Tiere buddeln Höhlen an der Schienenstrecke in Rheinland-Pfalz und bremsen so Pendler und Ausflügler aus. Doch um welche Vierbeiner handelt es sich?
Diese Tunnelarbeiten an der Schienenstrecke hatte die Bahn nicht bestellt. Tierische Baumeister buddeln im Süden von Rheinland-Pfalz Gänge in den Bahndamm und bremsen Pendler und Ausflügler aus. Auf mehreren Teilstücken musste der Verkehr aus Sicherheitsgründen eingestellt werden, um Löcher zu schließen. Der Betrieb zwischen Landau und Winden zum Beispiel wurde erst am Wochenende wieder aufgenommen. Aber darüber, welche Tiere da so fleißig am Werk sind, herrscht keine Einigkeit.
Die Deutsche Bahn (DB) ist sicher: Es ist ein Dachs. „Bei den Untersuchungen des Bahndamms zwischen Winden und Landau hat die DB einen erfahrenen Tierökologen im Einsatz“, sagt eine Bahnsprecherin. Der Experte habe die Bauten in Abstimmung mit Naturschutzbehörden untersucht und die nötigen Bewertungen abgegeben. „Dachsbauten können sich über Jahrzehnte entwickeln und im späteren Verlauf von anderen, auch kleineren Tieren nachgenutzt werden.“
„Festigkeit des Bahndamms nicht mehr gegeben“
„Die Kolleginnen und Kollegen der DB als auch der Jagdforstmeister haben ihre jahrelangen Erfahrungen für die Einschätzung der Verursacher der Hohlräume eingebracht“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. „Fakt ist, dass die für den Zugverkehr erforderliche Festigkeit des Bahndamms nicht mehr gegeben war und eine Stabilisierung des Erdreichs erforderlich wurde.“
Mehrere 10.000 Liter flüssige Erde seien in die Hohlräume eingebracht worden. „Dies“, erklärt die Bahnsprecherin, „spricht für umfangreiche Höhlensysteme, die in der Regel auf Dachsbauten zurückgehen.“ Nachdem die Masse getrocknet war, sei der Schotter unter den Gleisen noch mit einer Spezialmaschine verfestigt worden.
Also Dachse? Kreisjagdmeister Jörg Sigmund, der für Landau zuständig ist, hat Zweifel. „Aus meiner Sicht sind es Kaninchenbauten“, sagt der Fachmann. „Ich gehe seit 46 Jahren auf die Jagd und bin als Revierförster jeden Tag im Wald. Ich kenne Fuchsbauten, ich kenne Dachsbauten – und ich kenne Kaninchenbauten. Und von Größe und Aussehen sind es eindeutig Kaninchenbauten.“
Tierische Fachdiskussion
Wieso ist Sigmund da so sicher? „Zum Verfüllen hat die Firma 80-Millimeter-Rohre in die Löcher gesteckt. Da passt nur ein Kaninchen rein – kein Dachs. Die Arbeiter, mit denen ich mich unterhalten habe, waren derselben Meinung.“ Allerdings, räumt Sigmund ein, könne es im weiteren Verlauf der Strecke auch Dachsbauten geben. „Ich habe nur einen kleinen Teil in Augenschein genommen. Und ich habe noch kleine Löcher gesehen, die wohl von Ratten stammen können.“
Es gebe durchaus auch bei Kaninchen sehr umfangreiche Höhlensysteme, was die enorme Menge des Füllmaterials erklären könne, erklärt der Kreisjagdmeister. „Ich bin gerne bereit, die DB im Zweifelsfall zu beraten.“
Den Bahnexperten Fritz Engbarth lässt die tierische Fachdiskussion kalt. „Dachs oder Kaninchen – Kundinnen und Kunden ist das egal, sie freuen sich, wenn wieder alle Züge rollen. Die Strecke Landau – Winden ist ein Teil der wichtigen Verbindungen Neustadt an der Weinstraße – Karlsruhe“, sagt Engbarth vom Zweckverband ÖPNV Rheinland-Pfalz Süd.
Er kennt Probleme mit Zugverbindungen in Rheinland-Pfalz zur Genüge. Mal funktionierte wegen Krankheit im Stellwerk nur ein Notprogramm, mal fuhren ausgerechnet zum letzten Saisonspiel des 1. FC Kaiserslautern keine Züge.
„Wir erwarten ein Sanierungskonzept“
Engbarth appelliert an die Bahn, nicht bis zum nächsten Problem zu warten, sondern Fragen künftig gemeinsam und transparent anzugehen. „Es sind ja nicht die einzigen Dachsbauten in Bahndämmen in der südlichen Pfalz. Wir erwarten ein vorausschauendes, abgesprochenes Sanierungskonzept mit dem Ziel, dass es nicht zu kurzfristigen Sperrungen kommen muss.“
Die Bahn werde für einen weiteren fachlichen Austausch einen regelmäßigen Dialog der Expertinnen und Experten anregen, teilt die DB-Sprecherin mit. „Die Ergebnisse werden wir bei künftigen Fällen entsprechend zusammenführen.“
Rheinland-Pfalz ist im Übrigen nicht zum ersten Mal von tierischen Tunnelbauern betroffen – und nicht als einziges Bundesland. So hieß es in der vergangenen Woche: Nichts geht mehr auf der Bahnstrecke zwischen Weilheim und Peißenberg in Oberbayern. Schuld war nicht ein technischer Defekt – im Gleisbereich hatte ein Dachs seinen Bau errichtet.