die Statistik 209.
Lange: Man muss als Politiker nicht um Leib und Leben fürchten
Innenministerin Lange sagte, der Anstieg der politisch motivierten Kriminalität sei ein „schlechtes Zeichen für die politische Kultur“. Man müsse aber nicht um Leib und Leben fürchten, wenn man sich in Brandenburg politisch engagiere.
Bei den Gewalttaten gegen Amts- und Mandatsträger nannte die Polizei eine Körperverletzung und eine Erpressung. So wurde etwa eine Lokalpolitikerin im Kreis im Teltow-Fläming wegen eines Buttersäure-Angriffs auf ihr Auto verletzt. Insgesamt gab es im Wahljahr 406 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger – das war fast eine Verdoppelung im Vergleich zu 2023.
Überwiegend geht es bei den Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität aber um Propagandadelikte wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Volksverhetzungen. Mehr als die Hälfte aller Fälle werden dem rechten Spektrum (3.626) zugeordnet, im linken Spektrum zählte die Polizei 1.173 Straftaten.
236 Straftaten bei Tesla-Protesten
Von insgesamt 286 überwiegend links eingeordneten Straftaten im Bereich Umweltschutz und Klima standen 236 im Zusammenhang mit Protesten gegen Tesla. Darunter waren laut Polizei 31 Gewaltdelikte, etwa Widerstand gegen Polizeibeamte, Landfriedensbruch, Körperverletzung und Brandstiftung.
Im Mai 2024 hatten Hunderte Aktivisten versucht, auf das Firmengelände des Autobauers in Grünheide (Oder-Spree) vorzudringen. Zudem hatten Tesla-Gegner ein Protestcamp im Wald nahe der Autofabrik errichtet.
21 Straftaten gegen Asylunterkünfte
Gestiegen ist auch die Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte von 7 auf 21. Der Schwerpunkt lag mit zehn Taten an der Flüchtlingsunterkunft in Lübben im Spreewald, wie Polizeipräsident Stepien sagte. Es soll dabei unter anderem um den Verdacht der Volksverhetzung und Bedrohung gegangen sein.
Radikalisierung Jugendlicher in rechter Szene
Zudem beobachten die Sicherheitsbehörden eine Radikalisierung junger Menschen in der rechten Szene vor allem im Süden Brandenburgs. Junge Leute gründeten keine Vereine mehr, sondern nutzten Chatgruppen mit großer Reichweite, sagte Innenministerin Lange und verwies auch auf mehr Präventionsangebote der Sicherheitsbehörden an Schulen.
Der brandenburgische Verfassungsschutz sprach von einer neuen Entwicklung in der Neonazi-Szene. „Seit 2024 sehen wir ein neues Phänomen, denn die Anhänger sind sehr jung“, sagte Verfassungsschutzchef Jörg Müller der Deutschen Presse-Agentur. Dazu gehörten Gruppen wie „Jung und stark“, „Letzte Verteidigungswelle“, „Störtrupp“ und auch die Jugendbewegung der Partei Der Dritte Weg.