Fragen und Antworten: Was hat es mit den Drohnen über Norddeutschland auf sich?

Drohnensichtungen über Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sorgen für Wirbel. Spähen Flugobjekte kritische Infrastruktur aus? Welche Erkenntnisse die Behörden haben.

Wo wurden die Drohnen gesichtet?

Laut einem internen Behördenvermerk, das dem „Spiegel“ vorliegt, seien vergangenen Donnerstag, kurz nach 21 Uhr, zunächst zwei kleine Drohnen über dem Werksgelände der Marinesparte von Thyssenkrupp in Kiel beobachtet worden. Ein Werftsprecher bestätigte der Deutschen Presse-Agentur zwar die Drohnen-Sichtungen. Über deren Herkunft habe man aber „keine Kenntnis.“ 

Laut Magazin wurde kurz darauf auch über dem Universitätsklinikum ein „Drohnenverbund mit Mutterdrohne“ gesichtet. Zudem sei eine ähnliche Formation über dem Kieler Gaskraftwerk und am Nord-Ostsee-Kanal gesehen worden. Außerdem wurden später eine große stationäre Drohne und mehrere kleine Flugobjekte über der Kieler Förde beobachtet. Auch über der Raffinerie in Heide gab es Sichtungen. In dem Vermerk ist laut „Spiegel“ davon die Rede, dass die Drohnen in parallelen Bahnen flogen, offenbar um die Einrichtungen am Boden genau zu vermessen.

Wie das Nachrichtenmagazin berichtet, sollen Drohnen jüngst auch im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern über einem Bundeswehrstandort in Sanitz, über dem Marinekommando in Rostock und über dem dortigen Überseehafen gesichtet worden sein. 

Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen?

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln auf Hochtouren. Bei einem Großteil der Sichtungen in der Nacht auf Freitag konnten Experten illegale, kritische Drohnen-Überflüge mittlerweile aber ausschließen, wie Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags sagte. „Dazu gehören zum Beispiel Flugzeuge, Hubschrauber und auch legale Drohnen.“

Einige dieser Sichtungen, auch über militärische Einrichtungen, konnten bislang jedoch nicht verifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. 

Was sollten die Drohnen erreichen?

Laut internen Informationen, die dem „Spiegel“ vorliegen, gehen die Behörden dem Verdacht nach, wonach die Drohnen vor allem kritische Infrastruktur ausspähen und vermessen sollten. Wegen der teilweise im Verbund erfolgten Drohnenüberflüge liege der Anfangsverdacht einer Straftat des sicherheitsgefährdenden Abbildens vor, sagte auch die Leitende Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp.

Wer steckt dahinter?

Das ist weiter unklar. Einen Bericht der „Bild“-Zeitung darüber, dass die Drohnen nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden von einem Schiff unter fremder Flagge in der Ostsee gestartet sind, das in Richtung Russland unterwegs war, wollte Schleswig-Holsteins Innenministerin weder bestätigen noch dementieren. Laut dem Blatt soll es sich um ein Schiff der sogenannten Schattenflotte handeln, mit der Russland Sanktionen etwa gegen Ölexporte umgehen will. 

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte lediglich, „es ist klar, dass die Drohnenüberflüge in verschiedenen EU-Staaten, Deutschland und bei uns in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem der Verunsicherung und Destabilisierung dienen soll. Genauso wie Desinformationen im Internet, Spionage- und Sabotageversuche, sind das Mittel der hybriden Kriegsführung.“ 

Besteht eine Gefahr?

Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Sicherheitsbehörden lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt keine qualitativ gesteigerte und konkrete Gefährdungslage ableiten. Die Situation sei laut der Innenministerin seit August 2024 unverändert. Es könne daher nicht von einer sich „verschärfenden“ Sicherheitslage gesprochen werden. Vor gut einem Jahr hatte es auch in Schleswig-Holstein bereits Drohnensichtungen gegeben.

Wie die „Welt“ berichtet, steigt die Zahl der Drohnensichtungen in vielen Teilen Deutschlands. In Brandenburg etwa seien bis September bereits dreimal mehr Drohnen vermerkt worden als noch 2024, Niedersachsen sein dieses Jahr bereits 272 Flugobjekte „oder auffällige Positionslichter“ gesichtet worden, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. 

Wer ist zuständig?

Laut „Welt“ gibt es in solchen Fällen derzeit noch Unklarheiten bei der Zuständigkeit. Noch sei größtenteils die Polizei verantwortlich. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wolle das ändern – zukünftig soll das Verteidigungsministerium die ungebetenen Besucher aus der Luft holen – zumindest dann, wenn die Drohnen eine potenzielle Bedrohung darstellten. Dazu müsste allerdings das Luftsicherheitsgesetz, vielleicht sogar das Grundgesetz geändert werden, man spreche bereits darüber.

Welche Gegenmaßnahmen werden ergriffen?

Unter dem Eindruck der jüngsten Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets und Kamikaze-Drohnen wollten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in Kopenhagen über gemeinsame Anstrengungen für bessere Abschreckung und Verteidigung beraten. Bereits auf dem Tisch liegen Pläne für einen sogenannten Drohnenwall, der mit modernster Technik das Erkennen, Verfolgen und Abfangen von unbemannten Flugkörpern ermöglichen soll. Er soll möglichst schnell an der Ostflanke der EU aufgebaut werden.

Ministerpräsident Günther begrüßte Pläne der Bundesregierung, bei der Drohnenabwehr aufzurüsten und die Befugnisse der Bundeswehr zu erweitern. „In Schleswig-Holstein, mit unserer Lage als Drehkreuz im Ostseeraum, sind wir längst aktiv geworden: Wir haben bereits 2024 Geräte zur Drohnenabwehr beschafft, unsere Landespolizei hat ein Konzept zur Drohnenabwehr entwickelt.“ 

„Wir sind nicht im Krieg, freilich auch nicht richtig im Frieden. Wir müssen bundesweit die Fähigkeit zur Drohnenabwehr stärken“, zitiert die „Welt“ Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl, der Bund und Länder auffordert, ihre Kompetenzen zu bündeln. Sein Amtskollege aus Sachsen, Armin Schuster, denkt laut „Welt“ sogar über eine paramilitärische Bundespolizei nach, ähnlich der französische zur Gendarmerie.

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