Jugendkriminalität: Harsefeld schreckt auf: Jugendgang verunsichert Bürger

Ein Elternbrief schreckt die Gemeinde Harsefeld bei Stade auf: Jugendliche sollen den Ort unsicher machen. Bürger schließen sich zusammen und gehen auf Streife. Seit Wochen ist nichts mehr passiert.

Eine brutale Jugendgang, ein Warnbrief der Schulen und besorgte Eltern, die sich zusammenschließen: Im kleinen Örtchen Harsefeld bei Stade ging im Frühsommer die Angst um. Videos der Gangmitglieder im Internet, in denen Gewalt an Mitschülern gezeigt wird, machen die Runde und beunruhigen. Drogen und Vapes sollen verkauft, Schuld- und Wegegeld unter Drohungen erpresst worden sein, heißt es in dem Brief zweier Schulen Ende Juni an die Eltern. 

Inzwischen sind die Täter ausgemacht worden. Rainer Bohmbach, Pressesprecher der Polizeiinspektion Stade, bestätigt die Vorfälle: Gegen einen 15- und einen 16-Jährigen werde wegen diverser Delikte wie Körperverletzung, sogenannter Abziehdelikte, aber auch Schwarzfahren ermittelt. „Wir reden von 10 bis 15 Straftaten über mehrere Monate, es ist nicht so, dass Harsefeld ein Ort der Unsicherheit wäre“, sagt Bohmbach. Eine Mini-Gruppe habe sich um die zwei Haupttäter versammelt, gegen die aber nicht ermittelt werde.

Verunsicherte Eltern gründeten nach dem Schulbrief eine Bürgerinitiative, die Präsenz im 11.000-Einwohner-Ort zeigt. Sie ist über Whatsapp organisiert und hat Hunderte Mitglieder. Bohmbach findet das „gruselig“: „Wir haben nichts dagegen, wenn man uns Informationen zukommen lässt, aber ich hätte etwas gegen Selbstjustiz“. 

Seit Ende Mai ist nichts mehr passiert

Seit zwei Monaten gebe es keinerlei Vorfälle oder Straftaten mehr, das Thema sei medial hochgekocht, sagt er. Zu wenig Polizeipräsenz in den Randzeiten gebe es sicherlich, aber das sei in den kleineren Ortschaften in ganz Niedersachsen so. 

Die ehrenamtliche Bürgermeisterin Susanne de Bruijn (Freie Wählergemeinschaft) kennt die beiden Tatverdächtigen schon lange, einen sogar, seit er vier Jahre alt ist: „Das Problem ist das Internet, man konnte sehen, mit welcher Brutalität sie vorgingen. Das macht es auch so besonders.“ Solche Gruppen habe es schon immer gegeben, aber ohne Aufmerksamkeit im Netz hätten sich Konflikte schneller erledigt. 

Sie hat die beiden am letzten Schultag angesprochen. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich so etwas in meinem Ort nicht haben möchte. Und aufgezeigt, wie sie mit so einer Dummheit ihr Leben beschweren“, sagt de Bruijn, selbst Mutter, der Deutschen Presse-Agentur. „Sie waren nicht unfreundlich, haben keine pampigen Antworten gegeben.“

Mehr Security-Mitarbeiter in Freibad und Eissporthalle 

Sehr ernst genommen hat auch Samtgemeindebürgermeisterin Ute Kück (parteilos) das Treiben der Jugendgang. Aber: „Das mediale Interesse hat uns überrascht. Dieser Eindruck, hier würde es jeden Tag Gewalt geben, ist für mich total befremdlich dargestellt“. Um Konflikte früh zu erkennen, werde das Geschehen in Freibad und Eissporthalle im Ort durch zusätzliche Security-Leute genau beobachtet, Hausverbote überwacht. 

Ansetzen will Kück besonders in den Schulen im Grundschulalter mit verstärkter Sozialarbeit: „Da kann man schon einiges bewegen.“ Zusätzlich sollen ehemalige Harsefelder Schüler, die in ihrer Jugend gewalttätig wurden, in den Klassenräumen davon erzählen, wie ihnen die Taten noch heute nachhängen.

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