Tour de France: „Hölle“: Lipowitz bangt nach Alpen-Kraftakt um dritten Rang

Auf der Königsetappe geht der deutsche Jungstar Florian Lipowitz ein hohes Risiko – doch er verteidigt den dritten Gesamtrang und das Weiße Trikot. Tadej Pogacar nähert sich seinem vierten Tour-Sieg.

Florian Lipowitz quälte sich die steile Schlussrampe auf den Col de la Loze hoch und die letzten Kräfte in den Alpen reichten so gerade, um den dritten Gesamtrang zu verteidigen. Der Jungstar durfte dank einer kämpferischen Leistung bei der brutalen Königsetappe der Tour de France sein Weißes Trikot für den besten Nachwuchsfahrer behalten, doch sein Vorsprung auf den Briten Oscar Onley schmolz von rund zwei Minuten auf 22 Sekunden. 

„Ich habe mich versucht zu peitschen, aber die letzten zehn Kilometer habe ich gemerkt: Die Energie ist nicht mehr da. Und dann war es nur noch eine Qual. Die letzten zwei Kilometer waren die Hölle“, sagte Tour-Debütant Lipowitz der ARD. Während er als Elfter ins Ziel kam, wurde Onley Vierter.

Ullrich über Lipowitz: „Ein Büffel“

Lipowitz wird das Weiße Trikot am Freitag zum fünften Mal tragen. Jan Ullrich sagte bei Eurosport, es sei „ganz wichtig“, dass er das Outfit behalten habe. „Man hat gesehen, dass er ein Büffel ist. Er ist brutal stark“, lobte der Tour-Sieger von 1997. „Er hat es wirklich verdient, dass er noch auf Platz drei ist“, meinte Ullrich. 

Titelverteidiger Tadej Pogacar lächelte, als Lipowitz kurz vor dem Anstieg zum Col de la Loze die Stars überraschend attackierte und sich zunächst wenige Minuten Abstand verschaffte. Der sonst so angriffslustige Slowene verzichtete zunächst selbst auf einen großen Angriff. Erst kurz vor dem Ziel ließ der 26-Jährige seinen Dauerrivalen Jonas Vingegaard als Etappenzweiter hinter sich und baute den ohnehin komfortablen Vorsprung um elf Sekunden auf 4:26 Minuten aus – knapp zwei Jahre nach seiner wohl größten Niederlage an Ort und Stelle kommt Pogacar seinem vierten Tour-Gewinn am Sonntag in Paris immer näher.

Vingegaard: „Heute war ein brutaler Tag“

Vingegaard, der überraschend auf große Attacken verzichtete, wollte trotz der schwindenden Chancen noch nicht ans Aufgeben denken. „Heute war ein brutaler Tag“, sagte der zweimalige Tour-Champion. „Wir waren ungefähr gleich auf. Bis auf die paar Sekunden. Die Tour ist noch nicht vorbei.“

Der Australier Ben O´Connor feierte den Tagessieg vor Pogacar und Vingegaard nach 171,5 Kilometern und satten 5.450 Höhenmetern zwischen Vif und dem Col de la Loze. 

Lipowitz: „Kann zufrieden sein“

Lipowitz wollte sich bei der Kraftprobe in den Alpen zeigen. Mit seinem Angriff 32 Kilometer vor dem Ziel auf die Stars um Pogacar, Vingegaard und seinen Teamkollegen Primoz Roglic ging Lipowitz aber auch ein hohes Risiko ein, dass ihn beim harten Endspurt die Kräfte verlassen – und so sollte es auch kommen.

Der Radprofi entschied sich für die Attacke, nachdem sich alle untereinander angeschaut hätten. „Dann habe ich es probiert und habe die Lücke bekommen“, sagte er. „Ich habe etwas versucht und kann trotzdem zufrieden sein.“

Erstes deutsches Tour-Podium seit 2006?

In den letzten fünf Kilometern fiel er zurück. Schon zuvor konnte er nicht auf die Unterstützung seines Kapitäns Roglic zählen. Der Slowene hatte sich früh im Rennen einer Ausreißergruppe angeschlossen – und wartete nicht auf seinen jungen Kollegen. „Wir haben beide offene Rollen“, erklärte Lipowitz die Situation im Team. Der talentierte Jungprofi ist dennoch weiter auf dem Weg, als erster deutscher Profi nach Andreas Klöden vor 19 Jahren das Podium in Paris zu erreichen. 

 

Pogacar: Etappe „entscheidend für die Tour“

Vor der kräftezehrenden Etappe mit drei Anstiegen der höchsten Kategorie tankte Pogacar Kraft mit seiner Partnerin Urska Zigart, wie ein Foto auf der Plattform Instagram zeigte. Mit dem Alpenriesen Col de la Loze machte der Slowene in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen. 2023 brach er an dem Berg völlig geschwächt ein. Pogacar fiel entkräftet zurück und ebnete gleichzeitig seinem Dauerrivalen Jonas Vingegaard den Weg zu seinem zweiten Tour-Erfolg. 

Zeit zum Ausruhen bleibt für die Rennfahrer nicht. Nach der Königsetappe steht am Freitag gleich der zweite Teil der spektakulären Klettershow in den Alpen auf dem Programm. Gleich fünf steile Anstiege müssen die Protagonisten auf den Weg zum Ziel im Skiort La Plagne meistern. Von Albertville aus führt die 19. Etappe über 129,9 Kilometer und 4.550 Höhenmeter hinauf zur Bergankunft.

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