Konflikt im Sudan: RSF-Miliz erobert Al-Faschir: Was passiert gerade in Darfur?

Die sudanesische Großstadt Al-Faschir ist nach dem Rückzug der Armee unter der Kontrolle der Miliz RSF. Nun werden Gräueltaten an der Zivilbevölkerung befürchtet. Was ist dort los?

Seit zweieinhalb Jahren kämpfen im Sudan die Armee und die paramilitärische Miliz Rapid Support Forces (RSF) gegeneinander. Die RSF hat nun die Großstadt Al-Faschir in der westlichen Region Darfur fast vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Die Armee bestätigte am Montag, sich nach 18-monatiger Belagerung aus der Stadt mit rund 300.000 Zivilisten – viele davon Kinder – zurückgezogen zu haben. Die RSF verkündete bereits am Sonntag die Einnahme des Armeepostens und der gesamten Stadt. Al-Faschir war die letzte Stadt unter Regierungskontrolle in Darfur.

Die UN bezeichnen die Lage im Sudan als die größte humanitäre Krise der Welt. Es gibt Berichte über Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und mögliche Kriegsverbrechen. Auch Deutschland zeigt sich besorgt. Eine Übersicht über die Ereignisse und Hintergründe.

Worum geht es in dem Konflikt im Sudan?

Seit April 2023 tobt in dem ostafrikanischen Staat ein Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem ehemaligen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Schätzungen zufolge könnten bis zu 150.000 Menschen ums Leben gekommen sein.

Im Kern geht es um die Kontrolle über Staat und Ressourcen. Nach dem Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Baschir 2019 übernahmen die Generäle gemeinsam die Macht. Sie zerstritten sich jedoch über die Frage, ob die RSF in die Armee integriert oder als eigenständige Macht bestehen sollte. Anfang des Jahres gründeten die RSF formell eine Parallelregierung für die von ihnen kontrollierten Gebiete.

Darfur ist RSF-Hochburg. Die Miliz hat dort eine Parallelregierung eingerichtet, und auch ihre Führungsriege um General Mohamed Hamdan Dagalo soll sich dort aufhalten.

Während die Armee die Hauptstadt Khartum zurückerobern konnte, haben die RSF die Kontrolle über Darfur an der Grenze zum Tschad gewonnen. Dies hat Befürchtungen ausgelöst, dass sich das Land dauerhaft spalten könnte. 2011 machte sich bereits der Südsudan aufgrund ethnischer, religiöser und wirtschaftspolitischer Gründe nach langem Bürgerkrieg vom Sudan unabhängig.

Spielen ethnische Faktoren eine Rolle?

In Darfur ist der Konflikt stark von ethnischen Faktoren geprägt, die eng mit Fragen von Landrechten, Ressourcenverteilung und politischer Marginalisierung verbunden sind. Es geht vor allem um Konkurrenz um Land und Wasser zwischen traditionell nomadischen, arabischen Volksgruppen und sesshaften, nicht-arabischen Gruppen.

In den vergangenen Jahrzehnten förderte die Regierung systematisch ethnische Spannungen in Darfur, indem sie arabische Milizen (Dschandschawid) unterstützte, um Aufstände in der nicht-arabischen Bevölkerung zu unterdrücken. Die RSF ist eine Nachfolgeorganisation der Dschandschawid.

Wie ist die Lage in Al-Faschir jetzt?

Seit die RSF Al-Faschir kontrolliert, warnen die UN vor einer drastischen Verschlechterung der humanitären Lage. Die Hauptstadt von Nord-Darfur war die letzte Provinzhauptstadt der Region unter Armee-Kontrolle. Hunderttausende suchten in der Nähe Schutz vor der RSF. Die Miliz belagerte die Stadt anderthalb Jahre, die Bevölkerung litt unter Hunger, Krankheiten und Angriffen.

Tom Fletcher, Leiter des UN-Nothilfebüros, erklärte, die Menschen könnten nicht fliehen, lebten in Angst und hätten keinen Zugang zu Nahrung oder medizinischer Versorgung. Es wird befürchtet, dass der Bevölkerung und den Flüchtlingen durch die RSF Tötungen, Folter und Vergewaltigungen sowie ethnisch motivierte Vertreibungen drohen.

Die RSF erklärten, sie würden die Zivilbevölkerung in Al-Faschir schützen. Menschenrechtler warnen jedoch seit Langem vor Racheakten an Zivilisten vom Stamm der Zaghawa. Es gibt Berichte und Videos, die zeigen, wie RSF-Kämpfer unbewaffnete Männer erschießen und um Leichen herum jubeln. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Videos nicht verifizieren. Augenzeugen berichten, dass RSF-Kämpfer Zivilisten an der Flucht hindern und in nahe gelegenen Ortschaften festhalten.

