Wegen X-Post: Das ist der Jura-Professor, den Heidi Reichinnek angezeigt hat

Jura-Professor Tim Drygala ist von Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek wegen eines Schmähposts angezeigt worden. Er weist den Vorwurf der Gewaltverherrlichung zurück.

Mit Disziplinarverfahren kennt Tim Drygala sich aus. Der Leipziger Jura-Professor war Dekan seiner Fakultät, als dort 2017 ein Disziplinarverfahren gegen einen Kollegen wegen des Vorwurfs rassistischer Äußerungen auf Twitter lief. 

Nun könnte Drygala selbst ein solches Verfahren drohen – auch wegen eines Posts auf dem Kurznachrichtendienst, der inzwischen „X“ heißt. Dort postete der 62-Jährige vor einigen Wochen ein Foto von Linkenfraktionschefin Heidi Reichinnek an seinem Kühlschrank und schrieb dazu: „Unsere Kühlschranktür schließt schlecht. Man muss immer mit der Faust dagegenschlagen, damit sie richtig zu ist. Damit ich das nicht vergesse, habe ich mir jetzt einen kleinen Reminder gebastelt. Wirkt 1a.“

Für seinen Post gab es prominente Unterstützung

Vermutlich wäre sein Post im nicht eben provokationsarmen Kurznachrichtendienst weitgehend unbemerkt geblieben, zumal Drygalas Followerzahl mit knapp 6500 überschaubar ist. Doch er bekam prominente politische Unterstützung: Frauke Petry, die seit ihrem Abgang als AfD-Chefin – bislang erfolglos – versucht, sich mit einer neuen politischen Kraft zu etablieren, kommentierte und retweetete den Post mehrfach.

Kein Wunder: Im vergangenen Mai machte Drygala öffentlich, dass er sich in Petrys jüngstem Polit-Versuch „Team Freiheit“ engagiert. Ein Dokument der Bundeswahlleiterin von Anfang November listet ihn als Vizevorsitzenden; auf der offiziellen Website der Gruppe ist er hingegen nur als eines von mehreren „Team-Mitgliedern“ aufgeführt.

Heidi Reichinnek wollte den Post von Drygala nicht hinnehmen. „Jeden Tag werden mehr als 700 Frauen Opfer von körperlicher Gewalt. Wer wirklich denkt, Gewalt gegen Frauen sei ein Witz, legt genau dafür die Basis“, sagte sie der „Leipziger Volkszeitung“. Deshalb habe sie Strafanzeige erstattet.

Drygala weist die Vorwürfe zurück: „Es geht nicht um Frauen, sondern um die Person Reichinnek“, sagte er derselben Zeitung. Die Linken-Politikerin wolle „den Sozialismus in Deutschland wieder einführen“. Mit seinem Post habe er lediglich seine starke Ablehnung gegenüber der Person Reichinnek und ihrer politischen Haltung symbolisch zum Ausdruck bringen wollen.

Juristen fordern Konsequenzen für Drygala

Unterdessen zieht sein Post weiter Kreise. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz forderte die Universität Leipzig in Posts auf Facebook und X auf, angesichts der „Gewaltfantasien“ von Drygala ein Disziplinarverfahren gegen diesen zu prüfen. Zur Begründung führte Polenz, selbst Jurist, Paragrafen zur Verletzung der politischen Mäßigungspflicht, zum Verstoß gegen die Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten sowie zur Rufschädigung der Hochschule und Beeinträchtigung der dienstlichen Integrität an. 

Auch der Chemnitzer Rechtsanwalt Andreas Pitsch forderte die Abberufung Drygalas in einem Post. Es gehe nicht um Meinungsfreiheit, sondern um Menschenwürde, schreibt Pitsch darin: „Wer sie mit Füßen tritt, hat in einem Hörsaal nichts verloren.“ Das Studierendenkollektiv Leipzig, eine linke Gruppierung an der Universität, rief zu Protesten gegen Drygala auf. 

Die Universität selbst äußerte sich zurückhaltend. „Private Äußerungen auf privaten Social-Media-Accounts sind durch die Universität nicht zu verhindern oder zu bewerten“, sagte ein Sprecher der „Leipziger Volkszeitung“. Es habe aber interne Gespräche gegeben, wie das Bewusstsein für Diskriminierungsfreiheit gestärkt werden könne.

Drygala kritisierte Kollegen in „Rap-Battle“

Drygala lehrt seit fast 24 Jahren an der Universität Leipzig, ist dort Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht. 2009 errang er kurzzeitig mediale Aufmerksamkeit, weil er einen anderen Jura-Professor öffentlich kritisierte. Der Hochschulprofessor Klaus Peter Berger hatte für seine Studierenden aus Paragraf 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Schadensersatzpflicht) einen Rap-Song gemacht, damit diese ihn sich leichter merken konnten. Drygala warf dem Kollegen daraufhin via „Spiegel“ und ebenfalls in Rap-Form vor, der Komplexität des Sachverhalts nicht gerecht zu werden und nur nach Aufmerksamkeit zu streben: „Nützen tut das nur der Internet-Verbreitung, wahrscheinlich wollte hier jemand dringend in die Zeitung.“

Noch härter urteilte er über seinen Universitätskollegen Thomas Rauscher, der sich 2017 wegen mehrerer rassistischer Tweets und Äußerungen erklären musste und gegen den damals ein Disziplinarverfahren lief. Rauscher habe „sehr radikal“ getwittert, sagte Drygala als damaliger Fakultätsdekan im Interview mit dem stern. Er habe daraufhin die Kanzlerin der Universität angeschrieben, da er „dienstrechtliche Belange berührt sehe“. Zwar seien die Äußerungen von Rauscher privat getätigt worden, aber „natürlich hat dies Rückwirkungen auf das Amt und die Fakultät“.

Der Jurist sieht sich als Opfer

Für sich selbst will Drygala diese Argumentation nicht gelten lassen. Gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ betonte er, sein Account auf „X“ sei „privat“. 

Auf X vergleicht er die Kritik an ihm mit der Verfolgung von Regimekritikern im Nationalsozialismus und wirft den Kritikern einen Angriff auf die Meinungsfreiheit vor. Mehrfach spielt er auf seinen „Kühlschrank“-Tweet an. Den Original-Post hat er allerdings inzwischen vorsorglich gelöscht. 

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