Humanitäre Katastrophe: Einnahme wichtiger Stadt El Fascher im Sudan befürchtet

Die letzte Bastion der sudanesischen Regierung in der Region Darfur steht vor dem Fall – 300.000 Menschen droht schwere Gewalt. Die deutsche Staatsministerin Güler setzt sich im Sudan für Frieden ein.

Im Sudan rückt die paramilitärische Gruppe RSF in die letzte von der Regierung kontrollierte Großstadt im Südwesten des Landes vor. Die Miliz teilte am Sonntagmorgen mit, sie kontrolliere nun die Stadt El Fascher, nachdem sie zuvor das dortige Hauptquartier der Armee eingenommen habe. 

Die Armee äußerte sich zunächst nicht. Medienberichten zufolge gibt es weiter Kämpfe in der Hauptstadt des Bundesstaats Nord Darfur, die seit anderthalb Jahren belagert ist. Keine der Angaben ließ sich zunächst unabhängig bestätigen. 

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Serap Güler (CDU), forderte bei einem Besuch bei der sudanesischen Regierung in der Hafenstadt Port Sudan am Sonntag die Miliz dazu auf, Zivilisten zu schützen und das humanitäre Völkerrecht zu achten. 

Situation in der umkämpften Stadt unübersichtlich

Noch am Samstagmorgen hatte die Armee nach eigenen Angaben zwei schwere Angriffe auf El Fascher abgewehrt. Dabei seien zahlreiche Kämpfer der Miliz getötet und verletzt worden, teilte die in El Fascher stationierte sechste Infanteriedivision mit. 

El Fascher ist die letzte Stadt unter Regierungskontrolle in der Region Darfur, die in dem seit zweieinhalb Jahren andauernden Konflikt fast vollständig von der Miliz eingenommen worden ist. In der Stadt leben nach UN-Schätzungen noch bis zu 300.000 Menschen unter Bedingungen, die von Helfern als humanitäre Katastrophe bezeichnet werden.

Eine Mitarbeiterin einer internationalen Hilfsorganisation sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe Videos von aus der Stadt fliehenden Zivilisten erhalten. Jedoch habe man alle Verbindungen zu den Kontakten in der Stadt verloren. Eine UN-Mitarbeiterin sagte der dpa, die Einnahme der Stadt sei wegen Kommunikationsproblemen noch nicht bestätigt, aber ziemlich sicher.

Tötungen, Folter und Vergewaltigungen befürchtet

Gelingt der Paramiliz die Einnahme der Stadt, werden schwere Gewalttaten, Tötungen, Folter und Vergewaltigungen sowie ethnische Säuberungen wie in den zuvor eingenommenen Teilen Darfurs befürchtet. 

Im Sudan herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Die Miliz ist aus arabischen Reitermilizen hervorgegangen, denen – damals gemeinsam mit der sudanesischen Armee – vor gut 20 Jahren ein Genozid an nichtarabischen Bevölkerungsgruppen in Darfur mit bis zu 300.000 Toten vorgeworfen wird.

Während die Armee zwischenzeitlich die Hauptstadt Khartum zurückerobern konnte, haben die RSF ihre Kontrolle über die Region Darfur an der Grenze zum Tschad verfestigt. Beobachter fürchten eine dauerhafte Spaltung des Landes.

Staatsministerin fordert sudanesischen Machthaber zu Friedensgesprächen auf

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Serap Güler (CDU) traf in der Hafenstadt Port Sudan De-facto-Präsident al-Burhan. „Ich habe General Burhan dafür gedankt, dass sich die humanitären Zugänge an manchen Orten in Sudan verbessert haben. Und ich habe darum gebeten, dass die dauerhafte Präsenz der Vereinten Nationen im ganzen Land nun wirklich ermöglicht wird“, sagte sie bei einer Pressekonferenz. „Deutschland unterstützt Wege zum Frieden im Sudan. Dafür ist ein inklusiver, zivil geführter Transitionsprozess unerlässlich.“ 

Sie habe bei al-Burhan deshalb darum geworben, dem Friedensplan des sogenannten Quad – einer Vermittlergruppe aus den USA, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten – eine Chance zu geben. Der Plan setzt auf politische Einigung, eine dreimonatige Waffenruhe für humanitäre Hilfe sowie den Beginn eines neunmonatigen Übergangs zu einer zivil geführten Regierung. Radikale Gruppen sollen ausgeschlossen und regionale Einmischungen, die den Konflikt verschärfen könnten, zurückgewiesen werden.

Schätzungen von bis zu 150.000 Todesopfern seit April 2023

Al-Burhan hatte die Zusammenarbeit mit der Gruppe ebenso wie Verhandlungen mit der RSF ausgeschlossen. Vertreter der Gruppe tagten am Samstag in Washington. Die sudanesische Regierung, aber auch UN-Experten und US-Vertreter werfen den Emiraten vor, die RSF seit Beginn der Kämpfe mit Geld und Waffenlieferungen zu unterstützen. Der Golfstaat weist dies zurück.

Belastbare Opferzahlen gibt es nicht, nach einer von den USA zitierten Schätzung könnten bis zu 150.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die UN beschreiben die Lage in dem Land als die größte humanitäre Krise der Welt. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, sind von Hunger bedroht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert