Um einen Schönheitspreis geht es in der Fußball-Festung Windsor Park nicht. Die DFB-Kicker müssen sich den Sieg gegen Nordirland mit vollem Körpereinsatz erarbeiten. Ein Stürmer trifft erstmals.
Jetzt ist das WM-Ticket ganz nah: Sturm-Riese Nick Woltemade hat den viermaligen Fußball-Weltmeister Deutschland mit seinem Premieren-Tor gegen rustikale Nordiren zum eminent wichtigen 1:0 (1:0) in Belfast geführt. Nach dem Arbeitssieg geht Bundestrainer Julian Nagelsmann mit der DFB-Auswahl im November als Tabellenerster der Gruppe A in die finalen Qualifikations-Partien in Luxemburg und in Leipzig gegen die Slowakei.
Um einen Schönheitspreis ging es im Windsor Park, in dem die Nordiren am Montagabend erstmals nach zwei Jahren wieder verloren, in einem von Einsatz und Zweikämpfen geprägten Spiel nicht. Das entschied der 1,98 Meter große Woltemade, als er einen scharfen Eckball von David Raum in der 31. Minute mit der Schulter ins Tor beförderte. Es war Tor Nummer eins im sechsten Länderspiel für den 23 Jahre alten Stürmer von Newcastle United.
Der Dortmunder Karim Adeyemi hätte direkt nach der Pause bei einem Konter mit dem 2:0 für einen Arbeitssieg ohne Zittern sorgen können. So war bis zum Schlusspfiff Schwerstarbeit nötig vom sehr präsenten Mittelfeld-Fixpunkt Aleksandar Pavlovic und seinen intensiv geforderten Kollegen.
Deutsche Tugenden gegen überharte Nordiren
„Verlieren ist auf jeden Fall verboten, besser ist es zu gewinnen“ – so lautete die Marschroute von Nagelsmann. Und der DFB-Auswahl, die in gleicher Besetzung wie beim 4:0 gegen Luxemburg antrat, war der Ernst der Lage offebar bewusst. Gegen die teils überharten Nordiren, die vom aufgeheizten Publikum für jeden gewonnenen Zweikampf gefeiert wurden, hielten Joshua Kimmich und Co. dagegen. Im Gegensatz zum letzten – peinlichen – Auswärtsauftritt in der Slowakei (0:2) waren auch die in den letzten Wochen so oft geforderten deutschen Tugenden sichtbar.
Fußballerisch war es kein Spiel für Genießer, es wartete harte Arbeit. Viele Tacklings, viele Standards und auch viele lange Bälle gerade von den limitierten Gastgebern prägten das Geschehen. Das intensive Spiel brachte auch Nagelsmann ins Schwitzen, seine Jacke legte der Bundestrainer schnell ab.
Ballard jubelt zu früh
Eine erste Schrecksekunde hatte die deutsche Mannschaft in der 14. Minute zu überstehen, als Daniel Ballard den Ball wuchtig ins Tor bugsierte, doch es lag zuvor eine Abseitsposition vor. Der Lärmpegel beim Torschrei zeigte dem DFB-Team aber, was es tunlichst vermeiden sollte. Die Sehnsucht nach der ersten WM-Teilnahme seit 1986 ist in Nordirland jedenfalls riesengroß.
In der Folgezeit schaffte es die Nagelsmann-Elf, das Geschehen mehr und mehr in die gegnerische Hälfte zu verlagern. Nach einem schnellen Konter über Florian Wirtz hatte Pavlovic eine gute Chance aus der Distanz, wenngleich sein Schuss das Tor um gut einen Meter verfehlte (19.). Bei den Kontern bestand noch Verbesserungsbedarf, oftmals wurden die Pässe zu ungenau gespielt.
Dafür brachte überraschenderweise ein Standard die deutsche Führung. Nach einer Ecke von David Raum traf Woltemade mit der Schulter zur Führung. Wie schon zuletzt in Newcastle bewies der 90-Millionen-Mann damit erstmals auch im Nationaltrikot seine Torjäger-Qualitäten. von Newcastle United.
Es war aber eine Führung, die auf wackligen Füßen stand. Kurz vor der Pause kam der Weltranglisten-72. noch zu zwei guten Möglichkeiten. Doch Jamie Reid (43.) und Ali McCann (45.+4) verfehlten nur knapp.
Adeyemi vergibt und ist nach Gelber Karte gesperrt
Für große Beruhigung auf der deutschen Bank hätte Adeyemi direkt nach der Pause bei seiner Riesenchance sorgen können. Vorausgegangen war ein Traumpass von Wirtz, der fleißig, manchmal aber auch glücklos agierte. Adeyemi, der nach einer Gelben Karte im nächsten Spiel gesperrt ist, wurde kurz darauf ausgewechselt.
Die Spannung aber blieb. Gerade bei Standards warfen die Gastgeber – auch jenseits des Erlaubten – alles hinein. DFB-Keeper Oliver Baumann rückte nun mehr und mehr in den Mittelpunkt. Ein Schuss von Ethan Galbraith ans Außenetz ließ die Zuschauer aufspringen – allerdings vergebens (61.). Galbraith scheiterte auch in der Schlussphase aus der Distanz (85.). Kurz darauf rettete Oliver Baumann gegen Callum Marshall den deutschen Sieg (88.).