Literatur: „Uns geht die Sonne nicht unter“ – Neues Buch von Surminski

Der Verlust der Eltern und der Heimat in Ostpreußen lassen Arno Surminski nicht los. Die Fragen nach Schuld und Tod ziehen sich auch durch die neuen Erzählungen des in Hamburg lebenden Autors.

Der in Ostpreußen geborene Schriftsteller Arno Surminski hat einen neuen Band mit 25 Erzählungen vorgelegt. In der Titelgeschichte „Uns geht die Sonne nicht unter“ geht es um einen Lokomotivführer, der in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs durch Deutschland fährt. 

Am 20. April begegnet ihm ein Zug mit Hitlerjungen, an dem Hakenkreuze und der Liedvers „Uns geht die Sonne nicht unter“ zu sehen sind. Knapp zwei Wochen später besetzt die Rote Armee Berlin. Der Lokführer gehört zu den Männern, die aus einem Luftschutzbunker geführt und von russischen Soldaten erschossen werden sollen. Doch er wird verschont, weil ein Offizier plötzlich ruft: „Nicht schießen! Den brauchen wir noch.“

Es ist das Lebensthema des in Hamburg lebenden Autors: Die Gewalt tritt völlig unvermittelt in das Leben der Menschen ein. Sie wollen sich retten, doch das Schicksal ist unberechenbar. Der Tod trifft Schuldige und Unschuldige.

Traumatische Reise

Surminskis (91) ist durch sein Buch „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?“ bekanntgeworden, das im Jahr 1974 erschien. Er schildert darin die Vertreibung aus seiner ostpreußischen Heimat. Als elfjähriger Waisenjunge muss er im Dezember 1945 zusammen mit anderen verbliebenen Deutschen seinen Geburtsort Jäglack (heute: Jegławki) zu Fuß verlassen und in einem Güterzug von Rastenburg (heute: Kętrzyn) nach Frankfurt (Oder) fahren. 

Die traumatische Reise hat Surminski immer wieder aufgegriffen, auch in seinem neuen Buch taucht sie als komprimierte Erzählung wieder auf. „Vater – Mutter – Kind“ heißt die Geschichte. Der Autor beschreibt darin erneut den Verlust der Eltern. Sie werden von russischen Soldaten abgeholt und kehren nie mehr zurück. 

Unmoralisches Geld

Nur ein Teil der Geschichten im neuen Band dreht sich um Krieg und Vertreibung. In der Erzählung „Reise durch ein besonderes Land“ porträtiert Surminski seine zweite Heimat Schleswig-Holstein. Nach der Vertreibung aus Ostpreußen hatte er als Elfjähriger Aufnahme bei einer Familie in Trittau, östlich von Hamburg, gefunden. Eine andere Geschichte mit dem Titel „Vom Ende einer Karriere“ spielt im benachbarten Mecklenburg. Sie handelt von einem DDR-Zöllner, der wegen eines zufälligen Zusammentreffens mit Verwandten aus dem Westen seine Position in Rostock verliert. 

In „Schmutziges Geld“ setzt sich Surminski mit einem Diktum aus Brechts „Dreigroschenoper“ auseinander. Eine junge Theaterbesucherin reagiert mit Begeisterung auf den Satz: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Sie wünscht sich vom Vater ein Theaterabonnement. Doch der winkt ab. Er hätte nur etwas an Dividenden aus Aktien über, „schmutziges Geld“, das die Theatermenschen nicht haben wollten.

Irrtümliche Todesmeldung

Was passiert, wenn Medien fälschlicherweise den Tod eines bekannten Schriftstellers melden, stellt sich der 91-Jährige in der Erzählung „Tod in den Kasseler Bergen“ vor. Beim Hören der Nachrufe wird der fiktive Autor Walter Roßbach in einen beinahe tödlichen Verkehrsunfall verwickelt. Als er aus dem Koma erwacht, sitzt sein Verleger am Krankenbett und berichtet, wie gut sich sein neues Buch verkauft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert