Am 11. April 1996 bricht ein Feuer am Flughafen Düsseldorf aus. Die Katastrophe kostet 17 Menschen das Leben. Fahrstühle und eine Lounge werden zur tödlichen Falle.
Es ist etwa 13 Uhr, als zwei Schweißer einer Dortmunder Firma am 11. April 1996 mit ihren Arbeiten auf der Vorfahrtsstraße zu den Abflugterminals am Flughafen Düsseldorf beginnen. Sie müssen eine Dehnungsfuge erneuern. Die Fuge liegt direkt über einem Blumenladen, der sich in der Ankunftshalle im Erdgeschoss des Airports befindet. Der Einsatz der Schweißer ist bei der Flughafenfeuerwehr nicht angemeldet und es gibt auch keine Brandwache – also eine Person, die sie beaufsichtigt, um im Brandfall reagieren zu können.
Während der Arbeiten fallen immer wieder sogenannte Schweißperlen – kleine heiße Metalltropfen – durch die Dehnungsfuge in die Zwischendecke der darunterliegenden Ankunftsebene. Die Funken entzünden die Deckendämmung aus acht Zentimeter dickem Styropor. Ein Schwelbrand entwickelt sich.
Um 15.31 Uhr meldet ein Taxifahrer die Funken bei der Feuerwehr. Vier Minuten später sind zwei Einsatzkräfte der Flughafenfeuerwehr vor Ort. Der Einsatzleiter braucht zehn Minuten, bis er auf die Schweißarbeiten aufmerksam wird und diese dann sofort unterbindet. Doch da ist es bereits zu spät.
Giftige Qualmwolke wälzt sich durch Flughafen Düsseldorf
Ungehindert frisst sich das Feuer weiter durch die Deckendämmung, entzündet dort Leitwände aus Gummi, Kabelummantelungen sowie eine unterhalb der Dehnungsfuge liegende Regenrinne aus Plastik – alles brennbare Materialien, die eigentlich gar nicht hätten verbaut werden dürfen. Da es aber in der Zwischendecke durch die Mineralfaserplatten, die die eigentliche Decke bilden, keinen Sauerstoff gibt, entwickelt sich zunächst eine gewaltige Hitze und es kommt zu einer Ansammlung von giftigen Gasen. Als schließlich gegen 15.50 Uhr doch Luft in die Zwischendecke eindringt, kommt es zu einem Flashover – einem sogenannten Feuersprung – und die hochentzündlichen Gase explodieren. In Sekundenschnelle stehen rund 200 Quadratmeter Decke in Flammen. Brennende Teile stürzen herunter und entzünden die Gepäckbänder im Terminal.
Der Düsseldorfer Flughafen ist zu jener Zeit mit rund 15 Millionen Passagieren pro Jahr der drittgrößte Deutschlands – nach Frankfurt und München. An jenem Nachmittag halten sich etwa 2000 Passagiere im Flughafengebäude auf. Und diese müssen schon bald um ihr Leben rennen.
Rettungskräfte reanimieren am Flughafen Düsseldorf einen leblosen Mann
© Michael Gstettenbauer
Pechschwarzer, dicker Rauch breitet sich aus. Die bis zu acht Meter hohe Qualmwolke, die auch Spuren von Blausäure und Salzsäure enthält, wälzt sich in Schrittgeschwindigkeit quer durch die Abfertigungshallen und wird durch die Lüftungs- und Klimaanlagen im ganzen Flughafengebäude verteilt. Nur wenige Atemzüge können bereits tödlich sein. Insgesamt verbrennen in den Decken des Flughafens 6000 Quadratmeter Styropor-Platten.
Um 15.57 Uhr schrillen die automatischen Brandmelder in der Nähe des Blumenladens. Der Mann in der Notrufzentrale versucht, eine Räumungsdurchsage zu schalten – vergeblich, da das dafür zuständige Personal gerade nicht erreichbar ist. Erst neun Minuten später werden die Passagiere gewarnt und aufgefordert, das Gebäude zu verlassen.
Fahrstuhl in den Tod
Zu spät für einen Vater und seinen sechsjährigen Sohn, die zusammen mit drei weiteren Personen vom Parkhaus in den Fahrstuhl steigen. Oben angekommen quillt der pechschwarze Rauch sofort durch die sich öffnende Fahrstuhltür. Er ist so dicht, dass er die Lichtschranke blockiert. Die Menschen im Lift haben keine Chance und ersticken. In einem anderen Fahrstuhl, der in der Nähe des Blumenladens hält, erleiden zwei weitere Menschen das gleiche Schicksal.
Oben im ersten Stock auf der Galerieebene des Flugsteigs A warten in der VIP-Lounge von Air France neun Menschen auf ihren Rückflug nach Paris, unter ihnen auch eine schwangere Frau. Fatal: Es gibt dort keinen Fluchtweg. Langsam zieht der schwarze Qualm in die Lounge und nimmt den Insassen die Luft. Panisch wählen sie den Notruf. „Bitte kommen Sie, wir können nicht mehr atmen“, „We are dying“ und „Wir kommen hier nicht raus“, rufen sie ins Telefon. Doch die Flughafenfeuerwehr muss sich erst erklären lassen, wo genau sich die Lounge im Gebäude befindet.
Feuerwehrspezialisten untersuchen die Dehnungsfuge, an der das Feuer am Düsseldorfer Flughafen ausgelöst wurde
© Oliver Multhaup
Als die Feuerwehr eintrifft, kommen ihr massenhaft Passagiere entgegen, die ins Freie strömen. Doch selbst draußen vor dem Gebäude fällt das Atmen mittlerweile schwer. Der Qualm versperrt auch den Autofahrern die Sicht, die die Zufahrtsstraßen verstopfen und somit auch die Rettungskräfte behindern. Das Dach des Terminals A ist mittlerweile auf seiner gesamten Länge in dichten Rauch gehüllt.
Unbegreiflich: Die Flughafenfeuerwehr ist auf einen Brand im Gebäude nicht vorbereitet. Es fehlt an Personal und Gerätschaft. Vor allem an Sauerstofflaschen, ohne die die Einsatzkräfte sich nur wenige Minuten im verqualmten Gebäude aufhalten können. Es gibt weder einen Rettungs- noch einen Einsatzplan. Zwar kommen Feuerwehren aus dem Umkreis zur Verstärkung, doch sie benutzen unterschiedliche Funkgeräte, was eine Verständigung unmöglich macht. Gebäudepläne? Fehlanzeige!
VIP-Lounge wird zur tödlichen Falle
Ein Mann aus Dresden befindet sich in der Senator-Lounge, als der Brand ausbricht. Zum Zeitpunkt der Räumung war er auf der Toilette. Jetzt ist er eingeschlossen. Mit seinem Handy ruft er in seiner Firmenzentrale in Dresden an. Die alarmieren die Leitstelle in Düsseldorf, die wiederum einen Suchtrupp losschickt. Der Geschäftsmann hat Glück. Er kommt mit einer Rauchgasvergiftung davon.
Die Rettungskräfte errichten Zelte vor dem Flughafengebäude, um die Verletzten zu versorgen. Krankenhäuser im Großraum Düsseldorf werden in Notfallbereitschaft versetzt.
Um 16.19 Uhr wird das letzte Lebenszeichen aus der Air-France-Lounge aufgezeichnet. Es ist der verzweifelte Notruf eines Mannes. Er hustet, kann kaum noch atmen und erklärt mit letzter Kraft, wo genau sich die Lounge befindet. Ein französischer Geschäftsmann schnappt sich schließlich einen der schweren Sessel und rennt damit gegen eine der dicken Glasscheiben. Mit bloßen Händen vergrößert er das Loch und springt hinaus. Er fällt vier Meter tief ins Erdgeschoss und erleidet schwerste Kopfverletzungen. Feuerwehrleute finden ihn, müssen ihn noch vor Ort reanimieren. Er liegt eine Woche lang im Koma. Er ist der einzige Passagier aus der Lounge, der das Unglück überlebt. Acht Menschen ersticken qualvoll darin.
