Tierschutz im Saarland: „Lebenshof“ – neues Zuhause für kriegsverletzte Tiere

Tierschützerin Lara Sohn kümmert sich auf ihrem „Lebenshof“ um gelähmte Hunde und Katzen, die schwer verletzt wurden oder mit Handicap zur Welt kamen.

Katzendame Hedda wurde bei einem Bombenangriff in der Ukraine aus dem Haus geschleudert, verlor ein Vorderbein und hat eine gebrochene Wirbelsäule. Auch die beiden Artgenossinnen Tyra und Liesel kommen aus dem Kriegsgebiet: Tyra hat ihre Vorderbeine verloren, Liesel ist querschnittgelähmt. Snow wurde als Hundewelpe ausgesetzt, weil sie mit einer Querschnittlähmung zur Welt kam. Und Hündin Lemon wurde mit gebrochener Wirbelsäule gefunden – beide in Bulgarien.

Es sind nur ein paar Beispiele von insgesamt zehn Katzen und fünf Hunden, die Schreckliches erlebt haben – und die ihr Leben wiedergefunden haben, seit sie bei Lara Sohn im saarländischen Heusweiler im Regionalverband Saarbrücken gelandet sind. Eigentlich arbeitet die 40-Jährige, die einst als Automobilkauffrau tätig war, hauptberuflich als Buchhalterin an der Uni.

Doch seit Jahren kümmert sich die Tierschützerin mit dem Verein „Katzenstimme grenzenlos“ um solche Tiere, für die es eigentlich keine Perspektive mehr gab: Die im Krieg verletzt und zurückgelassen wurden, die von Geburt an behindert sind und wie Müll „entsorgt“ wurden, oder die angefahren und ihrem Schicksal überlassen wurden.

Traumatische Erfahrung auch für Tiere

„Für Hunde und Katzen ist das Leben in Kriegsgebieten wie der Ukraine genauso wie für die Menschen oftmals eine traumatische Erfahrung“, sagt Nadia Wattad, Pressereferentin des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn. Manche Haustiere wurden aufgrund der unübersichtlichen Situation, die eine Flucht mit sich bringt, zurückgelassen. Ausgesetzte ehemalige Besitzertiere seien aber ein Leben auf der Straße nicht gewohnt.

In den sozialen Medien finde sich viel Bildmaterial von Tieren mit Kriegsverletzungen oder in Panik während Angriffen Russlands auf die Ukraine. Aber auch Berichte, dass Tiere beispielsweise an Herzinfarkten sterben. „In unserem Tierschutzzentrum in Odessa hält das Team freiwillig nach wie vor Stellung und ist trotz aller Widrigkeiten für die Tiere da“, so Wattad.

Lebensfreude in Rollstühlen und Rutschsäcken

Bei Lara Sohn flitzen Hunde in kleinen Rollstühlen über die Wege und jagen sich begeistert, spielen Fangen mit Katzen, die „Rutschsäcke“ tragen und sich nur mit der Kraft ihrer Vorderläufe bewegen. Oder Hunde und Katzen, die auf der Wiese sitzen und liegen, die Nase in den Wind halten oder sich gegenseitig die Schnauzen lecken. Die Bezeichnung „Gnadenhof“ trifft nicht das, was die 40-Jährige in ihrem Haus und dem riesigen Garten für die Tiere geschaffen hat. „Das hier ist ein Lebenshof. Eine Auffangstation. Unsere kleine Insel, unser Paradies, wo alle zur Ruhe kommen dürfen“, sagt Sohn.

Neue Welten nach Urlaub in Kroatien

Das besondere Engagement der 40-Jährigen für die besonderen Tiere begann, als sie vor zehn Jahren in Kroatien im Urlaub war und sich dort um die Straßenkatzen kümmerte. Der schwarz-weiße Kater Njuvra war der Erste, den sie aus dem Ausland mit zu sich nach Hause nahm. 

Zwei Jahre später kam Murron dazu – die erste querschnittgelähmte Katze. „Dann haben sich Welten aufgetan und es haben sich Welten geschlossen“, sagt sie rückblickend. „Mir war gar nicht bewusst, was es bedeutet, ein Tier mit einer wirklichen Behinderung zu haben.“ Nicht nur, was die aufwendige Pflege angeht, sondern auch die Einschätzungen von anderen. Sogar einen Tierarzt habe es gegeben, der sagte, es gäbe kein lebenswertes Leben für ein solches Tier. Oder solche, die sie fragten: „Wollen Sie sich so etwas wirklich antun?“

Liebe zu den Tieren, Respekt vor dem Leben

Bei der Saarbrücker Tierärztin Elke Grothues habe sie Verständnis und Hilfe gefunden. Ebenso bei Tierphysiotherapeutin Nina Reiber, die ihr zeigte, wie man Darm und Blase bei den gelähmten Tieren manuell entleert – eine lebensnotwendige Technik. Und eine, die zeitaufwendig ist: Eineinhalb bis zwei Stunden dauert es an jedem Morgen, bis alle Hausgenossen zur Toilette gebracht, gepflegt und gefüttert wurden.

Woher sie ihre Kraft dafür nimmt? „Was mich antreibt, ist die Liebe zu den Tieren und der Respekt vor dem Leben. Das macht es mir so leicht, das alles zu tun. Ich sehe das nicht als Arbeit an – und bin dankbar dafür, dass ich dieses Talent habe, mich um die Tiere so kümmern zu können.“

Unterstützung von vielen Tierschützern

Tatkräftige Hilfe gibt es von anderen Mitgliedern aus dem Verein. Finanzielle Unterstützungen für Ausstattung mit Windeln, Rutschsäcke und Rollis oder für Tierarztkosten und Physio kommt durch Spenden und Paten für die einzelnen Tiere. „Wir alle tun kleine Schritte, und gemeinsam schaffen wir etwas großes Ganzes“, sagt Sohn.

Nadia Wattad weist darauf hin, dass es bei gehandicapten Tieren wichtig sei, dass diese gut damit zurechtkommen und ihre Lebensqualität nicht maßgeblich beeinträchtigt wird. „Der Deutsche Tierschutzbund ermutigt zur Adoption solcher Tiere, von denen es zahlreiche in deutschen Tierheimen gibt und die es besonders schwer haben, ein geeignetes Zuhause zu finden.“

Aktionen in Kitas, Schulen und Altenheimen

Mit ihren menschenbezogenen Tieren besucht Lara Sohn Kitas, Schulen und auch Altenheime. Zudem lädt der Verein regelmäßig zu Aktionen und Festen auf den Lebenshof ein, um Spenden zu sammeln und auch das besondere Leben von behinderten Tieren in den Fokus zu rücken. Von ihnen bekomme sie dafür ganz viel zurück: „Es macht einfach nur Freude und gibt Mut, zu sehen, wie sie jeden Tag ihr Leben rocken“, sagt die 40-Jährige.

Handicap-Tiere: Tipps vom Deutschen Tierschutzbund

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert