Regierungsbildung: Das Wichtigste zum Finanzpaket-Kompromiss

Die erste Niederlage des wohl künftigen Kanzlers Merz scheint abgewehrt: Eine Einigung mit den Grünen ist geschafft – doch sie könnte Union und SPD noch Probleme bereiten.

CDU-Chef Friedrich Merz und die Verhandler von Union und SPD mussten lange bangen: Jetzt sieht es so aus, als könne ihr Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur im Bundestag bestehen. Die Grünen haben allerdings eine ganze Reihe Änderungen herausgehandelt, die für Union und SPD noch schmerzhaft werden könnten. Was man über die Pläne und Kompromisse wissen muss:

Was ist genau geplant?

Das Grundgesetz soll an mehreren Stellen geändert werden, um drei Dinge zu regeln: Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben gibt es keine Grenze. Außerdem sollen die Länder mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. 

Drittes Vorhaben ist ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität, das von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden soll. Der Sondertopf soll für zwölf Jahre zur Verfügung stehen. Alles zusammen wäre eine riesige Finanzspritze für Bereiche, in denen Experten großen Investitionsbedarf sehen: die Bundeswehr, aber auch Autobahnen, Brücken, Schiene, Energienetze, Kitas und Schulen.

Was genau haben die Grünen rausgehandelt?

Union und SPD mussten in beiden großen Bereichen Zugeständnisse machen. Sie wollten zunächst nur Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausnehmen. Auf Druck der Grünen gilt die Lockerung jetzt aber auch für Ausgaben im Bereich Zivil- und Bevölkerungsschutz, für Cybersicherheit, Nachrichtendienste und für die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten. 

Außerdem, und das war den Grünen besonders wichtig, soll der Sondertopf nicht nur für Infrastruktur, sondern explizit auch zur Erreichung von Klimaneutralität eingesetzt werden. 100 der 500 Milliarden fließen in den Klima– und Transformationsfonds, aus dem Investitionen in Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft bezahlt werden. 

Auf Druck der Grünen wird auch festgeschrieben, dass die Infrastruktur-Milliarden für zusätzliche Vorhaben da sind. Nach Angaben der Grünen dürfen sie nur genutzt werden, wenn im Kernhaushalt angemessene Investitionen eingeplant sind. Die Grünen hatten befürchtet, dass Union und SPD das Geld nutzen könnten, um ohnehin geplante Vorhaben zu finanzieren und so im Kernhaushalt Platz zu machen für Wahlgeschenke wie die Mütterrente. 

Wie bewerten die drei Fraktionen das Ergebnis?

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte, sie und ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann hätten es in den Verhandlungen mit CDU, CSU und SPD geschafft, „dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird“. Unionsfraktionschef Merz äußerte sich zufrieden mit dem Ausgehandelten. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil erwartet nun einen „kraftvollen Anschub für Deutschland“. Das Paket werde das Land für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nach vorne bringen. 

Doch den beiden möglichen Koalitionspartnern stehen nun auch schwierige Gespräche ins Haus. Denn dadurch, dass das Infrastruktur-Geld in zusätzliche Vorhaben fließen muss, müssen sie für alles andere Geld im normalen Haushalt finden – und wahrscheinlich an einigen Stellen einsparen. Das auszuhandeln, wird nicht einfach sein. 

Wo käme das Geld her – und wer muss die Zeche zahlen?

Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden – anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen Haushalten Zinsen zahlen.

Konsequenzen könnten die Pläne jetzt schon zum Beispiel für Hausbauer haben. Direkt nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – das hängt mit der Rendite von Bundesanleihen zusammen. Ob der Effekt dauerhaft anhält, lässt sich nicht seriös vorhersagen.

Wie geht es jetzt weiter?

Am Sonntag tagt der Haushaltsausschuss und gibt eine Beschlussempfehlung für den Bundestag ab. Der endgültige Beschluss ist dann für Dienstag geplant. Unter anderem Linke und AfD hatten versucht, die Abstimmung im alten Bundestag mit Eilanträgen vor dem Bundesverfassungsgericht zu stoppen. Das höchste deutsche Gericht verwarf diese am späten Nachmittag als unbegründet. Es stehen allerdings noch Entscheidungen zu anderen Anträgen aus, unter anderem von Bürgern.

Kann jetzt noch etwas schiefgehen?

Union, SPD und Grüne haben zusammen zwar die nötige Zweidrittelmehrheit – dafür müssen aber fast alle ihrer Abgeordneten auch zustimmen. Viele Parlamentarier des alten Bundestags sind im nächsten nicht mehr dabei. Es wird ihre letzte Abstimmung sein – und es ist denkbar, dass sie deshalb nicht wie sonst üblich entlang der Fraktionslinie abstimmen oder abwesend sind. Es könnte also eng werden mit der nötigen Mehrheit. Merz zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass der Puffer von 31 Stimmen ausreichen werde. Dröge sagte, man habe sehr viele positive Rückmeldungen von den eigenen Abgeordneten zum Verhandlungsergebnis bekommen. Klingbeil sagte, er sei „fest davon überzeugt“, dass die SPD dem Paket am Dienstag zustimmt.

Welche Rolle spielt der Bundesrat?

Eine Grundgesetzänderung braucht zusätzlich zum Bundestagsbeschluss mindestens zwei Drittel der Länderstimmen – und auch die sind nicht sicher. Einige Bundesländer fordern, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden vom Infrastruktur-Topf abbekommen. Außerdem können Bundesländer nur dann zustimmen, wenn ihre Regierungskoalition eine einheitliche Linie findet – also gegebenenfalls auch mit Linken, BSW und FDP. Auch die Freien Wähler in Bayern waren zuletzt nicht überzeugt.

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