Justiz: Volksverhetzung? Erneut Freispruch für Prediger gefordert

Die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ steht im Visier des Verfassungsschutzes. Vor Gericht geht es um eine Predigt während des „Pride Month“. Der Verteidiger argumentiert mit Grundrechten.

Auch im Berufungsverfahren wegen Volksverhetzung hat der Anwalt eines Predigers der „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim“ (BKZW) einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Mit seinen Aussagen über Homosexuelle habe der Mann nur Bibelstellen erläutert und nicht die Menschenwürde der Betroffenen angegriffen, sagte der Rechtsanwalt vor dem Landgericht Karlsruhe. Solche Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit im Grundgesetz geschützt. 

Der Angeklagte selbst äußerte vor Gericht Unverständnis über die Einstufung einer seiner Predigten. „Ich wusste nicht, dass das Volksverhetzung ist“, sagte der 33-Jährige. Auch nach Lektüre des Urteils aus der Vorinstanz könne er nicht nachvollziehen, welche Elemente volksverhetzend sein sollen.

Das Amtsgericht Pforzheim hatte den Mann in einem ersten Prozess gegen die laut Verfassungsschutz extremistische BKZW zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. Der Prediger habe Homosexuelle in der im Internet gestreamten und auch nachträglich veröffentlichten Predigt mehrfach allein wegen ihrer sexuellen Orientierung angegriffen – bis zur Forderung, sie zu töten, sagte die Richterin im Dezember 2024 bei der Urteilsverkündung.

Thema der Predigt mit Blick auf „Pride Month“

Im Berufungsverfahren, zu dem der Angeklagte anders als zum Amtsgericht persönlich kam, erklärte er nun, ein „sehr überzeugter Christ“ zu sein und die Bibel sehr wörtlich zu nehmen. In der Predigt habe er nur eine Passage aus der Bibel erklären wollen. Er habe aber nicht den deutschen Staat aufrufen wollen, Homosexuelle zu exekutieren, sagte der Mann. „Das ist nicht meine Meinung.“

Er räumte ein, das Thema der Predigt im Juni 2023 auch wegen des dann gefeierten „Pride Month“ gewählt zu haben, mit dem sich unter anderem Homosexuelle für gleiche Rechte und Sichtbarkeit einsetzen. Die „Propaganda“ sei so groß geworden, sagte der Angeklagte. Daher sei sein Ziel gewesen, das Thema ins „christliche Licht“ zu rücken und eine andere Sichtweise zu zeigen.

Freispruch unwahrscheinlich 

Sein Verteidiger hatte bereits am Amtsgericht einen Freispruch gefordert und nach dem Urteil Rechtsmittel eingelegt. Die Staatsanwaltschaft wiederum ging in Berufung, um eine höhere Strafe zu erzielen. Der Richter am Landgericht stellte nach vorläufiger Einschätzung in Aussicht, dass ein Freispruch nicht zu erwarten sei. Der Kreis der zu berücksichtigenden Bevölkerungsgruppen sei möglicherweise sogar noch um bisexuelle, transidente und queere Menschen zu erweitern.

Auf den Vorschlag des Vorsitzenden, die Berufung auf die Rechtsfolgen zu beschränken – also beispielsweise die Anzahl der Tagessätze – ging der Verteidiger zunächst nicht ein. In dem Fall hätte der Angeklagte den Sachverhalt quasi eingeräumt, was wie ein Geständnis zu werten wäre. 

Der Anwalt argumentierte in seinen Ausführungen, schon existierende Bibelzitate zu erläutern sei etwas anderes als eine eigene Rede. Das Verfahren soll kommende Woche Donnerstag mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft fortgesetzt werden. Danach könnte das Gericht ein Urteil sprechen.

Extremistische Ansichten 

Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt und sieht sie als extremistische Bestrebung. „Viele Predigten enthalten gewaltbefürwortende Aussagen, die sich hauptsächlich gegen die Menschenwürde richten“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Gefordert werde immer wieder die Todesstrafe für Homosexuelle. 

Gegen die Hauptverantwortlichen der BKZW wurden den Angaben zufolge mehrere Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Die Polizei habe die Räumlichkeiten in Pforzheim durchsucht. Doch die Verantwortlichen hätten die verfassungsfeindlichen Aussagen öffentlich wiederholt und auf diese Weise ihre extremistischen Ansichten weiter verbreitet.

Neuer Name und Fokus auf „Seelengewinnen“

Das LfV rechnet der Gruppierung derzeit eine niedrige zweistellige Zahl an Personen zu. Über ihre Onlineauftritte erreiche sie aber eine weitaus größere Zahl, erklärte eine Sprecherin. Ungefähr seit dem Jahreswechsel 2024/2025 würden die Räume in Pforzheim nur noch sporadisch genutzt. 

Ende 2024 habe die BKZW zudem mehrere Internetpräsenzen in „Deutschlands Seelen Gewinnen“ umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht. Das LfV geht davon aus, „dass diese Entwicklung auch in Zusammenhang mit der aktuellen Abwesenheit der drei hauptverantwortlichen Prediger steht“.

Die Aktivitäten hätten sich vermehrt auf das „Seelengewinnen“, also sogenannte Evangelisationsbemühungen, verlagert, erklärte die Sprecherin. Die organisierte Form der Gemeindegründung in Pforzheim sei damit einer loseren Organisationsform – einer Evangelisationsgruppe – gewichen.

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