Umfrage: Das läuft in Deutschland richtig gut, Frau Weidel!

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wollte im Sommerinterview keine drei Dinge nennen, die in Deutschland gut laufen. Der stern hat sich mal bei anderen Menschen umgehört.

Vielleicht war es der Lärm der Aktivisten vom „Zentrum für Politische Schönheit“, der Alice Weidel irritierte. Vielleicht hatte die AfD-Vorsitzende aber auch einfach keine Antwort parat.

„Können Sie uns drei Dinge nennen, die in Deutschland richtig gut laufen?“, fragte Moderator Markus Preiß am Ende des ARD-Sommerinterviews, das seit Sonntag aus vielen verschiedenen Gründen debattiert wird.

Weidel atmete tief ein, dann wieder aus und antwortete dann: „Ganz schwierig.“ Dann lächelte sie und schwieg.

„Wollen Sie kurz überlegen – oder sagen Sie lieber nichts?“, fragte Preiß nach.

„Ja, ich bin recht ehrlich zu Ihnen, weil ich eine ehrliche Politikerin bin“, sagte Weidel. „Ich mache mir Sorgen um unser Land.“ Über die Regierung könnte sie jedenfalls nichts Gutes sagen. Sie sei aber „besonders stolz“ darauf, dass „die deutschen Arbeitnehmer und Arbeiter“ trotz allem weitermachten.

Mehr Positives mochte also Alice Weidel nicht zum Zustand in Deutschland mitteilen. Bald darauf meldete sich Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, per Instagram-Video. Die Antwort sei nicht schwierig, sondern „ganz einfach“, sagte er. Erstens sei Deutschland „eines der freiesten Länder dieser Erde“, zweitens engagierten sich hunderttausende Menschen im Ehrenamt und drittens sorge die neue Bundesregierung für mehr Wirtschaftswachstum.

Das klingt sehr staatstragend. Doch was sagen andere Menschen in diesem Land über dieses Land, seien sie Kabinettsmitglied, Künstler oder Koch? Welche drei Dinge laufen aus ihrer Sicht in Deutschland richtig gut?

Aminata Belli: „Die Pünktlichkeit“

Die TV-Moderatorin und Influencerin Aminata Belli

Aminata Belli moderiert im NDR und ZDF. Aber auch bei Instagram hat sie fast 300.000 Follower. In Deutschland läuft ihrer Meinung nach dies gut: 

„1. Ich liebe die deutsche Zuverlässigkeit. Besonders wenn ich im Ausland bin, merke ich, wie sehr ich unsere Pünktlichkeit und das Streben nach Recht und Ordnung mag. Eine Ordnung, auf die man sich verlassen kann und die man meistens als selbstverständlich sieht. Ist woanders aber gar nicht so! Danke dafür.

2. Die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen! 

3. An Deutschland finde ich gut, dass man nicht direkt aus dem sozialen Raster und in die Obdachlosigkeit fällt, wenn man seinen Job verliert. Unser System ist ausbaufähig und auch zu kritisieren, aber wenn ich zum Beispiel auf die USA schaue, bin ich doch sehr froh, dass man hier nicht ganz so hart fallen muss!“

Julia Klöckner: „Die Soziale Marktwirtschaft“

Die CDU-Bundestagspräsidentin Julia Klöckner
© Kay Nietfeld

Als Bundestagspräsidentin ist die Christdemokratin Julia Klöckner Chefin des höchsten Verfassungsorgans. Ihr erster Punkt auf ihrer Liste ist damit wohl automatisch gesetzt. 

„1. Unser Grundgesetz – ein Evergreen seit über 75 Jahren. Es garantiert Freiheiten, um die uns viele beneiden. 

2. Wir sind ‚Ehrenamtsland‘. Unzählige Menschen engagieren sich für andere – ohne Frage nach dem persönlichen Vorteil. 

3. Die Soziale Marktwirtschaft, die beides im Blick hat: Wohlstand und sozialen Ausgleich.“

Atze Schröder: „Deutschland ist ein schönes Land“

Der Comedian Atze Schröder
© Robert Schmiegelt/Geisler-Foto

Der Comedian hat eine klare Meinung zu den drei Dingen, die gut laufen. Und er gendert nicht. „Erstens: die Meinungs- und Pressefreiheit. Selbst so Trottel wie Alice Weidel oder Jette Nietzard dürfen frei ihre Gedanken äußern.“ 

Zweitens gelte: „Deutschland ist ein schönes Land. Die verschiedenen Landschaften, Gebirge, die Seen, die Flüsse, die Strände: absolut einzigartig.“

Und drittens: „Die Funktionalität. Die Verkehrssituation, trotz aller Probleme mit der Deutschen Bahn, ist noch so viel besser als in den meisten anderen Ländern der Welt. Das genieße ich sehr.“

Bärbel Bas: „Wir erfinden Dinge, um die uns die ganze Welt beneidet“

Die SPD-Chefin und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas
© Horst Galuschka

Die SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas ist von der Innovationskraft Deutschlands begeistert und von seiner Vielfalt, auch beim Essen.

„Erstens: Ich mag die Vielfalt in Deutschland – egal ob es um Menschen, Landschaften oder Essen geht.

Zweitens: Deutschland ist ein Mitmach-Land. Viele Menschen krempeln die Ärmel hoch, statt nur zu jammern. Wir sind das Land der Freiwilligen Feuerwehr, der Schützenvereine und der Bürgerinitiativen.

Wir sind ein starkes und innovatives Land. Wir erfinden und produzieren Dinge, um die uns die ganze Welt beneidet.“

Sebastian Krumbiegel: „Das Zentrum für Politische Schönheit“

Der „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel
© Matthias Baran

Der Sänger der Prinzen, der sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagiert, hält ebenso seine Antwort kurz, unterscheidet sich aber in einem Punkt stark vom Rest der Befragten.

„Erstens: Meinungs- und Redefreiheit, auch wenn einige behaupten, es gäbe sie nicht. Zweitens: die Zivilgesellschaft. Drittens: das Zentrum für Politische Schönheit.“ Was man wissen muss: Jenes Zentrum – eine Aktivisten-Gruppe – störte das ARD-Interview mit Weidel.

Sahra Wagenknecht: „Unsere Fußballerinnen überzeugen“

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht
© Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopress

Die Vorsitzende des BSW hat mindestens ebenso viel an der deutschen Politik zu kritisieren wie Alice Weidel. Immerhin findet Sahra Wagenknecht, dass es gerade sportlich gut läuft. So sagt sie: „Ich finde es großartig, wie Florian Lipowitz die Tour de France fährt. Am Dienstag ging es in atemberaubendem Tempo den Mont Ventoux rauf, den ich als Hobbyradfahrerin auch schon mal hochgefahren bin.“ 

Und natürlich: „Auch unsere Fußballerinnen überzeugen bei der EM. Ich drücke fest die Daumen gegen Spanien.“ 

Was in Deutschland ebenfalls gut laufe: „Das Vereinsleben und das ehrenamtliche Engagement. Ohne die Millionen Bürger, die in der freiwilligen Feuerwehr, im Sportverein oder anderswo anpacken, wäre unser Land ärmer und der gesellschaftliche Zusammenhalt deutlich schwächer. Die Vereine brauchen aber mehr Unterstützung von der Politik.“

Markus Söder: „Bayern!“

Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder
© Angelika Warmuth

Der bayerische CSU-Ministerpräsident hat seine Prioritäten herkunfts- und amtsgerecht sortiert. Ansonsten gibt es so einige Übereinstimmungen mit, genau: Sahra Wagenknecht. Hier seine Antworten:

„1. Bayern. 2. Das Ehrenamt in Vereinen, beim Sport, bei Feuerwehren und Blaulicht-Organisationen. 3. Das EM-Team der Frauen.“

Heidi Reichinnek: „Ohne die Gewerkschaften stünden wir schlechter da“

Die Linke-Bundestagsfraktionschefin Heidi Reichinnek
© Bernd Elmenthaler

Auch Heidi Reichinnek, die Linke-Fraktionschefin im Bundestag, denkt sofort an das Ehrenamt, bringt aber Sozialkritik unter: „Das, was mir als Erstes einfällt, ist das Engagement der Menschen: Sei es bei den Tafeln bei der Integration von Geflüchteten, beim THW oder bei der Freiwilligen Feuerwehr und im Sportverein. Gleichzeitig ist es aber sehr frustrierend, dass man sich an zu vielen Stellen aufs Ehrenamt verlässt.“

Zweitens: „Früher hatten wir einen starken Sozialstaat mit guten Angeboten.“ Doch der sei „immer weiter kaputtgespart“ worden.

