Die größte Gefahr geht laut Innenminister Poseck weiter von Rechtsextremisten aus. Doch auch Verbindungen im Linksextremismus geben Grund zu Sorge. Wen der Verfassungsschutz besonders im Blick hat.
In den extremistischen Szenen in Hessen steigen die Gewaltbereitschaft und die Zahl der Straftaten. Die Bedrohungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung nähmen weiter zu, sagte Innenminister Roman Poseck (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2024 in Wiesbaden. „Unsere Demokratie steht unter Druck, und das aus verschiedenen Richtungen.“
Zahl der Straf- und Gewalttaten um gut ein Drittel gewachsen
Dem Bericht zufolge gab es im vergangenen Jahr in Hessen 12.905 Extremisten, 205 Personen weniger als 2023. Dies sei jedoch kein Ausdruck einer Entspannung, sagte Poseck. Die Zahl der Straf- und Gewalttaten kletterte laut Bericht im gleichen Zeitraum um gut ein Drittel auf knapp 2.530. „Das ist ein klares Signal für eine zunehmende Radikalisierung und Aggressivität von Extremisten“, erklärte Poseck. Von den 74 Gewalttaten wurden der Statistik zufolge 52 dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.
Demokratische Grundordnung von vielen Seiten bedroht
Der Rechtsextremismus bleibe die größte Gefahr für unsere Demokratie, sagte der Minister und verwies auf fließende Übergänge zwischen Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und Rechtspopulismus. Aber auch von links würden das friedliche Miteinander und die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht. Besonders besorgniserregend seien aktuell Verbindungen von Teilen der linksextremistischen Szene mit extremen Teilen der pro-palästinensischen Szene, so Poseck.
Soziale Medien als „Startrampe“ für Radikalisierung
Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Bernd Neumann, warnte, Extremisten würden immer jünger. Dabei dienten soziale Medien nicht selten als Startrampe für die Radikalisierung. Bei Plattformen wie Tiktok werde gezielt Hass, Hetze und Propaganda verbreitet. „Die Tiktokisierung des Extremismus ist das alarmierende Beispiel“, sagte Neumann. Über Kurzvideos und Challenges würden versteckte, aber wirksame Botschaften an junge Menschen vermittelt.
Über scheinbar harmlose Ratschläge Millionen Menschen erreichen
Immer häufiger beobachte der Verfassungsschutz sogenannte „Turboradikalisierungen“ in besonders kurzer Zeit beobachtet, warnte Neumann. Beispielsweise beim Islamismus gebe eine starke Verlagerung ins Netz. Salafistische Prediger erreichten über Tiktok Millionen – nicht mit Gewaltvideos, sondern durch scheinbar harmlose Fragen und Ratschläge, erläuterte Neumann.
Mit Falschbehauptungen soll Vertrauen erschüttert werden
Neben inländischen Extremisten verschärfen sich auch die Bedrohungen durch ausländische Nachrichtendienste und staatliche Einflussnahme. Das LfV beobachte etwa eine deutliche Zunahme von Cyberoperationen mit dem klaren Ziel, unter anderem die kritischen Infrastrukturen auszuspähen und womöglich zu sabotieren, warnte Neumann.
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 habe der Verfassungsschutzverbund gezielte Kampagnen identifizieren können, die durch Falschbehauptungen das Vertrauen in den Wahlprozess erschüttern sollten – etwa durch vermeintliche Hinweise auf Manipulation.
Poseck dringt auf rasche Gerichtsentscheidung zur AfD-Einstufung
Im juristischen Tauziehen um die Einstufung der hessischen AfD als rechtsextremer Verdachtsfall forderte Innenminister Poseck möglichst rasche Rechtsklarheit. Es sei dringlich, dass es im aktuellen Eilverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel „zeitnah eine Entscheidung“ gebe, sagte er. Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte vor rund drei Jahren die Einstufung vorgenommen, dass die AfD in Hessen ein rechtsextremer Verdachtsfall ist. Diese Einstufung sei immer noch in der Schwebe, kritisierte Poseck.
Im November 2023 hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden zwar entschieden, dass die hessische AfD als Verdachtsfall vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Gleichzeitig wurde dem LfV untersagt, darüber zu berichten, dass die AfD ein Beobachtungsobjekt ist. Gegen diese Gerichtsentscheidung hatten sowohl das Land Hessen als auch die AfD Rechtsmittel eingelegt. Das Verfahren ist somit seit fast zwei Jahren beim VGH Kassel anhängig.
Minister: Land hat „Maulkorb“ bekommen
„Ich glaube, in so fundamentalen Fragen unserer Demokratie müssen wir schneller zur rechtlichen Klarheit kommen“, sagte Poseck. Das Land habe – was die AfD betrifft – einen „Maulkorb“ durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Außerdem seien dem Landesamt „Fesseln angelegt“ – deshalb tauche die AfD in dem aktuellen Verfassungsschutzbericht nicht auf.