Moment, den Film kenn‘ ich doch: Im Kino starten gerade wieder Neuauflagen bekannter Kultklassiker. Der große Remake-Boom aus Hollywood liegt jedoch schon fast 100 Jahre zurück, sagt eine Expertin.
Was haben „Die nackte Kanone“, „Freaky Friday“ und „Superman“ gemeinsam? Richtig – die Klassiker werden jetzt neu aufgelegt und kommen wieder ins Kino. Hollywood schwimmt auf einer Nostalgie-Welle. Zumindest gefühlt laufen im Sommer wieder viele Remakes, Sequels oder Reboots an.
Einige Beispiele: Bald startet „Die nackte Kanone“ mit Liam Neeson und Pamela Anderson – 37 Jahre nach dem ersten Teil der kultigen Slapstick-Reihe (1988) rund um Leslie Nielsen. Anne Hathaway gab bei Instagram kürzlich einen Vorgeschmack auf den Look ihrer Figur in dem geplanten zweiten Teil vom Kultfilm „Der Teufel trägt Prada“ (2006), der in Arbeit ist.
Höhepunkt der Hollywood-Remakes in den 30er und 40er Jahren
Und Lindsay Lohan und Jamie Lee Curtis kommen mit der Fortsetzung der Teenie-Komödie „Freaky Friday“ (2003) zurück. Erleben wir gerade wirklich wieder einen Boom der alten Stoffe?
Diesen sieht die Juniorprofessorin für American Studies und Media Studies an der Leibniz Universität Hannover, Kathleen Loock, nicht. Die Wissenschaftlerin forscht seit vielen Jahren zu Remakes und hat dazu 2024 das Buch „Hollywood Remaking“ herausgebracht.
Aus ihrer Sicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn der große Peak liege bereits fast 100 Jahre zurück, sagt sie. In ihrem Buch hat sie einen Datensatz mit Hilfe von Nachschlagwerken und anderen Quellen gesammelt – mit mehr als 6.500 Remakes, Fortsetzungen, Serienfilmen, Prequels, Spin-offs und Cross-overs, die zwischen 1896 und 2021 in den USA produziert wurden.
Viele Stummfilme neu gedreht – nur mit Ton
Die Blütezeit der Neuerzählungen lag laut den Daten der Wissenschaftlerin in den 1930er und 40er Jahren. Ungefähr 30 Prozent der damals produzierten Hollywood-Filme seien Remakes oder Filmreihen gewesen.
„Das lag ganz einfach daran, dass in den späten 20er Jahren der Tonfilm eingeführt wurde und in dem Zuge wurden viele Stummfilme, die vorher erfolgreich waren, eben noch mal neu gedreht mit Ton. Man hatte eigentlich kaum eine Veränderung“. Aktuell seien etwa nur sechs bis sieben Prozent der Hollywood-Filme ihrem Datensatz zufolge Neu- oder Weitererzählungen alter Stoffe.
Neuauflagen alter Stoffe halten Studios am Laufen
Allerdings hätten die Filme damals einen anderen Stellenwert gehabt und seien oft Teil der B-Filmproduktion gewesen, sagt Loock. „Das heißt, es wurde nicht so viel Geld wie in diese A-Filme investiert. Es wurde oft auch damit gearbeitet, dass man Sets recycelt hat. Das trifft in der Zeit auf viele Filme zu.“
Wieso kann dann trotzdem der Eindruck entstehen, dass viele Remakes aktuell in die Kinos kommen? Die Wissenschaftlerin sagt: „Die Neuauflagen sind vielleicht weniger geworden inzwischen, aber sie sind sichtbarer und sie sind auch mehr Teil unserer täglichen Unterhaltungen und Debatten. Das liegt einfach daran, dass heutzutage mehr Geld investiert wird. Es sind quasi die Filme, die die Studios am Laufen halten.“
David Kleingers vom Verein DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum ordnet das ähnlich ein. Die „extreme Marketingmacht“ hinter den großen Neuauflagen ist aus seiner Sicht einer der Gründe, dass sie so präsent sind.
Nostalgie und Neugierde ziehen
Mit den heutigen Neuauflagen erprobter Stoffe gehen die Hollywood-Studios auf Nummer sicher. Sie wiederholen ihre Erfolgsmuster und vermarkten ihre eigenen Marken aus ihrem Rechtebestand aufs Neue, wie Kleingers sagt.
So brachte Disney erst kürzlich eine Realverfilmung vom Zeichentrickhit „Lilo & Stitch“ (2002) heraus. „Seit Beginn der Kinogeschichte sehe ich Remakes historisch absolut in einer Kontinuität.“
Das muss nicht jedem gefallen. Einige Adaptionen – wie zuletzt die Realverfilmung von „Schneewittchen“ – wurden etwa von verschiedenen Kontroversen begleitet. Der Nostalgie-Faktor und die Neugierde locken aber oft immer noch viele (oder genug) Menschen in die Kinos, darunter auch junge Generationen.
Hollywood will mit den neu erzählten Klassikern ein möglichst breites Publikum erreichen. Und das könne gut gelingen, wenn man alte Geschichten etwa aus einem spannenden Perspektivwechsel erzählt und nicht eins zu eins reproduziert, findet Kleingers.
Auch Fortsetzungen bekannter Stoffe und Filmreihen ziehen oft. Das zeigt eine Übersicht der Filmförderungsanstalt: In den Top 10 der internationalen Filme zwischen 2000 und 2024 in Deutschland finden sich viele Sequels, darunter aus der „Harry Potter“ oder „Der Herr der Ringe“-Reihen.
Trend geht zu Erzähluniversen
Ein Grund dafür könne sein, dass das Publikum liebgewonnene Figuren wiedersehen möchten oder Film-Universen eine Anziehungskraft ausstrahlen, wie der Verband HDF Kino mitteilt.
Tatsächlich gehe hier ein neuerer Trend in Richtung Cinematic Universe, sagt auch Loock. „Das heißt, wir haben ein Erzähluniversum, in dem wir uns zeitlich in alle Richtungen bewegen können. Das bietet mehr künstlerische Freiheiten.“
Ein Beispiel ist hier das „Star Wars“-Franchise, bei dem zuletzt verschiedene Serien wie „The Mandalorian“ erschienen sind, die in der „Star Wars“-Welt spielen. Die Figuren wachsen also im Prinzip mit den Zuschauern weiter.