Die aus Georgien stammenden Autorin Nino Haratischwili sorgt sich um den Zustand der Demokratie im Westen. Ein Grundpfeiler werde „unmerklich“ beschädigt.
Die Autorin Nino Haratischwili (42) sieht einen schleichenden Verfall der Meinungsfreiheit. „Ich will nicht verzweifeln, und doch verzweifele ich, dass wir in unserer demokratischen Hochburg eines der höchsten Güter, nämlich die Meinungsfreiheit, unmerklich mit Zensur belegen“, sagte Haratischwili in einer Rede zur Demokratie, die sie am Gedenktag an die friedliche Revolution 1989 in Leipzig hielt.
Es sei eine Zensur der wohlgemeinten, politisch korrekten Denkweise, die kein Aber mehr zulasse, sagte die in Georgien geborene Autorin und Theaterregisseurin. „Wir zensieren die Sprache und zensieren die Geschichte, indem wir gut gemeint das Böse zu tilgen versuchen, als würde dadurch die Geschichte rückgängig gemacht werden.“
„Immerzu tippelt man auf Zehenspitzen um das Eigentliche herum, aus Angst, jemand könnte beleidigt sein. Und das tut man natürlich aus einem guten Zweck. Aber was macht es am Ende für einen Unterschied, was die Zensur motiviert hat? Ob ein Autokrat etwas verbietet oder die liberale Gemeinschaft, ist das Ergebnis nicht am Ende das gleiche?“
Sorge um Demokratie
Haratischwili äußerte Sorgen um die Demokratie im Westen. „Wir müssen uns vor Augen führen, dass Europa keine Burg hinter einem Hochsicherheitszaun ist. Europa ist der Glaube an die Möglichkeit der Demokratie und Vielfalt“, sagte sie.
Sie hoffe, „dass es uns allen, die an ebenjene Demokratie glauben – ob im Osten oder im Westen – gelingt, zu unseren Grundfesten zurückzufinden, zu unserer Wahrheit, allem voran zu unserem Gewissen, ohne die Angst, aus dem sicheren Netz der Doppelmoral zu fallen.“