Und drittens: „Wir stünden aber jetzt schon weitaus schlechter da, wenn wir in Deutschland nicht so starke Gewerkschaften hätten.“

Lars Klingbeil: „Made in Germany“

Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Chef: Lars Klingbeil
© Bernd von Jutrczenka

Als Vizekanzler muss Lars Klingbeil natürlich mindestens so staatstragend formulieren wie NRW-Ministerpräsident Wüst. Also nennt der Bundesfinanzminister und SPD-Chef auf Anfrage des stern diese „drei Dinge, die uns stark machen“. 

Erstens: „‚Made in Germany‘ ist weltberühmt und steht für das, was Millionen Menschen in unserem Land jeden Tag leisten.“ Zweitens: „Wir sind und bleiben ein weltoffenes Land. Unsere Gesellschaft ist stärker als die, die sie spalten wollen und alles nur schlechtreden.“ Drittens: „Zusammenhalt und sozialer Ausgleich zeichnen uns aus – wer Hilfe braucht, dem helfen wir.“ 

Sowieso gelte: „Ich möchte in keinem anderen Land lieber leben als in Deutschland.“

Nelson Müller: „Die Mischung macht’s“

Starkoch Nelson Müller
© Robert Schmiegelt

Er kann vieles, singen, moderieren – und natürlich kochen. Das Multitalent Nelson Müller, in Ghana geboren und in Deutschland zu Hause, will seine Heimat mitgestalten. Seine Hitliste:  

„1. Deutschland begeistert mich durch seine außergewöhnliche Vielfalt – pulsierende Großstädte treffen auf malerische ländliche Regionen, und das oft nur eine Zugstunde voneinander entfernt.

2. Was das Land für mich noch besonders macht, ist die Mischung: verschiedenste Dialekte, Lebensweisen und Menschen, die alle auf ihre Art dazugehören und dieses Land mitgestalten.

3. Als Koch fasziniert mich besonders, wie jede Region ihre eigene Geschichte erzählt – und das eben nicht nur in Büchern, sondern auch auf dem Teller.“

Katharina Dröge: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien“

Die grüne Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge
© Michael Kappeler

Es sei bezeichnend, dass Alice Weidel nichts Gutes über Deutschland einfalle, sagt die grüne Bundestagsfraktions-Chefin Katharina Dröge. Die AfD lebe davon, das Land schlechtzureden. Dabei gebe es „unzählige Beispiele für Stärke, Zusammenhalt und Fortschritt“. Zum Beispiel: 

Erstens: „In Sportvereinen, Schulen oder am Arbeitsplatz sehe ich täglich, wie Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, mit offenen Armen aufgenommen werden. Das ist das wahre Gesicht Deutschlands.“

Zweitens: „Auch wenn Friedrich Merz die Klimakrise am liebsten ignorieren würde – ich bin stolz auf die Erfolge der letzten Jahre beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.“

Drittens: „Mit dem Elterngeld schaffen wir Freiräume für junge Familien. Es ermöglicht Müttern und Vätern, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ohne sofort in finanzielle Not zu geraten.“

Marcus Mittermeier: „Wir sind ein sehr soziales Land“

Der Schauspieler Marcus Mittermeier
© Frank Hoermann/SVEN SIMON

Der bayerische Regisseur und Serien-Star Marcus Mittermeier („München Mord“) ist begeisterter Hobby-Fußballer und engagiert sich im Vorstand eines Vereins für krebskranke Kinder. Diese Erfahrung prägt auch seine Aussage: 

„1. Ich arbeite für einen Verein, der sich um krebskranke Kinder und deren Familien kümmert. Der Verein arbeitet wahnsinnig gut, weil mehrere Dutzend zum allergrößten Teil Ehrenamtliche jeden Tag hart dafür kämpfen, dass die Betroffenen trotz der Erkrankung eine Perspektive haben. Das ist oft so rührend und hoffnungsvoll, weil wir doch ein sehr soziales Land sind, mit viel Zusammenhalt. 

2. Wir verbrennen mittlerweile nur noch so viel Kohle wie in den 50er Jahren! Ein Riesenerfolg!

3. Die Fußball-EM der Frauen zeigt gerade, dass wir kein gespaltenes Land sind. Im Gegenteil. Wir diskutieren hart, aber feiern zusammen!“

Mo Asumang: „Das Gesetz ist an meiner Seite“

Die Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin Mo Asumang
© Jana Mai

Mo Asumang moderierte unter anderem die Sendung „Liebe Sünde“ und dreht Dokumentarfilme. Für ihre Arbeit gegen Rassismus erhielt sie 2019 das Bundesverdienstkreuz. 

Sie sagt: „Ich finde an Deutschland gut, dass wir eine riesige Demokratie-Community haben, die sowohl Brandmauer kann, als auch lernt, offen für Dialog zu bleiben. Ich finde an Deutschland gut, dass ich als schwarze Frau einem Rassisten Diversität und Gleichstellung erklären kann, mit dem Wissen: das Gesetz ist auf meiner Seite. Und ich finde an Deutschland gut, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland auf den Schutz durch die Gesellschaft vertrauen können.“

Thomas Ahke: „Wir ehemaligen DDR-Bürger schätzen die Reisefreiheit“

Thomas Ahke (parteilos) ist Landrat des thüringischen Unstrut-Hainich-Kreises
© Jacob Schröter

Thomas Ahke ist für die Freien Wähler Landrat im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis. Er sagt: „Gerade wir Ostdeutschen und ehemaligen DDR-Bürger wissen, was es bedeutet, nicht reisen zu dürfen. Umso mehr schätze ich es heute, dass ich mit meinem Reisepass nahezu jedes Land ohne großen Aufwand bereisen könnte, wenn ich wollte. Das finde ich klasse!“  

Zweitens: „Wir brauchen niemanden aus Berlin, der uns erklärt, wie wir unsere Schulen sanieren sollen. Die Probleme vor Ort können wir auch vor Ort lösen.“ 

Und zu guter Letzt: „Die zahlreichen Menschen, die sich bei uns ehrenamtlich engagieren – sei es für die Schwächsten der Gesellschaft, im Rettungsdienst, bei der Feuerwehr, im Chor, im Männergesangverein oder im Faschingsclub.“

Wolfgang Kubicki: „Weihnachtsmärkte“

Der frühere FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki
© Christian Charisius

Der Kieler Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki, ohne den die FDP der vergangenen zwei Jahrzehnte kaum denkbar war, hat nicht viel Zeit, als ihn der stern erreicht. Die Yacht ist in Dänemark zu versorgen. „Bin gerade mit dem Boot in Aarhus angekommen“, schreibt er. Seine gleichermaßen aktuelle wie zeitlose und womöglich auch teilweise ironisch gemeinte Hitliste der Dinge, die in Deutschland richtig gut laufen: „Frauenfußball, Social Media und Weihnachtsmärkte.“

Franziska Giffey: „Weniger Genöle und mehr Zuversicht“

Die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey
© Clemens Bilan / epa

Die Berliner SPD-Wirtschaftssenatorin antwortet grundsätzlich. „Wir leben in Frieden und Wohlstand auf einem Niveau, auf dem 90 Prozent der Weltbevölkerung gerne mit uns tauschen würden. Wir können Freiheiten genießen, von denen andere nur träumen. Und: „Vieles, was für uns selbstverständlich ist – freie Bildung, sauberes Wasser, genug zu Essen, allgemeine Gesundheitsversorgung – ist für andere purer Luxus. Und wir sind trotzdem wahre Weltmeister im Wehklagen. Weniger Genöle und mehr Zuversicht für unser Land, bitte! Dann läuft noch vieles mehr gut.“

Und was sagen Sie zu Alice Weidel? 

Welche drei Dinge laufen in Deutschland richtig gut? Oder doch zumindest halbwegs? Oder finden Sie auch alles eher schwierig? Schreiben Sie gerne an [email protected].

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