Medizinische Versorgung: Rund 520 Behandlungsfehler in NRW ermittelt

Orthopädie, Chirurgie und Zahnmedizin stehen im Fokus: In NRW wurden 2024 mehr als 2.000 Vorwürfe auf Behandlungsfehler geprüft – mit ernsten Folgen für Patienten.

Mehr als 2.000 Vorwürfe auf Behandlungsfehler haben die Medizinischen Dienste im bevölkerungsreichsten Bundesland 2024 geprüft. Dabei wurde rund 520 Mal ein Behandlungsfehler bestätigt, also in etwa einem Viertel der Fälle, wie aus den Mitteilungen der Begutachtungsdienste Nordrhein und Westfalen-Lippe hervorgeht. 

Mit etwa einem Drittel richteten sich die meisten Vorwürfe gegen Orthopädie und Chirurgie oder Unfallchirurgie. Danach folgten Zahnmedizin und auf dem dritten Platz Gynäkologie und Geburtshilfe.

Viele Behandlungsfehler bleiben unerkannt

Die veröffentlichten Zahlen spiegelten nur einen Ausschnitt der tatsächlichen Behandlungsfehler wider, so der Medizinische Dienst Nordrhein. Zahlreiche Fälle blieben unbekannt, weil sie nicht zentral erfasst oder von Betroffenen nicht als Fehler erkannt würden. 

Im Bereich Nordrhein erstellten die Gutachter der Krankenkassen 2024 insgesamt 1.361 Berichte zu vermuteten Fehlern. Dabei ging es in 893 Fällen um Behandlungen im Krankenhaus. Der Vorwurf auf einen Behandlungsfehler bestätigte sich in etwa 30,6 Prozent der Gutachten. 

In der Region Westfalen-Lippe prüfte der Medizinische Dienst 727 Vorwürfe. In 104 Fällen wurde ein Behandlungsfehler bestätigt, in 77 Fällen trat für die Patienten auch tatsächlich ein Schaden ein.

Fehler verursachen Leid und Kosten

Behandlungsfehler verursachten nicht nur Leid bei den geschädigten Patientinnen und Patienten, sie produzierten auch Kosten, sagte der Vorstandsvorsitzende in Westfalen-Lippe, Martin Rieger. Nach einem Behandlungsfehler seien oft Nachuntersuchungen und weitere Eingriffe bis hin zu erneuten Operationen notwendig. Es entstünden Kosten durch Arbeitsausfälle, Invalidität oder Pflegebedürftigkeit. Durch die Aufklärung von Behandlungsfehlern werde das Vertrauen in das Gesundheitssystem gestärkt und am Ende die Patientensicherheit erhöht.

Was können Versicherte tun?

Wird eine Behandlung nicht angemessen, sorgfältig, richtig oder zeitgerecht durchführt, dann spricht man von einem Behandlungsfehler. Wenn Versicherte solche Versehen vermuten, können sie sich zunächst an ihre Krankenkasse wenden, die dann ein Sachverständigengutachten beim Medizinischen Dienst beauftragen kann. Den Versicherten entstehen durch die Begutachtung keine Kosten.

Bundesweit hat der Medizinische Dienst 2024 in rund 3.700 Fällen Behandlungsfehler festgestellt. Insgesamt wurden rund 12.300 Verdachtsfälle untersucht. Demnach bestätigte sich mehr als jeder vierte Vorwurf eines Fehlers. 

Patientenschützer: Nur die Spitze des Eisbergs

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz geht von einer hohen Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern aus. Die vorgestellten Zahlen des Medizinischen Dienstes seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Immer noch fehlt eine gelebte Fehlerkultur in der ambulant-ärztlichen Versorgung und in den Krankenhäusern“, so Brysch. Medizinische Einrichtungen bräuchten ein transparentes System- dazu zählten auch manipulationssichere Patientenakten. 

Hinzu komme: Selbst wenn ein Behandlungsfehler angenommen werde, warteten Betroffene oft viele Jahre auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Brysch forderte, dass der seit langem von der Politik versprochene Härtefallfonds endlich kommen müsse.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert