Vor 500 Jahren spaltete Martin Luther mit seinem Protest die Kirche. Heute ist fast die Hälfte der Christen in Deutschland evangelisch. Die Geschichte eines Rebellen.
Wenn hierzulande Religion auf dem Stundenplan steht, trennen sich an vielen Schulen die Wege: Die einen gehen zum evangelischen Unterricht, die anderen zum katholischen. Erst gab es nur die römisch-katholische Kirche. Doch dann kam Martin Luther. Er entfachte vor ein paar Jahrhunderten einen Riesenärger in der Kirche.
Der Mönch und Gelehrte aus der Provinz entpuppte sich als einer der sturköpfigsten Sturköpfe überhaupt. Von niemandem ließ er sich etwas sagen. Und selbst als ihm der Scheiterhaufen drohte, gab er keine Ruhe. Er war mutig, leidenschaftlich, lautstark.
Der Mönch
Geboren wird Martin Luder (seinen Nachnamen wird er erst später in Luther ändern) am 10. November 1483 in Eisleben im heutigen Sachsen-Anhalt. In seiner Kindheit und Jugend deutet noch nichts darauf hin, dass er später einmal die Welt durcheinander wirbeln wird. Nach der Schule beginnt er als 17-Jähriger an der Universität ein Studium der Rechtswissenschaften, ganz nach dem Wunsch seines Vaters. Schließlich verspricht das ein sicheres Einkommen. Doch am 2. Juli 1505 verändert sich sein Leben schlagartig. Auf einem offenen Feld gerät Luther in ein Sommergewitter. Blitze zucken über den schwarzen Himmel, einer verfehlt ihn nur knapp. Luther begreift das als Zeichen Gottes – und wird zwei Wochen später Mönch.
Seine Tage bestehen von da an aus Lernen, Beten und Büßen. Ständig fragt er sich: Wie kann ich Gott gnädig stimmen? Sodass er mir meine Sünden vergibt? Darauf findet Luther zunächst keine Antworten. Bald wird er Priester und zieht zum Theologie-studium nach Wittenberg.
Der Rebell
Das Kaff mit nur 2000 Einwohnern hat eine neue Universität, an der sich viele Gelehrte tummeln. Luther besticht als Bibelexperte, kaum jemand scheint das wichtigste Buch des Christentums besser zu kennen als er. Und doch hat er ein Problem: Über das Thema der Sünde zerbricht er sich den Kopf. Er glaubt, sie sei dem Menschen angeboren.
Kampfansage: In seinen 95 Thesen fordert Martin Luther unter anderem, den Ablasshandel abzuschaffen. Christen und Christinnen sollen sich also nicht mehr mit Geld die Vergebung Gottes erkaufen dürfen
Welche Chance auf Vergebung hat also der Einzelne? Die römisch-katholische Kirche behauptet, man müsse dafür Buße tun. Oder, besser noch, Geld bezahlen, den sogenannten Ablass. Die Kirche nimmt auf diese Weise riesige Summen ein, weil sich die Menschen von ihren Sünden „freikaufen“ wollen. Damit lassen es sich die Kirchenleute bis hin zum Papst gut gehen oder bauen neue Gotteshäuser.
Der Reformator, Martin Luther
Luther findet das heuchlerisch und wettert gegen das Treiben. Er verfasst die heute so berühmten 95 Thesen gegen den Ablasshandel, lässt sie angeblich am 31. Oktober 1517 an die Holzpforte der Wittenberger Schlosskirche schlagen – und macht sich so logischerweise zum Feind des Papstes. Doch das ist ihm egal. Mehr noch: Zwei Jahre später greift er den Papst weiter an. „Wir sind überzeugt, dass das Papsttum der Sitz des wahren und leibhaftigen Antichrist ist“, sagt er. Mit anderen Worten: einer Teufelsgestalt! Nie zuvor hat jemand gewagt, das Amt des „Heiligen Vaters“ so offen und heftig zu kritisieren.
Der Kaiser befiehlt deshalb, dass Luther im April 1521 beim Reichstag in Worms erscheinen muss. Karl V. kann nicht zulassen, dass die Kirche geschwächt wird. Denn sie hilft ihm, sein Riesenreich zusammenzuhalten. Aber Luther nimmt auch hier kein Blatt vor den Mund: „Ich kann nichts und will nichts widerrufen!“, sagt er – und wird daraufhin für rechtlos erklärt. Doch ein ihm wohlgesonnener Fürst versteckt ihn. Die nächsten Monate lebt Luther getarnt mit langen Haaren und Vollbart auf der Wartburg in Thüringen.
Sein Mut zahlt sich aus: Er findet immer mehr Anhänger und Anhängerinnen, die „Reformation“ (vom lateinischen reformatio = „Erneuerung“) ist in vollem Gange. „Ganz Deutschland ist in Aufruhr“, meldet ein päpstlicher Gesandter nach Rom. Immer mehr Priester und Fürsten verlassen die römisch-katholische Kirche und schließen sich der neuen „protestantischen“ Bewegung an. Ihren Glauben leben sie in evangelischen Gemeinden, in denen alle gleichgestellt sind. Im Mittelpunkt stehen die Worte von Jesus Christus – so wie sie in der Bibel geschrieben sind. Nur eben auf Latein oder auf schwer verständlichem Deutsch.
Der Übersetzer
Luther will, dass alle die Bibel verstehen, nicht bloß die Gelehrten. Also beginnt er, die Texte selbst zu übersetzen. Er sagt, er wolle „dem Volk aufs Maul schauen“. Mehr noch: Hunderte neue Ausdrücke und Redewendungen wie „Machtwort“, „Lästermaul“, „Gewissensbisse“, „Lockvogel“, „die Zähne zusammenbeißen“ oder „Wolf im Schafspelz“, die wir heute noch benutzen, bringt Luther erstmals zu Papier. Mit seiner Übersetzung der Bibel frischt er also ganz nebenbei die deutsche Sprache auf.
Der Promi
Im Jahr 1525 heiratet der frühere Mönch. Auch das dürfen Geistliche in der katholischen Kirche nicht, in Luthers „neuer“ Kirche schon. Er hat sich in Katharina von Bora verguckt, eine Nonne, die mit elf anderen aus einem Kloster geflohen ist, um sich der Reformation anzuschließen. Einige finden Unterschlupf bei einem Freund Luthers.
Mit seiner Frau bekommt Martin Luther sechs Kinder. Bis zu seinem Tod am 18. Februar 1546 besuchen ihn immerzu zahlreiche Studenten, Gelehrte, Mächtige, um mit ihm über Gott und die Welt zu diskutieren.
 
		 
									 
									 
									