Trotz Top-Ergebnissen in Naturwissenschaften schlagen Lehrer Alarm: Doppelt so viele Neuntklässler mit Mathe-Schwäche und hunderte offene Stellen bringen Thüringens Schulen an ihre Grenzen.
Nach dem teils überdurchschnittlichen Abschneiden der Thüringer Schülerinnen und Schüler im Ländervergleich des jüngsten IQB-Bildungstrends warnt der Thüringer Lehrerverband vor zu viel Selbstzufriedenheit. Die Ergebnisse „zeigen vielmehr, wie viel Kraft die Schulen aufbringen, um unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit zu leisten. Aber die Belastungsgrenze ist längst überschritten“, sagte Tim Reukauf, Landesvorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes.
Die im Auftrag der Kultusministerkonferenz regelmäßig durchgeführte Studie hatte ergeben, dass Thüringens Neuntklässler in den Fächern Chemie, Physik und Biologie deutlich besser abschneiden als der Bundesdurchschnitt. Gleichzeitig sinkt das Bildungsniveau in Mathematik und den Naturwissenschaften aber bundesweit seit Jahren – so auch in Thüringen. Für Reukauf ist das auch eine Auswirkung jahrelanger Mangelverwaltung.
Lehrerverband: Zu viele fachfremde Lehrkräfte
In Thüringen steige der Anteil an Seiteneinsteigern in den Lehrerberuf notgedrungen seit Jahren. Jede fünfte Lehrkraft unterrichte laut Studie fachfremd. Der Anteil der Schüler, die den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss (MSA) in Mathematik verfehlen, habe sich seit 2018 verdoppelt. „Wer glaubt, Unterricht sei unabhängig von fachlicher und didaktischer Qualifikation möglich, ignoriert die Realität“, so Reukauf.
Im Freistaat gibt es laut Bildungsministerium rund 17.000 Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen. Im vergangenen Schuljahr wurden 1.358 Lehrkräfte in den Schuldienst eingestellt, während 836 Lehrkräfte in den Ruhestand wechselten. Trotz des Einstellungsplus gegenüber den Ruheständlern gibt es in Thüringen zwischen 500 und 600 freie Stellen im Schuldienst, sagte Bildungsminister Christian Tischner (CDU) zuletzt.
Bildungsministerium bekämpft Lehrermangel
Mit verschiedenen Maßnahmen versucht das Bildungsministerium den Unterricht im Land abzudecken: So werde auch in diesem Schuljahr ein erheblicher Teil der Lehrerinnen und Lehrer per Abordnung außerhalb ihrer Stammschule eingesetzt, um Unterricht abzusichern. Helfen soll auch ein flexiblerer Einsatz von Grundschullehrern in Förder- und Regelschulen, wo der Mangel besonders groß ist. Dafür sollen die Lehrkräfte an Grundschulen perspektivisch weitergebildet werden. Nach Meinung des Lehrerverbandsvorsitzenden Reukauf braucht es eine „echte Personalplanung statt Mangelverwaltung“ sowie eine weitere Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs.