Bandenkriminalität: In Rio sollen Polizisten, die Kriminelle „neutralisieren“, einen Bonus erhalten

Ein Gesetz stellt Polizisten in Rio de Janeiro eine Prämie in Aussicht, wenn sie Bandenmitglieder „neutralisieren“. Kritiker befürchten dadurch eine Eskalation der Gewalt.

Seit vielen Jahren kämpft Rio de Janeiro mit Bandenkriminalität. Immer wieder kommt es zu Morden und anderen schweren Verbrechen in dem Milieu. Mit einer ungewöhnlichen Maßnahme will die Politik die Verbrechensbekämpfung in der brasilianischen Metropole vorantreiben.

Polizisten, die Schwerverbrecher „neutralisieren“, sollen einen Bonus zu ihrem Gehalt bekommen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Regionalvertretung von Rio de Janeiro gebilligt, berichtet unter anderem der brasilianische Sender G1. Das Gesetz muss allerdings noch vom Gouverneur bestätigt werden. Es stellt Boni in Höhe von 10 bis 150 Prozent des Gehalts in Aussicht für Polizisten, die schwer bewaffnete Verdächtige unschädlich machen oder Waffen sicherstellen.

Die genauen Voraussetzungen sind dabei vage gehalten: Im Zweifelsfall könnten Polizisten auch dafür belohnt werden, Verdächtige im Einsatz zu töten. Kritiker befürchten, die Zahlungen könnten zum Anreiz für unangemessene Polizeigewalt werden. Befürworter des Gesetzes erhoffen sich davon sinkende Kriminalitätsraten.

Politiker ringen um Maßnahmen gegen Kriminalität in Rio de Janeiro

Schon Mitte der 90er-Jahre gab es in Rio de Janeiro den sogenannten „Wild West Bonus“ für Polizisten. 1998 wurde das Gesetz nach drei Jahren wieder abgeschafft. Damals sei es zu regelrechten „Hinrichtungen“ gekommen, erinnerte ein Abgeordneter. Eine andere Abgeordnete nannte das Gesetz laut „Guardian“ einen „Freifahrtschein für die Todesstrafe in den Favelas“. Auch die brasilianische Bundesanwaltschaft hat sich dagegen ausgesprochen.

Marcelo Dino, Politiker der Partei União Brasil und mitverantwortlich für das Gesetz, widersprach dem. „Neutralisieren heißt nicht töten, es kann auch bedeuten, einen Angreifer festzunehmen, bewegungsunfähig zu machen oder zurückzuhalten“, erklärte er. Jeder Fall solle genau bewertet werden.

Die Befürworter des Bonus sind insbesondere unter den Anhängern des rechtsextremen früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zu finden. Sie werben für ein härteres Durchgreifen des Staates, um die Kriminalität in der zweitgrößten Stadt Brasiliens (mehr als sechs Millionen Einwohner) in den Griff zu bekommen. Als Vorbild wird El Salvador genannt, wo Präsident Nayib Bukele vor dreieinhalb Jahren einen Ausnahmezustand ausgerufen hat, der seither anhält. „Es gibt kein Land auf der Welt, das es geschafft hat, seine hohe Kriminalitätsrate zu senken, ohne solche Maßnahmen zu ergreifen“, zitiert der „Guardian“ einen Abgeordneten.

Quellen: G1, „O Dia“, „Guardian“

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