Weltklimakonferenz: Was kann der Kurztrip des Kanzlers an den Amazonas bringen?

Gut 20 Stunden im Flieger für 21 Stunden in Brasilien. Mit seinem Kurztrip will der Kanzler zeigen, dass er es ernst meint mit dem Klimaschutz.

   Klimaschutz zählt sicher nicht zu den Themen, mit denen sich Kanzler Friedrich Merz in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit besonders hervorgetan hat. Mit seinen eher spärlichen Äußerungen dazu zog er vielmehr den Unmut von Klimaschützern auf sich. Zum Beispiel mit Sätzen wie diesem: „Es nützt überhaupt nichts, wenn wir allein in Deutschland klimaneutral werden. Selbst wenn wir es am heutigen Tag wären, würde sich morgen auf der Welt nichts ändern.“ 

Es war daher lange Zeit auch unklar, ob Merz sich überhaupt zur Weltklimakonferenz ins brasilianischen Amazonasgebiet aufmacht. Die Entscheidung für die Reise in die knapp 9000 Kilometer von Berlin entfernte Millionenstadt Belém fiel relativ kurzfristig. In der Nacht zu Freitag traf er nach zehn Stunden im Regierungsflieger dort ein. Nach 21 Stunden Aufenthalt geht es am Abend schon wieder zurück nach Berlin.

Warum nimmt Merz die lange Anreise auf sich?

Er will damit zeigen, dass Klimaschutz „ein zentrales Anliegen der Bundesregierung ist“ – bei Gewährleistung wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und Technologieoffenheit, wie es vor dem Abflug aus Regierungskreisen hieß. Auch wenn das banal klingt, für die UN ist die hochrangige Präsenz wichtig – vor allem, weil US-Präsident Donald Trump im Januar am ersten Tag seiner Amtszeit den erneuten Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet hat. 

Deutschland ist die drittstärkste Volkswirtschaft der Welt und gehört zu den größten Produzenten von klimaschädlichen Gasen. Wäre Merz dem Gipfeltreffen vor der eigentlichen Konferenz ferngeblieben, wäre das ein weiteres Signal gewesen, dass das Thema bei den großen Industrienationen auf der Prioritätenliste nach unten rutscht.

Worum geht es ihm noch?

Es geht Merz auch darum, „die Fahne hochzuhalten für den Multilateralismus“, wie es in seinem Umfeld heißt – also für die internationale Zusammenarbeit auf der Grundlage von gemeinsamen Regeln der Vereinten Nationen mit ihren 194 Mitgliedstaaten. Merz war im September wegen der Haushaltsberatungen im Bundestag schon der UN-Vollversammlung in New York ferngeblieben. Nun auch die zweite große UN-Konferenz des Jahres sausenzulassen, wäre dem Anspruch nicht gerecht geworden, die von den USA unter Trump massiv infrage gestellten Vereinten Nationen stützen zu wollen.

Was hat es mit dem Gipfel auf sich?

Das zweitägige Gipfeltreffen von Dutzenden Staats- und Regierungschefs soll die eigentliche Klimakonferenz mit Teilnehmern aus rund 200 Staaten vorbereiten, die offiziell erst am Montag beginnt. UN-Chef António Guterres hatte bereits am Donnerstag zum Auftakt den Ton gesetzt und radikale Schritte im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert. „Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben unter 1,5 Grad zu bleiben“, sagte er zur Bilanz des zehn Jahre alten Pariser Klimaabkommens.

Wie läuft der Tag für Merz ab?

Er hält heute eine Rede, für die nicht mehr als drei Minuten angesetzt sind. Außerdem nimmt er an Sitzungen zu den Themen „Industrielle Transformation“ und „Energiewende“ teil. Zum Abschluss ist eine Bootsfahrt auf dem Amazonas zu einem Abendessen mit Wirtschaftsvertretern geplant. Am Rande der Konferenz will Merz mehrere bilaterale Gespräche führen, unter anderem mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Was bringt der Kanzler zur Konferenz mit?

Er hat zunächst einmal die Klimaziele im Gepäck, auf die sich die EU Anfang der Woche in letzter Minute geeinigt hat. Daneben wird es um die Finanzierung des Klimaschutzes gehen. Bei einem neuen Fonds aus staatlichen und privaten Mitteln, der die Abholzung der Regenwälder bremsen soll, will sich Deutschland substanziell einbringen. Merz finde die Initiative „sehr interessant“, heißt es aus Regierungskreisen. Wie hoch der Beitrag genau sein wird, ist noch offen. Brasilien hat als Gastgeber mit der Ankündigung von einer Milliarde US-Dollar aber eine Marke gesetzt.

Was wird aus dem Klimaclub von Merz‘ Vorgänger Olaf Scholz?

Der Klimaclub war ein Lieblingsprojekt des früheren SPD-Kanzlers. Die Idee war, dass eine Gruppe ambitionierter Staaten beim Klimaschutz voranmarschiert. Zuletzt waren mehr als 40 Staaten dabei. Und jetzt? Der Club liegt erst einmal auf Eis. „Die Ideen des Klimaclubs werden natürlich weitergeführt“, heißt es in Regierungskreisen. In welcher Form das passiert, sei aber unklar. In Belém ist jedenfalls nichts dazu geplant.

Was erwarten die Klimaschützer vom Kanzler?

Klima-Aktivistin Luisa Neubauer bemängelt, dass es der deutschen Klimapolitik an Ehrgeiz fehle. Es werde für Merz nicht leicht, in Belém „als glaubhafte Stimme für das Pariser Klimaabkommen“ aufzutreten, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Umso nachdrücklicher fordern wir den Kanzler vor der COP30 auf, nun zu beweisen, dass er den Ernst der Lage verstanden hat“. Es lohne sich, für jede eingesparte Tonne an Treibhausgasen und um jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zu kämpfen.

Warum bleibt Merz nicht länger in Lateinamerika?

Es ist Merz‘ erste Reise als Kanzler nach Lateinamerika. Eine Verlängerung bis ins Wochenende wäre durchaus möglich gewesen. An der kolumbianischen Karibikküste findet dann der EU-Lateinamerika-Gipfel statt. Den spart sich Merz jetzt aber, weil zu wenige andere Staats- und Regierungschefs zugesagt haben. Er wird von Außenminister Johann Wadephul (CDU) vertreten. Zwischen den USA und Kolumbien sowie Venezuela gibt es derzeit massive Spannungen.

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