Nachbau von Zelle im türkischen Silivri-Gefängnis in Berlin aufgestellt

Ein Bett, ein Tisch, eine kleine Küchenzeile und eine Hocktoilette auf knapp zehn Quadratmetern umgeben von vier gläsernen Wänden: Vor dem Roten Rathaus in Berlin ist am Mittwoch im Beisein von Politikern ein Nachbau einer Zelle des Istanbuler Hochsicherheitsgefängnisses Silivri aufgestellt worden – als Zeichen der Solidarität mit dem seit März in Silivri inhaftierten Istanbuler Bürgermeister und Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu.

Er hoffe, dass die Aktion „die Menschen darauf aufmerksam macht, was in der Türkei vor sich geht“, sagte der im Berliner Exil lebende türkische Journalist und Kurator der Installation, Can Dündar, der Nachrichtenagentur AFP vor der offiziellen Eröffnung mit Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und dem Grünen-Politiker Cem Özdemir.

Unmittelbar nach der Festnahme Imamoglus habe er sich mit der Idee an Wegner gewandt, sagte Dündar, der selbst nach seiner Festnahme in der Türkei in einer ähnlichen Zelle im Silivri-Gefängnis saß. „Der Bürgermeister war sofort einverstanden, denn Berlin wollte als Partnerstadt Istanbuls ein Zeichen setzen.“ 

Zur offiziellen Einweihung der Zelle versammelten sich am Mittwochnachmittag mehrere Dutzend Menschen vor dem Rathaus, vor allem Unterstützer der größten türkischen Oppositionspartei CHP, der auch Imamoglu angehört. Einige trugen Plakate mit der Aufschrift „Freiheit für Ekrem Imamoglu und alle anderen politischen Gefangenen“.  

Es sei „sehr berührend, sehr bewegend“ gewesen, zu sehen „wie mein Freund Ekrem zur Zeit leben muss“, sagte Wegner nach einer Begehung der Zelle. Er habe sich bewusst entschieden, in dieser Zeit nicht in die Partnerstadt zu fahren. „Das, was die türkische Regierung gerade treibt, führt zu einer schweren Belastung für die Städtepartnerschaft, aber auch für die deutsch-türkischen Beziehungen“, betonte der Bürgermeister. 

In einer Botschaft des CHP-Chefs Özgür Özel, die vorgelesen wurde, erklärte dieser, das Gefängnis Silivri sei gebaut worden, „um den menschlichen Willen zu brechen, um Widerstandskraft zu zerstören“. Es sei „eines der dunkelsten Instrumente autoritärer Unterdrückung“.

Özel warnte in seiner Botschaft vor einer Gefährdung der Demokratie. Die Ereignisse in der Türkei seien nicht nur eine interne Angelegenheit. „Wenn die EU nicht einheitlich und entschlossen auf diesen Autoritarismus reagiert, wird er sich wie ein Virus ausbreiten, der die Demokratien Europas bedroht“. Tatsächlich habe dieser Prozess bereits begonnen.

Imamoglu ist der Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und war im März kurz vor seiner Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der CHP festgenommen worden. „Wenn heute Wahl wäre, würde Imamoglu zum Präsidenten gewählt werden“, sagte Dündar AFP. Deshalb sei nicht mit einer baldigen Freilassung Imamoglus zu rechnen.

Dem Westen hält Dündar vor, zu wenig für eine Verbesserung der politischen Lage in seiner Heimat zu tun: „Sie tun nichts, außer Verurteilungen auszusprechen.“  

Die maßstabsgetreue Installation „Silivri. Prison of Thought“ hatte Dündar 2021 gemeinsam mit der iranischen Künstlerin Shahrzad Rahmani für das Maxim Gorki Theater in Berlin entworfen. Er wollte damit auf das Schicksal politischer Gefangener in der Türkei sowie in aller Welt hinweisen. Aufgrund der damals geltenden Corona-Beschränkungen erhielt die Installation im Garten des Theaters jedoch wenig Aufmerksamkeit. 

Nun können Passanten mitten in Berlin die Enge der Gefängniszelle auf sich wirken lassen. Nach Einbruch der Dunkelheit verwandeln sich die Innenwände der Installation in Unendlichkeitsspiegel, „Insassen“ sehen nur sich selbst in vielfacher Ausführung und können nicht hinausblicken. Von außen werden sie hingegen gesehen. 

Die Zelle ist noch bis zum 8. Oktober vor dem Roten Rathaus aufgebaut, danach wird sie in den Garten des Maxim Gorki Theaters verlegt. Dündar hofft, die Installation in naher Zukunft auch in Paris und Amsterdam zeigen zu können – mit beiden Städten ist er deshalb im Gespräch.

Das Silivri-Gefängnis vor den Toren Istanbuls ist mit rund 15.000 Häftlingen die größte Haftanstalt der Türkei und für die zahlreichen dort eingesperrten politischen Gefangenen bekannt. Neben Imamoglu ist derzeit der bekannte Kulturmäzen Osman Kavala dort inhaftiert. Auch der deutsche Journalist Deniz Yücel und der deutsche Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner saßen in Silivri.

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