Neu im Kino: Zorn und Zärtlichkeit im Widerstreit: „Miroirs No. 3“

Wieder einmal erkundet Erfolgsregisseur Christian Petzold in „Miroirs No. 3“ die Schwierigkeit von Menschen, sich anderen gegenüber zu öffnen. Wichtig ist ein besonderes Klavierstück.

Am Anfang des Spielfilms „Miroirs No. 3“ steht ein Schock: Laura (Paula Beer) hält sich für schuldig am Unfalltod ihres Freundes – irgendwo im Brandenburgischen. Verzweifelt sucht sie in der Nähe des Unglücksortes Unterschlupf bei der ihr unbekannten Betty (Barbara Auer). Die vielleicht 60-Jährige lebt fern vom nächsten Ort allein in einem ansehnlichen, allerdings ein wenig heruntergekommenen Landhaus mit großem Garten. Langsam findet Laura Ruhe. Doch über der scheinbaren Idylle liegt eine zunächst kaum greifbare Last. Je mehr Zeit die zwei Frauen miteinander verbringen, umso fragiler mutet die Harmonie der beiden an.

Einen ersten Hinweis zum Entschlüsseln der über weite Strecken geheimnisvollen Geschichte gibt der Titel des Films: „Miroirs No. 3“. Gemeint ist damit das dritte Stück von Maurice Ravels Anfang des 20. Jahrhunderts erschienenem fünfteiligen Klavierzyklus „Miroirs“ („Spiegel“).

Wie verlorene kleine Schiffe im endlosen Ozean des Schicksals

Laura, von Beruf Pianistin, wird es einmal spielen. Sie ahnt nicht, welche Bedeutung das Stück mit dem Untertitel „Eine Barke auf dem Ozean“ für Betty hat. Und den zwei Frauen ist nicht klar, dass sie selbst wie verlorene kleine Schiffe im schier endlosen Ozean des Schicksals dahintreiben. Wollen sie überleben, müssen sie jeweils das Ruder übernehmen. Was alles andere als leicht ist.

Regisseur Christian Petzold („Undine“, „Roter Himmel“) hat das Drehbuch zu diesem leisen Psychodrama selbst geschrieben. Baut er zunächst eine leichte Krimispannung auf, setzt er dann vor allem auf das Erkunden verwundeter Seelen. Mehr und mehr fokussiert er dabei auf die Notwendigkeit des miteinander Redens und einander Zuhörens als wesentlicher Grundlage des Zusammenlebens. Deutlich wird dabei, dass Empfindungen wie etwa Zorn und Zärtlichkeit nicht als gegensätzliche Pole verstanden werden sollten, sondern als Einheit. Was in der Realität wohl nur den wenigsten gelingt. Laura und Betty jedenfalls schaffen es kaum.

Starke Schauspielerinnen

Paula Beer und Barbara Auer erweisen sich als die idealen Schauspielerinnen für Christian Petzolds Intentionen. Mit beiden hat er bereits mehrfach zusammengearbeitet. Barbara Auer agiert schlichtweg atemberaubend, weil sie scheinbar so gut wie nichts macht. Mit Schweigen, Blicken, die ins Leere gehen, und einer meist bemüht anmutenden Heiterkeit zeichnet sie ein vor Spannung nur so vibrierendes Frauenporträt. Wie so vieles, bleibt offen, ob Betty je im Schoß eines selbstgenügsamen Glückes ankommen wird.

Im Finale bleibt die Erzählung des für die Protagonistinnen schicksalhaften Sommers bei aller märchenhaften Schönheit dicht an der Wirklichkeit. Dabei wird klar: Wohl jede und jeder möchte das eigene Dasein selbst gestalten. Doch vielen ergeht es ähnlich wie Laura und Betty: Ein Abbiegen von vorgegebenen Wegen erscheint unmöglich. Dagegen anzugehen, kann sehr schmerzhaft sein, so wie das Lächeln, mit dem Betty oft vor dem Leben flüchtet, vor allem vor sich selbst. Wer sich im Kino gern auf die knifflige Auseinandersetzung mit Grundfragen des Lebens einlässt, wird bestens bedient.

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