Weltklimagipfel: Der Amazonas als Kulisse – Was bringt die Klimakonferenz?

Zehn Jahre nach dem Abkommen von Paris ist die Klimakrise alles andere als bewältigt. Stattdessen ist das Problem noch größer geworden. Nun gibt es ein Krisentreffen an einem ganz besonderen Ort.

Vor zehn Jahren brach Jubel aus in Paris: Nach zähem Ringen hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Das Pariser Klimaabkommen war geboren. Inzwischen hat sich die Krise deutlich weiter zugespitzt – und man trifft sich in Brasilien am Rande des für das Weltklima so wichtigen Tropenwalds am Amazonas.

Vor dem offiziellen Start der 30. UN-Klimakonferenz am kommenden Montag treffen sich am Donnerstag und Freitag etliche Staats- und Regierungschefs in Belém. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reist an.

Wie steht es mittlerweile ums Klima?

Laut aktueller UN-Prognose steuert die Welt mit ihrer aktuellen Klimapolitik auf 2,8 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu und reißt das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts. Das würde heißen: mehr Stürme, mehr Überschwemmungen, mehr Dürren und so weiter – von drohenden Kipppunkten mit unumkehrbaren Folgen mal ganz abgesehen. 

Bislang haben es die Menschen trotz aller Konferenzen und Pläne nicht geschafft, das Ruder herumzureißen: Die weltweiten Emissionen steigen weiterhin. Im vergangenen Jahr stiegen sie der Weltwetterorganisation (WMO) sogar so drastisch wie seit Beginn der modernen Messungen 1957 nicht. 

Und nun soll am Amazonas die Kehrtwende gelingen?

Brasilien will die Symbolkraft des Amazonas nutzen, um der Welt die Dringlichkeit vor Augen zu führen. Nehme die Entwaldung durch Abholzung noch um einige Prozent zu, verwandle sich der Regenwald in eine Savanne, warnt der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser. „Dann kippt das globale Klima. Ohne den Schutz des Amazonas gibt’s keinen Klimaschutz. Das ist eine so simple wie unbequeme wissenschaftliche Wahrheit.“ Große Waldgebiete wie der Amazonas sind natürliche Speicher für Treibhausgase – was in Bäumen und Pflanzen steckt, belastet nicht das Klima.

Mit Brasilien findet der Klimagipfel nach drei Jahren in autoritär regierten Staaten – Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan – erstmals wieder in einem demokratischen Land statt, das mehr Raum für Proteste von Aktivistinnen und Aktivisten bietet.

Doch die Vorzeichen sind nicht die besten. Kriege und andere Krisen lassen das Klima auf der Prioritätenliste vieler Regierungen nach unten rutschen, fast überall sind die Kassen klamm. Die Öl- und Gaslobby will die Energiewende ausbremsen – und hat mit US-Präsident Donald Trump einen mächtigen Unterstützer bekommen.

Lässt Trump sich in Brasilien blicken?

In Belém wird der US-Präsident nicht erwartet – schon am ersten Tag seines Amtsantritts hatte er im Januar den erneuten Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Wirksam wird dieser Austritt allerdings erst ein Jahr später. „Die Amerikaner könnten also theoretisch zur Konferenz reisen und dort die Verhandlungen nach Kräften sabotieren“, erklärt Experte Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Allerdings ist gut möglich, dass sie gar keine Unterhändler schicken werden – mit Blick auf die Haltung der Trump-Administration zum Klimawandel wohl das bessere der möglichen Szenarien.“

Als Elefant im Raum dürfte Trump trotzdem präsent sein: Mit dem Rückzug der USA fehlt Geld – sowohl für die UN-Konferenzen als auch bei der für die ärmeren Länder so wichtigen Unterstützung bei Klimaschutz und Anpassung an die steigenden Temperaturen und ihre Folgen.

Worum geht es bei der Konferenz konkret?