17 Menschen sterben, 88 werden verletzt
Ein englischer Soldat verstirbt in einer der Toiletten, eine 70-jährige Frau fünf Wochen nach dem Unglück im Krankenhaus. Insgesamt kommen 17 Menschen bei der Feuerkatastrophe ums Leben, 88 weitere werden verletzt.
Gegen 19.20 Uhr bringen die rund 1000 Feuerwehrleute den Großbrand unter Kontrolle.
Blick in die ausgebrannte Halle der Ankunftsebene
© DB frm
Drei Jahre später kommt es zum Strafprozess gegen die beiden Schweißer, den technischen Geschäftsführer des Flughafens, den Architekten, Mitarbeiter der Bauabteilung und der Bauaufsichtsbehörde. Das Verfahren vor dem Düsseldorfer Landgericht bringt eine ganze Reihe von Fehlern und Mängeln ans Licht.
Nach etwa einem Jahr mit 34 Verhandlungstagen und rund zwei Millionen D-Mark Prozesskosten stellt man fest, dass einer der Schöffen alkoholkrank ist. Der Prozess muss von vorn beginnen.
Auch der neue Prozess wird von Pannen begleitet. Ein Berufsrichter muss wegen möglicher Befangenheit ausgewechselt werden, weil er schon in einem Zivilverfahren zum Airport-Großbrand eingesetzt war. Ein Laienrichter wird ausgetauscht, weil gegen ihn selbst wegen Brandstiftung ermittelt wird. Nach zwei Jahren und 89 Verhandlungstagen wird der Prozess im Jahr 2001 schließlich gegen Zahlung von Geldbußen zwischen 3000 und 20.000 Euro eingestellt. Das Gericht kann die Schuldfrage nicht eindeutig klären. Die Anwälte der Hinterbliebenen sind empört.
Der damalige nordrhein-westfälische Justizminister Jochen Dieckmann (SPD) räumt schließlich eine „peinliche, hoch konzentrierte Summe misslicher Einzelfaktoren“ ein. Die zivilrechtliche Aufarbeitung dauert noch länger. In diversen Verfahren streiten sich betroffene Unternehmen 15 Jahre lang um Schadenersatz.
Der durch das Feuer verursachte Gesamtschaden wird später auf rund eine Milliarde D-Mark beziffert – es ist der größte Brandschaden der Nachkriegszeit in Deutschland. Das dioxinverseuchte Zentrum des Flughafens muss abgerissen und für fast 700 Millionen Mark neu gebaut werden. 100 Millionen Mark verschlingt allein der Brandschutz. Eine Armada aus Rauchmeldern, Sprinklern, Fluchtwegsystemen und triebwerkgroßen Entrauchungsanlagen schützt heute die Millionen Passagiere, die den Airport Jahr für Jahr durchqueren. Im gesamten Neubau wird weitgehend auf brennbare Materialien verzichtet. Aufzüge fahren bei einem Brand automatisch in eine sichere Etage. Es gibt Entrauchungsanlagen und automatische Fluchttüren. Die neue Klimaanlage schaltet sich bei einem Brand automatisch selbst ab. Die Flughafenfeuerwehr und die Berufsfeuerwehr machen regelmäßig gemeinsame Übungen.
Heute gilt der Airport mit seiner Ankunftshalle aus Glas und Stahl als einer der sichersten der Welt.
Quellen: WDR-Doku, Podcast Verbrechen von nebenan, Feuerwehr-Report, Feuerwehr-Magazin, DPA-Archivmaterial