Friederike Becht im TV-Film „Im Rausch“: Wenn Verdrängung zur Katastrophe führt

„Im Rausch“ zeigt schonungslos, wie Abhängigkeit Leben zerstört – und doch bleibt ein Funken Hoffnung.

Der ZDF-Fernsehfilm der Woche „Im Rausch“ widmet sich einem Thema, das allgegenwärtig ist und doch oft tabu bleibt: Alkoholismus. Das Drama von Regisseur Mark Schlichter, der gemeinsam mit Laila Stieler auch das Drehbuch schrieb, zeigt zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft in einer zerstörerischen Spirale aus Alkohol, Abhängigkeit und Gewalt. Wer an dieser Stelle schon nicht mehr einschalten möchte, verpasst etwas: Der Film ist fast nie plakativ, die Geschichte spannend und fabelhaft gespielt und am Ende scheint trotz aller Dramatik ein Funken Hoffnung auf.

„Im Rausch“: Darum geht’s

Als ein Artikel der engagierten Journalistin Katja Weiss (Friederike Becht, 38) zensiert wird, greift sie aus Wut einmal mehr zum Alkohol – und verliert prompt ihre Beherrschung. Ihre Chefin und Partnerin Simone (Anne Ratte-Polle, 51) stellt sie vor die Wahl: Entzug oder Kündigung. Katja verlässt das Büro und trifft in einer Bar Eddi (Hans Löw, 49), der ebenfalls vor den Trümmern seiner beruflichen Existenz steht.

Die beiden beginnen eine intensive Beziehung, getrieben von der Sehnsucht, verstanden zu werden – und Alkohol. Während Katja nach Simones Ultimatum zustimmt, eine Entziehungskur zu machen, will sie zugleich als Journalistin eine persönliche Reportage über Alkoholsucht schreiben. Sie recherchiert, spricht mit Experten, Betroffenen und Prominenten – und kehrt doch immer wieder zu Eddi und der Flasche zurück. So steuern beide auf eine Katastrophe zu.

Katrin Sass: „Pfefferminz und Alkohol – die Mischung hat mich jahrelang begleitet“

Eine besondere Szene zeigt ein Interview, das Journalistin Katja mit Schauspielerin Katrin Sass (68) in deren Trailer am Set führt. Die Schweriner Schauspielerin, die im realen Leben vor mehr als 25 Jahren ihre eigene Alkoholsucht überwand, verkörpert sich dabei selbst. Im Film konfrontiert sie Katja direkt: „Ist es möglich, dass du eventuell selber trinkst?“ Sie fügt hinzu: „Weil ich sehe das, ich höre das, aber vor allem rieche ich’s. Pfefferminz und Alkohol – die Mischung hat mich jahrelang begleitet.“ Ein Moment, der die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt und das Drama noch eindringlicher macht.

Besonders einprägsam sind auch die Momente, in denen alltägliche Konsequenzen für Familienangehörige der alkoholkranken Menschen benannt werden: „Ich werde deine angepissten Laken nicht nochmal wechseln“, sagt Sonja Sommer (Anna Brüggemann, 44) an einer Stelle zu ihrem Mann Eddi. Oder wenn Katja vor einer möglichen stationären Entgiftung doch einen Rückzieher macht: „Das passt aber grad überhaupt nicht, ich habe so viel zu tun“, zeigt sich die tief sitzende Verdrängung, mit der viele Betroffene kämpfen.

Sass bringt es in der Interview-Szene auf den Punkt: „Du solltest mit der Reportage ganz aufhören, damit du mit dem Trinken aufhören anfangen kannst“, rät sie und fügt hinzu: „Du musst jetzt auf die Bremse treten, jetzt!“

Gesellschaftliche Dimension

Der Film zeigt deutlich, wie Alkoholabhängigkeit nicht nur das Leben Betroffener zerstört, sondern auch Familien, Freundschaften und Karrieren. Dramatische Zahlen, die im Film genannt werden, unterstreichen die Dimension: „Etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland trinken in stark gesundheitsgefährdendem Maß“, rund „zwei Millionen sind alkoholkrank“. Jährlich sterben in Deutschland etwa 80.000 Menschen an den Folgen ihres Konsums. Hinzu kommen ungefähr 10.000 Kinder, die mit Schäden zur Welt kommen, weil ihre Mütter in der Schwangerschaft tranken.

Dazu steigt das Brustkrebsrisiko durch Alkoholkonsum um 25 Prozent, Depressionen werden begünstigt. Auch ökonomisch ist das Thema nicht zu unterschätzen: Der volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich in Deutschland allein „auf rund 57 Milliarden Euro pro Jahr „- „während die Alkoholindustrie etwa 300 Milliarden Euro jährlich an dem Nervengift verdient“.

Regisseur Mark Schlichter: „Persönlicher ging es nicht“

Friederike Becht beschreibt ihre Vorbereitung als hoch emotional: „Besonders berührt haben mich die Gespräche mit Menschen, die alkoholkrank sind oder waren – und es sind mehr, als man denkt.“ Während der Dreharbeiten habe sie Momente erlebt, die ihr sehr nahegingen, etwa wenn ihre Figur das Trinken mit Ausreden rechtfertigt. Sie selbst habe daraus ein Bewusstsein für eigene Verhaltensmuster gewonnen – vor allem beim Thema Rauchen.

Regisseur Mark Schlichter, der seine eigene Vergangenheit in den Film einfließen ließ, sagt: „Persönlicher ging es nicht. Als ich nach Jahrzehnten endlich begriffen hatte, dass ich den Alkohol nicht mehr reduzieren […] konnte, musste ich in einer Klinik fünf Tage entziehen. Das war meine Rettung.“

Sein Wunsch an die Zuschauer: „Ich wünsche mir, dass der Film dazu anregt, Alkoholsucht ernster zu nehmen – als Krankheit, die viele betrifft, unabhängig von Bildung oder Beruf.“

„Im Rausch“ wird am 29. September um 20:15 Uhr im ZDF ausgestrahlt und ist jederzeit in der Mediathek verfügbar.

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