Mit der prominent besetzten Verfilmung von Oskar Maria Grafs pazifistischem Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“ erinnert Regisseur Matti Geschonneck im Rahmen des ZDF-Programmschwerpunkts „Gegen das Vergessen – 80 Jahre Kriegsende“ an das Erstarken des Faschismus und setzt damit ein hochaktuelles Zeichen: „Sturm kommt auf“.
Mit dem Programmschwerpunkt „Gegen das Vergessen – 80 Jahre Kriegsende“ erinnert das ZDF ab Dienstag, 4. November, senderübergreifend mit Dokumentationen und Spielfilmen an das wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Den Abschluss der Themenwoche bildet am Montagabend der historische Zweiteiler „Sturm kommt auf“, eine Koproduktion von ZDF und ORF, inszeniert von Matti Geschonneck („Die Wannseekonferenz“) nach dem Drehbuch von Hannah Hollinger.
Der in der bayerischen Provinz spielende Film basiert auf dem Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“ des Schriftstellers Oskar Maria Graf. In der Hauptrolle des Schusters Julius Kraus überzeugt Josef Hader, in weiteren Rollen sind unter anderem Sigi und David Zimmerschied, Verena Altenberger, Helmfried von Lüttichau, Sebastian Bezzel und Antonia Bill zu sehen.
Die Handlung beginnt 1918, der Erste Weltkrieg wirkt noch nach, der Nationalismus erstarkt bereits. Teil zwei springt ins Jahr 1933, das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg ist nicht mehr weit. Eine Zeit, in der man sich, aus heutiger Sicht, hätte positionieren müssen, um die Katastrophe zu verhindern.
Das Erstarken der Nationalisten nach dem Ersten Weltkrieg
Der angepasste Schuster Kraus hält sich allerdings schon immer aus allem heraus. Bloß nicht auffallen, so seine Devise. Dass er jüdischer Herkunft ist, war nie ein Thema, den anderen Dorfbewohnern war es wohl nicht einmal bekannt. Doch nun könnte es zur lebensgefährlichen Tatsache werden. Kraus‘ Nemesis ist Silvan Heingeiger, der Sohn seines Nachbarn und Freundes Silvan senior (Sigi Zimmerschied). Frederic Linkemann spielt den wohl absichtlich schablonenhaft gezeichneten Bösewicht erschreckend überzeugend: in Teil eins als Leutnant des Freikorps, in Teil zwei als Sturmführer der SA. Silvan hasst Juden, Kommunisten – und deren Helfer. Er ahnt nicht, dass der neutrale Kraus den Rotgardisten Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel) versteckt.
Eine zentrale Rolle im ersten Film spielt auch Silvans Schwester, die ledige Mutter Elies (Verena Altenberger). Sie hilft dem verwitweten Schuster im Haushalt und würde ihn gerne heiraten, schon um ihrem brutalen Bruder zu entkommen. Doch auch das weiß Silvan auf grausame Weise zu verhindern …
Wie man es von ihm kennt, erzählt Matti Geschonneck die Geschichte des Aufkeimens und Erstarkens des Faschismus bedächtig, stellenweise für das Publikum der insgesamt 180-minütigen Literaturadaption im Heimatfilmgewand womöglich sogar zu ruhig. Der erste Teil, der die Anfänge des Bösen zeigt, überzeugt dabei mehr als der zweite, welcher – bei allem Schrecken, den er vor allem durch Josef Haders berührendes Spiel vermittelt – stellenweise arg konstruiert wirkt, etwa wenn der unauffällige Kraus durch ein Millionenerbe plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Der Film ist „eine Art Wake-up-Call“
Oskar Maria Grafs Roman erschien 1947. Der als Sozialist und Querkopf bekannte Schriftsteller lebte da schon fast zehn Jahre im Exil in New York, blieb seiner bayerischen Heimat aber tief verbunden. Graf war stets ein Rebell gegen Ideologie und Zwang. Die Verfilmung seines pazifistischen Werkes läuft nun nicht nur 80 Jahre nach Kriegsende, sondern auch einen Tag nach dem 87. Jahrestag der Reichspogromnacht sowie dem 90. Jahrestag des Erlasses der Nürnberger Rassengesetze, die den Holocaust vorbereiteten. Der Zweiteiler vermittelt so die bekannte, immer gültige Botschaft: Wehret den Anfängen.
Auch Hauptdarsteller Josef Hader betont die Aktualität des Stoffes: „Die Unversöhnlichkeit der politischen Lager in der Zwischenkriegszeit, die gelähmte Demokratie, die Sehnsucht nach großen Führern … das alles wiederholt sich gerade auf gespenstische Weise.“ Und Frederic Linkemann ergänzt: „Gerade in einer heute eher düster wirkenden Gesellschaft ist dieser Film eine Art Wake-up-Call: ‚Schaut hin, wie gewisse Dynamiken eine Gesellschaft spalten und verändern können, bis es vielleicht zu spät ist‘.“
„Sturm kommt auf“ ist bereits eine Woche vorab in der Mediathek abrufbar. Von Regisseur Matti Geschonneck sind im Rahmen des Programmschwerpunktes zudem die Filme „Das Zeugenhaus“ (Mittwoch, 5. November, bei 3sat) und „Die Wannseekonferenz“ (Samstag, 8. November, bei ZDFneo) zu sehen, beide auch vorab in der Mediathek.
„Sturm kommt auf“ – Mo. 10.11. – ZDF: 20.15 Uhr