Was ist nur in sie gefahren? Kathrin Hendrichs Platzverweis gegen Frankreich bringt den Bundestrainer in arge Defensiv-Nöte. Die DFB-Sportdirektorin versucht, die Tätlichkeit zu erklären.
DFB-Sportdirektorin Nia Künzer hat das Zopfzerren von Nationalspielerin Kathrin Hendrich im EM-Viertelfinale gegen Frankreich verteidigt. „Sie schaut in eine ganz andere Richtung und bleibt mit den Händen in den Haaren hängen. Sie hat nicht in die Haare gegriffen“, sagte Künzer einen Tag nach dem Sieg im Elfmeterschießen der deutschen Fußballerinnen in Basel. „Wir möchten auf jeden Fall unterstreichen, dass keine Absicht vorliegt.“
„Ganz andere Richtung geschaut“
Der Videobeweis entlarvte die Tätlichkeit. Die sehr erfahrene Innenverteidigerin hatte Frankreichs Kapitänin Griedge Mbock Bathy in den Haarzopf gegriffen und sah deshalb bereits nach 13 Minuten die Rote Karte. Die 33 Jahre alte Hendrich reagierte darauf mit sichtbarem Unverständnis, hat sich bisher aber nicht selbst dazu geäußert.
„Ihr ist es wichtig zu sagen, dass sie nicht an den Haaren gezogen hat. Man sieht in den TV-Aufnahmen, dass sie in eine ganz andere Richtung schaut“, erklärte Künzer. Mit der Ex-Wolfsburgerin habe es sofort einen Austausch gegeben: „Sie war natürlich sehr enttäuscht, aber auch froh, dass das Spiel so ein Ende genommen hat.“
Hendrich droht mehr als ein Spiel Sperre
Trotz des Halbfinal-Einzugs könnte die Europameisterschaft für Hendrich vorbei sein, wenn sie von der UEFA für mehr als ein Spiel gesperrt wird. Ob der DFB in diesem Fall dagegen vorgehen würde, ließ Künzer offen.
Die Rote Karte schmerze sehr, sagte Bundestrainer Christian Wück bei der Pressekonferenz nach dem packenden 6:5-Sieg im Elfmeterschießen, ohne näher auf mögliche Gründe für Hendrichs Aussetzer einzugehen.
„Haare ziehen ist, wie wenn ich jemandem eine scheuern würde“, erklärte Fußballexpertin Kathrin Lehmann im ZDF. „Das ist glatt Rot. Und weil sie im Sechzehner drin war, ist es auch ein Elfmeter.“ Diesen hatte Grace Geyoro zum 1:0 verwandelt, Sjoeke Nüsken glich später per Kopf aus.
Voss-Tecklenburg: „Blackout“ bei Hendrich
Ex-Bundestrainerin Martina-Voss-Tecklenburg teilte Lehmanns Meinung. „Die Regel besagt das so. An den Haaren ziehen, die Intensität, mit Absicht: Rote Karte. Es gibt keine andere Entscheidung“, sagte die 57-Jährige beim Schweizer Sender SRF. Hendrich habe einen „Blackout“ gehabt.
Öffentlich wollte niemand aus dem deutschen Team der erfahrenen Hendrich einen Vorwurf machen. „Sie war natürlich entsprechend emotional, aber einfach glücklich, überglücklich und dankbar, dass wir das Spiel gezogen haben“, berichtete Stürmerin Giovanna Hoffmann nach dem Abpfiff: „Ich glaube, für sie war das heute am allerschlimmsten, die ganze Zeit in der Kabine zu sitzen und nur zuschauen zu können.“
Im Halbfinale gegen Spanien fehlt auch Nüsken gesperrt
Im Halbfinale am Mittwoch (21.00 Uhr) in Zürich gegen Spanien muss Wück neben Hendrich auch auf Mittelfeldspielerin Sjoeke Nüsken (zweite Gelbe Karte) und möglicherweise auf die verletzt ausgewechselte Außenverteidigerin Sarai Linder verzichten. Die etatmäßige Kapitänin Giulia Gwinn (Innenbandverletzung) fehlt ohnehin. Dafür ist Gwinns nomineller Ersatz – Rechtsverteidigerin Carlotta Wamser nach abgesessener Rotsperre wieder einsatzfähig.