Viele Staaten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht: Nur rund ein Drittel hat entgegen aller Verpflichtungen überhaupt bis zur Konferenz neue Klimaschutzpläne bis zum Jahr 2035 eingereicht – und die vorliegenden reichen zur Eindämmung der Krise nicht aus. „In den kommenden Jahren bis 2035 muss deutlich mehr geschehen, als das übliche „business as usual““, betont Kaiser. „Mit Blick auf die unzureichenden Klimaschutzpläne der Staaten steht im Mittelpunkt der Konferenz, wie die für unser Überleben notwendige Begrenzung der globalen Erwärmung noch geschafft werden kann.“

Auf der offiziellen Agenda steht vor allem die Anpassung an die Klimafolgen. Hier brauche es Indikatoren, die Fortschritte messbar machen, erklärt Laura Schäfer, die bei der Organisation Germanwatch den Bereich Internationale Klimapolitik leitet. „Dazu brauchen die ärmsten und verletzlichsten Länder Klarheit und Verlässlichkeit, wie sie bei Maßnahmen für Klimaschutz und dem Umgang mit Klimawandelfolgen finanziell unterstützt werden.“

Gastgeber Brasilien will als Erfolg der Konferenz einen neuen, milliardenschweren Fonds zum Schutz tropischer Regenwälder etablieren. Länder, die ihre Tropenwälder erhalten, sollen belohnt werden. Für jeden zerstörten Hektar sollen hingegen üppige Strafen fällig werden und in den Fonds fließen.

Welche Rolle spielen Deutschland und die EU?

Deutschland und die EU galten auf den Klimakonferenzen lange als Kämpfer für mehr Ehrgeiz – doch diese Zeiten haben sich geändert. Wegen enormer Widerstände hat sich die EU erst in letzter Minute auf das für die Konferenz fällige Klimaziel bis 2035 geeinigt. Die EU will nun bei ihren angestrebten Emissionsminderungen bis zu fünf Prozentpunkte schon ab 2031 durch Klimazertifikate aus dem Ausland erzielen. 

Der Klimaforscher Niklas Höhne vom NewClimate Institute bezeichnete dies als Rückschritt, der es auch unwahrscheinlicher mache, tatsächlich bis 2050 klimaneutral werden zu können. Die EU lasse nun Zertifikate zu, die sie noch für ihr 2030er-Ziel wegen Zweifeln an ihrer Seriosität ausgeschlossen habe.

Was hat Merz in Brasilien vor?

Lange Zeit war unklar, ob er sich in Brasilien überhaupt blicken lassen würde. Der Klimaschutz hat keinen zentralen Platz auf seiner Agenda. Während seiner heute genau sechsmonatigen Kanzlerschaft hat er mit solchen Sätzen den Unmut von Klimaschützern auf sich gezogen: „Es nützt überhaupt nichts, wenn wir allein in Deutschland klimaneutral werden. Selbst wenn wir es am heutigen Tag wären, würde sich morgen auf der Welt nichts ändern.“ 

Jetzt heißt es aus seinem Umfeld, Merz wolle die Bedeutung des Klimaschutzes für die Bundesregierung unterstreichen und sich zu den europäischen Klimaschutzzielen bekennen. Regierungssprecher Stefan Kornelius hob hervor, dass die Entscheidung der EU-Umweltminister, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, „die Reise begleiten wird“. 

Was wäre ein Erfolg in Brasilien?

Im besten Fall würde ein Paket beschlossen, „um alle notwendigen Schritte zu gehen, damit die globale Erwärmung doch noch unter 1,5-Grad-Pfad stabilisiert werden kann“, betont Kaiser – inklusive eines verbindlichen Plans zum Ausstieg aus fossilen Energien. Bei der vergangenen Klimakonferenz hatten Ölstaaten wie Saudi-Arabien versucht, eine Vereinbarung zum angestrebten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu blockieren. 

Zudem wäre Beobachtern zufolge wichtig, Zusagen an ärmere Länder mit Geld zu unterfüttern. Im vergangenen Jahr in Aserbaidschan waren diese heiklen Fragen zum Teil aufgeschoben worden.

Ist das Pariser Abkommen gescheitert?

Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Ohne das Abkommen wäre die Welt auf einem noch schlechteren Kurs – nämlich vier bis fünf Grad Erderwärmung, wie sie zuvor prognostiziert wurden. „Das Pariser Klimaabkommen hat etwas ins Rollen gebracht und das ist überhaupt nicht mehr aufzuhalten“, hält Klimaforscher Höhne etwa mit Blick auf den rasanten Ausbau erneuerbarer Energien fest. Die Welt habe sich verändert und das werde auch weitergehen. 

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