Ein örtliches Widerstandskomitee erklärte, RSF-Kämpfer hätten bei ihrem Einmarsch zahlreiche Gräueltaten begangen. Seit Sonntag hätten unschuldige Zivilisten „die schlimmsten Formen von Gewalt und ethnischer Säuberung“ erlitten. Auf der Facebook-Seite des pro-demokratischen Komitees waren Videos von fliehenden Zivilisten und auf der Straße liegenden Leichen zu sehen. Die sudanesische Armee warf der Miliz vor, mehr als 2000 Zivilisten exekutiert zu haben.

Welche Ziele verfolgt die RSF – und wie geht sie vor?

Die Miliz ist aus arabischen Reitermilizen hervorgegangen, denen – damals gemeinsam mit der sudanesischen Armee – ein Genozid an der ethnisch-afrikanischen Bevölkerung in Darfur mit bis zu 300.000 Toten vorgeworfen wird.

Die RSF will ihre Kontrolle in strategisch wichtigen Regionen festigen, vor allem in Darfur und Kordofan, und sich als legitime politische Kraft etablieren. Letztlich strebt sie die Machtübernahme im Sudan an. Offiziell propagiert die RSF Ziele wie Demokratie, Dezentralisierung und Gerechtigkeit, verfolgt aber vor allem die Sicherung von Macht, Ressourcen und Einfluss. Die Miliz ist für brutale Verbrechen bekannt, einschließlich des Niederbrennens ganzer Dörfer, Folter, Massenvergewaltigungen und Hinrichtungen. Vor dem Krieg hatte sie schätzungsweise 100.000 Kämpfer, die auch als Söldner im Ausland dienten.

Wie reagiert die internationale Staatengemeinschaft?

Die Vereinten Nationen warnen vor einer weiteren militärischen Eskalation. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die RSF und die sudanesischen Streitkräfte zu Verhandlungen auf. Er sei zutiefst besorgt über die Eskalation im Sudan und verurteile Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Guterres sei alarmiert, dass weiterhin Waffen und Kämpfer in den Sudan gelangten und die Lage verschärften, sagte sein Sprecher. Dies müsse enden. Humanitäre Hilfe müsse schnell und ungehindert geliefert werden.

Das Auswärtige Amt in Berlin teilte auf der Plattform X mit: „Wir sind erschüttert über die Berichte aus El Fasher, Sudan.“ Kämpfer der RSF seien tief in die Stadt vorgedrungen und töteten wahllos Zivilisten. „Das muss sofort aufhören“, hieß es weiter. Die RSF hätten öffentlich zugesagt, Zivilisten schützen wollen. „Sie werden sich für diese Taten verantworten müssen.“

Die EU zeigte sich „tief besorgt“ über die Zunahme der Gewalt in dem ostafrikanischen Land gezeigt. „Die Europäische Union fordert alle Konfliktparteien auf, die Situation zu entschärfen“, sagte ein Sprecher am Dienstag in Brüssel. „Zivilisten brauchen Schutz und müssen Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten“, fügte er hinzu.

Was für ein Land ist der Sudan?

Der ostafrikanische Staat am Horn Afrikas mit rund 50 Millionen Einwohnern ist eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas und verfügt über bedeutende Bodenschätze, einschließlich Gold, Erdöl, Kupfer, Eisen und Uran. Die Gewinne aus dem Rohstoffsektor kommen einer kleinen Elite zugute, die damit bewaffnete Konflikte finanziert, während der Rest der Bevölkerung in Armut lebt.

Fliehen Menschen aus dem Sudan nach Deutschland?

Die UN werten die Lage im Sudan als derzeit größte humanitäre Krise der Welt. Mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, sind von Hunger bedroht. Mehr als zwölf Millionen Menschen fliehen, hauptsächlich in angrenzende Staaten, wie den Tschad, Äthiopien oder den Südsudan, aber auch über das Rote Meer nach Jemen und Saudi-Arabien. Eine größere Fluchtbewegung nach Deutschland gibt es nicht.

Laut International Rescue Committee (IRC) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) sind Tausende Menschen aus Al-Faschir in die etwa 80 Kilometer entfernte Ortschaft Tawila geflohen. Sie schlossen sich den rund 400.000 Vertriebenen an, die bereits dort leben. Die hohe Zahl an Hilfsbedürftigen belastet die ohnehin begrenzten Ressourcen enorm.

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