Es ist nicht lange her, dass Lettland der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen beitrat. Jetzt plant das Land seinen Rückzug. Frauenorganisationen sind entsetzt.
Das Parlament in Lettland hat den Ausstieg aus der Istanbul-Konvention für den Schutz von Frauen gegen Gewalt beschlossen. Die Volksvertretung in Riga stimmte nach einer mehrstündigen Diskussion für den Rückzug des baltischen EU- und Nato-Landes aus dem Übereinkommen des Europarats. Gegner und Kritiker der Istanbul-Konvention sehen durch das Vertragswerk eine Ideologie gefördert, die traditionelle Familienwerte in Lettland untergrabe. Das Gesetz zum Austritt muss noch von Staatspräsident Edgars Rinkevics gebilligt werden.
Lettland hatte die 2011 ausgearbeitete Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erst im vergangenen Jahr ratifiziert – sie trat dort am 1. Mai 2024 in Kraft. Der Ostseestaat wäre das erste EU-Land, das sich aus dem Vertrag zurückzieht.
Die Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ein. Zudem werden darin politische und rechtliche Maßnahmen definiert, mit denen die Unterzeichnerstaaten einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung schaffen sollen.
Frauenorganisationen in Lettland besorgt
Der Ausstieg wurde mit einem Gesetzentwurf verabschiedet, der von der Opposition ins Parlament eingebracht worden. Beschlossen wurde er mit Hilfe der Stimmen von einer der drei Koalitionsparteien der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Evika Silina. Ob dies Auswirkungen auf den Fortbestand der Regierung haben wird, blieb zunächst unklar. Die Ratifizierung des Übereinkommens war ein wichtiges Anliegen nach deren Amtsantritt im September 2023.
Frauenrechtsorganisation und Institutionen, die mit Gewaltopfern arbeiten, befürchten, dass die Aufkündigung des Übereinkommens den Schutz von Frauen und die Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter schwächt.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ berät unter der Rufnummer 08000 116 016 und online auf www.hilfetelefon.de rund um die Uhr und kostenfrei zu allen Formen von Gewalt. Die Beratung erfolgt anonym, vertraulich, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort. Auch Bekannte, Angehörige und Fachkräfte können sich an das Hilfetelefon wenden.