In Sachsen befindet sich mancherorts eine gefährliche militärische Altlast im Boden. Nun wird vermehrt eine Beräumung der Flächen gefordert. Doch die Kosten sind enorm.
Die Sorgen um munitionsbelastete Flächen in Sachsen werden auch 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht kleiner. Nachdem im politischen Raum Forderungen nach einer Beseitigung militärischer Altlasten etwa in der Gohrischheide auftauchten, meldeten sich die Experten vom Kampfmittelbeseitigungsdienst der Polizei zu Worten und wiesen auf Gefahren für die Natur hin.
Es geht nicht nur um Gefahrenabwehr, auch um Naturschutz
„Die schützende Hülle der Kampfmittel ist irgendwann durch Korrosion weg“, sagte André Mauermeister, Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. So würden Inhaltsstoffe in den Boden eindringen – mit Konsequenzen für Fauna, Flora und das Wasser. Dann gehe es nicht mehr nur um Gefahrenabwehr, sondern um den Naturschutz. „Ich plädiere dafür, dass man sich diesem Thema kontinuierlich widmet.“ Es gehe darum, eine Balance zu schaffen, einen Königsweg gebe es dabei nicht.
BSW verlangt systematische Beräumung betroffener Flächen
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte am Mittwoch eine systematische Beräumung munitionsbelasteter Flächen in sächsischen Wäldern verlangt und einen entsprechenden Antrag im Landtag angekündigt. „Dass in der Gohrischheide nach Jahrzehnten militärischer Nutzung bis heute weniger als ein Prozent der Fläche beräumt wurde, ist ein sicherheitspolitischer Skandal. Hier droht jederzeit eine Katastrophe – nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen, die dort leben, arbeiten oder Brände löschen müssen“, erklärte der Abgeordnete Jens Hentschel-Thöricht.
Beseitigung ist technologisch machbar, aber schwierig und teuer
Nach Darstellung von Mauermeister ist die Beseitigung von Munition auf ehemaligen Militärgelände wie dem in der Gohrischheide technologisch möglich, jedoch schwierig und teuer. Gerade bei einem Naturschutzgebiet könne es sein, dass von dem ursprünglichen Gebiet nicht mehr viel übrig bleibe. Denn der Boden müsse quasi „umgedreht“ werden. Je nach früherer Nutzung liege Munition in verschiedenen Tiefen. Wenn das Gelände etwa wie in Belgern als Übungsplatz für Bombenabwürfe gedient habe, könnten die Sprengkörper bis zu vier Meter tief im Boden liegen.
BSW sieht auch den Bund und die Bundeswehr in der Pflicht
Das BSW sieht dabei auch den Bund und die Bundeswehr in der Pflicht. Es könne nicht sein, dass beide ihre historische Verantwortung abwälzen und die Länder mit dieser Last allein lassen. „Wenn sich alte Munition bei Hitze entzündet oder bei Waldbränden detoniert, steht die öffentliche Sicherheit auf dem Spiel. Diese Gefahr ist bekannt – und sie darf nicht weiter ignoriert werden“, so Hentschel-Thöricht.
Vorschlag für Sonderfonds zur Finanzierung dieser Aufgabe
Konkret sieht der Antrag vor, einen bundesweiten Sonderfonds zur Finanzierung der Beräumung munitionsbelasteter Flächen zu schaffen und eine Koordinierungsstelle auf Landesebene einzurichten. Besonders gefährdete Gebiete wie die Gohrischheide sollen vorrangig behandelt und die Bundeswehr mit ihren Pioniereinheiten aktiv in die Räumung einbezogen werden. „Hier geht es nicht um Parteipolitik, sondern um Verantwortung“, betonte der Abgeordnete: „Die Gefahr ist real und sie wächst mit jedem Sommer. Sachsen braucht jetzt ein gemeinsames Vorgehen von Bund, Land und Bundeswehr – sonst drohen die nächsten Brände zu Katastrophen zu werden.“
Bislang nur Beräumung von Flächen in der Gohrischheide geplant
Bislang ist geplant, zum Schutz von Feuerwehr und Einsatzkräften bei künftigen Bränden einzelne Flächen in der Gohrischheide von alter Munition zu befreien – für Zufahrtswege. Man prüfe in sensiblen Bereichen, welche Erleichterungen dort der Feuerwehr verschafft werden könnten, hatte Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) gesagt. Eine Räumung des kompletten 2.000 Hektar großen Gebiets lehnte er aus Kostengründen ab. Jeder Hektar koste eine Million Euro. „Aber in einzelnen Punkten wollen wir noch mal genau hingucken.“
Größter Waldbrand in Sachsen seit Jahrzehnten
Die Gohrischheide ist ein Naturschutzgebiet auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz und vor allem mit Munition aus den beiden Weltkriegen belastet. Am 1. Juli brach dort ein verheerender Waldbrand aus. Die Löscharbeiten gestalteten sich wegen der Altmunition als schwierig und hielten tagelang Hunderte Feuerwehrleute und weitere Einsatzkräfte in Atem. Sachsenforst stufte das Feuer als größten Waldbrand der vergangenen Jahrzehnte in Sachsen ein. Mehr als drei Viertel des Naturschutzgebietes waren betroffen. Als Ursache gilt Selbstentzündung von Altmunition.
Grüne verlangen Strategie zum Umgang mit betroffenen Flächen
Auch die Grünen hatten kürzlich eine Strategie zum Umgang mit munitionsbelasteten Flächen gefordert. „Munitionsbelastung bedeutet eine akute Gefahr für Feuerwehr, THW und Polizei im Einsatzfall sowie eine dauerhafte Bedrohung für Böden und Grundwasser“, sagte der Abgeordnete Wolfram Günther.
Altlasten aus Kriegszeiten belasten Sachsen
In Sachsen gibt es mehrere ehemalige Truppenübungsplätze und Munitionslager, die mit Altmunition aus beiden Weltkriegen sowie der militärischen Nutzung danach belastet sind. Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit 2012 mehr als 2.100 Tonnen Kampfmittel geborgen. Nach Angaben des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ist etwa im gesamten ostsächsischen Raum mit Belastungen zu rechnen. Als Hotspots gelten neben der Gohrischheide die früheren Übungsplätze Belgern sowie Königsbrück und Zeithain.