Inside Schule: Sechs Bundesländer haben keinen Überblick zu rechtsextremen Vorfällen an Schulen

Wie viele rechtsextreme Vorfälle ereignen sich an deutschen Schulen? Schwer zu sagen. Sogar für die Behörden, wie eine exklusive stern-Abfrage zeigt.

In mehr als jedem dritten Bundesland erfassen die Schulämter keine rechtsextremen Vorfälle an Schulen. Das ergab eine Abfrage von stern und RTL bei den Kultusministerien der Länder. Betroffen sind demnach Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. 

Die genannten Länder stützen sich auf Polizeistatistiken, die tendenziell ungeeignet scheinen, das Ausmaß des Phänomens realitätsnah abzubilden. In anderen Bundesländern liegen die Zahlen der Polizei oft deutlich niedriger als die von den Schulämtern erfassten Zahlen.

In Baden-Württemberg zum Beispiel registrierte die Polizei im vergangenen Jahr nur acht rechtsextreme Straftaten mit dem Angriffsziel Schule, die Schulen selbst meldeten 53 rechtsextremistische Vorfälle. In Hessen lag das Verhältnis bei fünf zu 167. In Brandenburg zählte die Polizei 336 rechtsextreme Straftaten an Schulen. Die Schulämter aber erfassten 605 Vorfälle, die als fremdenfeindlich oder rechtsextremistisch gewertet wurden, wie die Abfrage im Rahmen einer crossmedialen Recherche zum Rechtsruck an Schulen ergab.

Die Unterschiede dürften eine Reihe von Gründen haben. In Ländern mit besonders niedrigen Zahlen der Polizei werden nur Straftaten gegen Schulen ausgewiesen, also Taten mit dem „Angriffsziel Schule“ – dies ist etwa in Baden-Württemberg oder Hessen der Fall. In anderen Ländern wie Brandenburg werden Straftaten an Schulen ausgewiesen, also Taten mit der „Tatörtlichkeit Schule“. 

Doch auch dort registriert die Polizei nur strafbare Handlungen. Schulen erfassen hingegen auch Fälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. So ist beispielsweise das Aufmalen eines Hakenkreuzes an die Schultafel nicht zwangsläufig strafbar. Ein Klassenraum gelte nicht als „öffentlich“ im Sinne des §86a StGB, erklärt Christoph Safferling, Professor für Strafrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg gegenüber stern und RTL. Werde das Symbol außen auf die Wand des Schulgebäudes gepinselt, sei der Straftatbestand hingegen erfüllt. 

Rechtsextremismus an Schulen wird nicht überall erfasst

Obwohl die Polizeistatistiken also tendenziell niedrigere Zahlen ausweisen, erfolgt eine systematische schulische Erfassung von rechtsextremen Vorfällen an Schulen nur in zehn Bundesländern. Neben Baden-Württemberg, Brandenburg und Hessen zählen dazu Hamburg, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Nur in Sachsen registrierte die Polizei im Jahr 2024 mit 195 Fällen knapp 40 mehr als die Schulen selbst. Im Saarland gab es keine Diskrepanz, Thüringen lieferte auf Nachfrage keine aktuellen Zahlen. In den restlichen Ländern waren die Unterschiede nicht ermittelbar, weil die dortigen Schulämter die Vorfälle pro Schuljahr erfassen, die Polizei die Straftaten aber pro Kalenderjahr erfasst.

Die Zahlen der Bundesländer sind untereinander schwer zu vergleichen. In der Statistik des Kriminalpolizeilichen Meldediensts, auf denen die Zahlen der Polizei basieren, bilden Straftaten an Schulen keine eigene Kategorie. Daher wertet jedes Land die Daten nach eigenen Kriterien aus. Auch die schulische Dokumentation erfolgt nicht nach einheitlichen Kriterien.  

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert