Der Regisseur, Autor, Filmmusiker und Fotograf Mario Schneider zeigt, dass New York bei jedem Tempo inspiriert. Er fängt das wundervoll unnormale Leben in Bildern ein.
In der Stadt der Rastlosigkeit gibt es auch Momente der Ruhe und der Emotionen. Mario Schneider, Dokumentarfilmer, Regisseur und Fotograf, hat ein Händchen dafür, solche Augenblicke auf der Straße einzufangen. Oft kann er mit den Menschen, die er ablichtet, nicht einmal sprechen. Da muss ein Zunicken ausreichen, um die Genehmigung für ein Bild zu erhalten.
Sein Bildband „New York Short Stories“ ist das Ergebnis seiner Straßenfotografie in New York in den vergangenen drei Jahren. Dass seine Motive nicht unbedingt wie aus den 2020er-Jahren wirken, ist kein Zufall. „Die Bilder haben das Thema des Buches ausgewählt, nicht umgekehrt“, sagt er im Interview mit dem stern. „Ich glaube, es ist mein Blick auf die Menschen, sie interessieren mich. Ich suche nicht nach den lauten, schrillen Momenten an der Oberfläche.“
„New York Short Stories“, Fotografien von Mario Schneider, Texte von Sergio Purtell, Andreas Reimann, Mario Schneider, Elin Spring, 208 Seiten, Deutsch / Englisch, 48 Euro
© Kehrer Verlag
Schneider kam 1970 in der DDR zur Welt und wuchs dort auf. Seit langer Zeit ist er ein Mann mit vielen Leidenschaften, die er schließlich zu seinen Berufen machte.
Ist die Straßenfotografie zu Ihren Leidenschaften neu hinzugekommen?
Die Fotografie hat mich immer begleitet, ich habe immer fotografiert. Dass ich mich der ernsthaften Fotografie zugewendet habe, fing gleichzeitig mit meiner Dokumentarfilm-Tätigkeit an, als Regisseur. Meinen ersten Film habe ich mit Heroinabhängigen in meinem Heimatdorf gedreht. Da musste ich selbst die Kamera übernehmen, weil zwei von ihnen nicht mit großem Team gedreht werden wollten. Der Kontakt war dann einfach intimer. Da habe ich gemerkt, dass ich diesen Draht dazu habe, etwas filmisch oder fotografisch festzuhalten. 2002, 2003 kam also die Fotografie mit einem Schlag wieder zurück zu mir.
Waren die USA eine Art Ausflug? Wohin hat es Sie letztendlich verschlagen?
Letztendlich bin ich immer wieder nach Halle zurückgekehrt, also in meine Region. Ich komme aus dem Mansfelder Land und lebe jetzt in Halle, was nur 30 Kilometer entfernt ist. Meine Dokumentarfilme drehe ich eigentlich hier im mitteldeutschen Raum, in meiner Heimat. Daher kommt wahrscheinlich auch dieser Sprung mit der Fotografie in die Fremde. New York war eine Stadt, die mich immer angezogen hat.
Wann ging das los?
Das erste Mal war ich 2000 dort, für eine Woche habe ich eine Freundin besucht. Und als ich auf dem Rückweg in den Flieger stieg, hatte ich Heimweh nach New York. Das war ganz extrem. Das hatte ich noch nie mit irgendeiner anderen Stadt oder mit irgendeiner anderen Region. So war es auch, als ich jetzt zum Fotografieren dort war. Ich kam früher aus dem Hotel oder aus dem Haus und habe es geliebt, auf der Straße zu sein und mit den Leuten zu reden und zu fotografieren. Das war das Schönste, was ich mir in dem Moment hätte vorstellen können.
Schneider erzählt in dem letzten Kapitel des Buches, wie er aufgewachsen ist. Unter einfachsten Bedingungen, der Großvater rauchte das Wohnzimmer dunstig, die Ferien fanden in Usedom oder auf Rügen statt. Als er zwölf Jahre alt war, richtete sein Vater eine Dunkelkammer ein – und er begann, umherzuziehen und zu fotografieren.