Zweifel an der politischen Elite, Radikalisierung des rechten Rands und antidemokratische Tendenzen. Was bedeuten die Ergebnisse des Rheinland-Pfalz-Monitors für den Wahlkampf?
Die Zufriedenheit der Rheinland-Pfälzer mit dem Funktionieren der Demokratie nimmt ab und die rechtsextremen Ränder haben sich radikalisiert. Das hat der „Rheinland-Pfalz-Monitor“ fünf Monate vor der Landtagswahl zutage gebracht. Verschwörungsdenken hat der repräsentativen Studie zufolge zugenommen und eine knappe Mehrheit (52 Prozent) ist der Auffassung, Politiker handelten gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung. Was bedeuten diese Ergebnisse für den Wahlkampf?
Arzheimer: Ergebnisse erschreckend, aber nicht dramatisch
Der Politologe Kai Arzheimer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, findet die Ergebnisse zu antidemokratischen Einstellungen, Verschwörungsmythen und der gewachsenen Gewaltbereitschaft am rechten Rand „ziemlich erschreckend“.
Die Veränderungen gegenüber den Aussagen des ersten Monitors von 2023 seien allerdings nicht „so wahnsinnig groß“, sagt der Politikwissenschaftler der Deutschen Presse-Agentur. Auch im Vergleich zum Bund und anderen Bundesländer-Studien zur politischen Kultur steche Rheinland-Pfalz nicht heraus.
Der Fachmann für Innenpolitik und Politische Soziologie sieht daher keine „dramatische Entwicklung“, sondern „eher eine Stagnation auf einem Niveau, das natürlich nicht zufriedenstellend ist“.
Zuhören allein reicht nicht – klar widersprechen
Seit Pegida vor rund zehn Jahren sei klar, dass besorgte Bürger ernst genommen und ihnen zugehört werden müsse, sagt Arzheimer. „Die große Mehrheit denkt aber anders und ist selbst besorgt wegen dieser politischen Entwicklungen.“
„Politiker und Politikerinnen müssen Bürgern immer zuhören, aber sie müssen diesen populistischen Erzählungen auch ganz klar widersprechen und etwas Positives entgegensetzen“, betont der Fachmann.
Dies gelte sowohl für Landtagsdebatten als auch für den Wahlkampf und Interviews mit Medien. Nicht so tun, als ob es nur noch um den Populismus und die Zuwanderungsfeindlichkeit gehe, lautet Arzheimers Empfehlung. „Man muss auch den Mut zur eigenen Position haben.“
Respekt im Landtagswahlkampf
„Im Land geht es immer um die Frage, wen hätte man gerne als Ministerpräsidenten oder Ministerpräsidentin“, sagt Arzheimer. „Ich halte es für sinnvoll, dass die demokratischen Parteien respektvoll miteinander und mit den Wählerinnen und Wählern umgehen.“
„Die Persönlichkeiten sind schon wichtig, aber ich glaube auch, dass alle Beteiligten verstanden haben, was bei allen Wahlen momentan auf dem Spiel steht und es niemanden etwas bringt, sich in persönliche Anfeindungen zu verstricken. Das nutzt wirklich nur den Radikalen.“
Rechtsaußen kann man nicht rechts überholen
„Der Ernst der Lage ist auch den meisten im Bund klar. Ob man immer die richtigen Schlüsse daraus zieht, ist eine andere Frage“, sagt Arzheimer. Politikwissenschaftler erklärten bei jeder Gelegenheit, „dass es nicht sinnvoll ist, Rechtsaußenparteien rechts einzuholen oder überholen zu wollen, weil das wirklich nach hinten losgeht“, betont der Professor.
Allerdings: „Das hat sich noch nicht bei allen festgesetzt. So beschäftige sich jetzt beispielsweise Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auch mit Syrien und der Frage der Abschiebung in das Land. Die Prioritäten sollten vielleicht andere sein“, sagt Arzheimer. Diese neue große Debatte in der Innenpolitik sei nicht zielführend. „Und das müsste eigentlich allen klar sein.“
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte bei einem Besuch im vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. Dagegen dringt der Kanzler auf eine schnelle Wiederaufnahme der Abschiebungen nach Syrien.
Zuversicht und Zukunftsfreude statt Weltuntergangsstimmung
„Wir müssen noch deutlicher machen, dass und wie wir die Probleme und Sorgen der Menschen anpacken“, schließt die Regierungspartei SPD in Mainz aus dem Monitor. „Einer toxischen Weltuntergangsstimmung setzen wir Zuversicht und Zukunftsfreude entgegen.“
Die politische Mitte in Rheinland-Pfalz sei stark und trage die Demokratie – auch das zeige der Monitor, hebt die SPD hervor. „Gleichzeitig wird deutlich, dass es an den politischen Rändern, insbesondere im rechtsextremen Spektrum, antidemokratische Einstellungen gibt.“ Antidemokratische Kräfte und hybride Kriegsführung hätten ein gemeinsames Ziel: „Vertrauen in unsere Institutionen und den Staat zu zerstören.“ Dem trete die SPD entgegen.
CDU setzt auf Themen, die die Menschen beschäftigen
Der CDU-Spitzenkandidat Gordon Schnieder beschreibt seine Strategie so: „Ich setze im Wahlkampf auf die Themen, die die Menschen wirklich beschäftigen.“ Welche das sind, hat er schon ausgemacht: „Bei Migration, Wirtschaft und Bildung trauen sie der CDU Rheinland-Pfalz am ehesten zu, die Probleme zu lösen. Darauf legen wir unseren Fokus.“
Grüne wollen Demokratie stärken und AfD-Verbotsverfahren einleiten
Die Landesvorsitzenden der Grünen, Natalie Cramme-Hill und Paul Bunjes, nehmen die im Monitor sichtbar gewachsenen antidemokratischen Tendenzen mit großer Sorge wahr, wie sie mitteilten. Zugleich sei aber auch ein „starkes demokratisches Fundament“ bei den Menschen auszumachen, stellen auch sie fest.
Ihre Partei werde auch nach der Landtagswahl entschieden gegen Verschwörungsglaube, Radikalisierung und menschenverachtende Angriffe vorgehen, kündigen die Grünen an. Initiativen zur Förderung der Demokratie und gegen Extremismus müssten weiter finanziell gesichert – und ein AfD-Parteiverbotsverfahren eingeleitet werden.